Squirrel Flower: "Planet (i)"

Poesie der Zerstörung

06:28 Minuten
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Von der Klimakrise bis zum Scheitern in der Beziehung: Squirrel Flower besingt ganz unterschiedliche Arten von Katastrophen © Tonje Thilesen
Von Juliane Reil · 01.07.2021
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Klimawandel und Umweltverschmutzung sind nach wie vor ein großes Thema. Die Amerikanerin Squirrel Flower wählt auf ihrem neuen Album eine unkonventionelle Annäherung: Sie übersetzt das, was hässlich ist, in wunderschöne Musik.
Der Albumtitel "Planet (i)" steht für ihre eigene Erlebnis – und Gefühlswelt, erzählt Ella Williams alias Squirrel Flower. Gleichzeitig steht der Titel aber auch für den Planeten Erde und für eine erdachte Welt irgendwo im Universum.

Sie stellt sich ihren Krisen

Im Video zur Single "Flames And Flat Tires" cruist sie mit dem Auto durch die Gegend, im Rücken die sengende Sonne. Trostlose Autofriedhöfe, graue Schrottplätze und riesige Müllberge säumen ihren Weg.
Ganz unterschiedliche Arten von Katastrophen interessieren die Künstlerin auf dem neuen Album:
"Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Feuer, Tornados, große Wellen im Ozean. Aber auch persönliche Katastrophen mentaler und physischer Art oder Katastrophen in einer Beziehung. Ganz unterschiedliche Formen des Verfalls also. Ich habe alle Songs in einem Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren geschrieben. In dieser Zeit lief vieles schief. Aber anstatt Angst zu haben und das alles auszublenden, wollte ich mich diesen Dingen direkt stellen."

Katastrophe, Zusammenbruch und Verfall

Die Natur wird zum Spiegel individueller Erfahrungen auf "Planet (i)". Wenn Squirrel Flower beispielsweise die Gewalt eines Tornados besingt, nutzt sie das Bild, um auch vom Frust und von der Wut innerhalb einer unerfüllten Beziehung zu erzählen: Sie singt zwar über sintflutartige Überschwemmung, aber begleitet von einer sanften Gitarre klingt das Stück wie ein Liebessong.
Auf "Planet (i)" bleibt die Amerikanerin dem Minimalismus treu. Im Kern sind die neuen Songs Indiefolk-Stücke, bei denen jedoch immer wieder schwere, düstere Gitarren wie aus dem Doom Metal brutal hervorbrechen. Zur Thematik von Katastrophe, Zusammenbruch und Verfall passt das gut.

Weder anklagend noch agitatorisch

Dass Squirrel Flower ihr künstlerisches Profil weiter schärft, hat auch mit dem englischen Produzenten Ali Chant zu tun, der schon mit PJ Harvey und Perfume Genius gearbeitet hat. Im Studio zu experimentieren, war ein wesentlicher Bestandteil ihrer Zusammenarbeit.
"Am ersten Tag im Studio habe ich den Song "Iowa 146" aufgenommen. In der Demofassung ist das ein einfacher Folksong. Innerhalb von einer Stunde haben wir eine elektrische Mandoline mit Delay versehen. So ist dieser irre verzögerte Echosound entstanden So was hatte ich zuvor noch nie gehört. Es ist nicht so, dass sich dieser Sound bei der Aufnahme unbedingt aufdrängt. Trotzdem ist er wesentlich für den Song."
Auf "Planet (i)" zeigt Squirrel wie reich und individuell ihre musikalische Welt ist. Das Album ist weder anklagend noch agitatorisch. Es ist eine Poesie der Zerstörung, die globale Katastrophen aus subjektiver Sicht beschreibt. Das, was hässlich ist, wird in wunderschöne Musik gegossen.
Dabei schimmert in den Texten manchmal so etwas wie Hoffnung durch: Es geht immer weiter – auch nach einer Katastrophe, und wenn es mit kleinen alltäglichen Dingen beginnt. "Planet (i)" ist eine Einladung, nicht an der Katastrophe zu verzweifeln.
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