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Machtwechsel in Indonesien
Das autoritäre Regime von General Suharto beginnt

Im September 1965 fand in Indonesien ein schlecht geplanter Putschversuch statt, der den Kommunisten angelastet wurde. Unter Leitung von General Suharto verübte die Armee danach zahllose Massaker. In der Folge konnte er auch Präsident Sukarno schrittweise entmachten und am 11. März 1966 offiziell die Regierungsgeschäfte übernehmen.

Von Otto Langels | 11.03.2016
    "Im Namen des Präsidenten unternimmt Generalleutnant Suharto alle notwendigen Schritte, um Sicherheit und Ruhe zu gewährleisten und die Stabilität des Revolutionsprozesses zu garantieren."
    Am 11. März 1966 unterzeichnete Präsident Sukarno das als "Supersemar" bekannt gewordene Dekret, mit dem er faktisch alle Machtbefugnisse an General Suharto übertrug.
    Sukarno hatte seit der Unabhängigkeit Indonesiens im Jahr 1945 an der Spitze des Inselstaates gestanden und das Land in Form einer "gelenkten Demokratie" autokratisch regiert. Dabei war er neben dem Militär zunehmend auf die Zustimmung von Nationalisten und Kommunisten angewiesen. Zwischen der konservativen Armee und der PKI, der damals drittgrößten kommunistischen Partei weltweit, traten jedoch immer größere Spannungen auf, die schließlich im September 1965 zu einem Putschversuch führten.
    Felix Heiduk, Indonesienexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik: "In der offiziellen Lesart war es ja die Kommunistische Partei und mit ihr sympathisierende Offiziere, die einen kommunistischen Staat nach sowjetischem Vorbild errichten wollten. Aber größere Wellen hat der Putsch, der schlecht durchgeführt und schlecht geplant war, und damit auch eigentlich keine Aussicht auf Erfolg hatte, nie gehabt."
    Was folgte, war eine beispiellose sechsmonatige Hetzjagd von Armeeangehörigen unter Führung General Suhartos auf tatsächliche und vermeintliche Kommunisten sowie chinesisch-stämmige Bürger. Auch paramilitärische Todesschwadronen und Zivilisten beteiligten sich an den Massakern.
    Grundlegender politischer Kurswechsel
    "Die Schätzungen in Bezug auf die Opferzahlen gehen sehr weit auseinander, von wenigen Hunderttausend bis zu einer Million und darüber. Egal ob man von 500.000 oder einer Million Toten ausgeht: Das war sicherlich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs einer der größten Massenmorde in der neueren Geschichte."
    General Suharto nutzte die Massaker, um am 11. März 1966 die Regierungsgewalt an sich zu reißen. Ein Jahr später erklärte Sukarno seinen Rücktritt als Staatsoberhaupt, Suharto übernahm offiziell das Amt des Staatspräsidenten.
    Der Machtwechsel führte zu radikalen politischen und ökonomischen Veränderungen: Während Sukarno eine von den Großmächten unabhängige Außenpolitik verfolgt hatte, betrieb Suharto eine Abkehr von der Blockfreien-Bewegung. Der neue starke Mann Indonesiens öffnete sein Land westlichen Investoren und lenkte die sozialistisch ausgerichtete Wirtschaft in kapitalistische Bahnen. Unter dem Schlagwort der "Neuen Ordnung" etablierte General Suharto ein autoritäres Regime mit drastischen Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit.
    "Massive Einschränkung der Betätigung vermeintlicher oder echter linker politischer Organisationen und Gruppierungen. Außenpolitisch eine komplett 180-Grad-Drehung, Abwendung von der zunehmend, vor allen Dingen in den letzten Jahren Sukarnos prochinesischen, prosozialistischen Orientierung. Komplette Hinwendung zum Westen im Kontext des Kalten Krieges."
    Massenmorde wurden nie aufgearbeitet
    Sechsmal ließ sich Suharto wiederwählen. Erst nach landesweiten Protesten trat er 1998 zurück. Seine Herrschaft der "Neuen Ordnung" währte mehr als drei Jahrzehnte, eine Ordnung ohne Demokratie, mit Massakern, Säuberungswellen, Terror und Repression.
    Indonesien wurde danach zwar ein demokratischer Staat, doch bis heute fehlt der politische Wille, die Verbrechen der 60er-Jahre als Massenmorde anzuerkennen, die Hintergründe aufzuklären und Verantwortliche anzuklagen. Die Opfer und ihre Angehörigen warten vergeblich auf eine Entschuldigung oder Entschädigung, während die Mörder sich weiterhin mit ihren Taten brüsten und wie Helden verehrt werden.
    "Töten ist verboten. Jeder Mörder wird bestraft. Es sei denn, er hat gemeinsam mit vielen anderen und zum Klang von Trompeten getötet."
    Ein Ausschnitt aus dem Dokumentarfilm "Act of Killing" des amerikanischen Regisseurs Joshua Oppenheimer über die Massenmörder von 1965. Der Film aus dem Jahr 2012 hat international und auch in Indonesien Aufsehen erregt, aber, so Felix Heiduk, zu keinen konkreten juristischen oder politischen Schritten geführt.
    "Keiner der Täter musste sich bisher vor Gericht für seine Taten verantworten. Und demzufolge gab es bisher keine vollständige Aufarbeitung der Ereignisse."