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Macron an der Universität Frankfurt
Anspruch und Realität eines europäischen Bildungsraums

Emmanuel Macron sucht den Kontakt zu Studierenden in Europa: Seine vielbeachtete Rede zu Reformen in Europa hielt er an der Hochschule Sorbonne. Nun besuchte er die Universität in Frankfurt. Dabei kamen jedoch gerade die Themen, die vielen Studierenden unter den Nägeln brennen, nicht zur Sprache.

Von Ludger Fittkau | 11.10.2017
    Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron steht am 10.10.2017 in Frankfurt am Main (Hessen) an der Johann Wolfgang Goethe-Universität mit einem Pullover der Uni auf der Bühne, die er zum Abschluss einer Diskussion von Sudenten geschenkt bekam. Am 18. Oktober 1914 wurde die Universität eröffnet. Das Thema der Festveranstaltung lautete "Debatte über die Zukunft Europas". Macron wird anschließend die Frankfurter Buchmesse eröffnen, deren Gastland in diesem Jahr Frankreich ist.
    Bemüht im Kontakt zur europäischen Jugend: Emmanuel Macron an der Frankfurter Universität (picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    "Es sollte ja auch irgendwo um uns gehen und auch um die anderen Europäer, nicht nur um uns Studenten. Auch um die Senioren, um die Kinder, um normale Erwachsene, die arbeiten, überall."
    "Oder was schief läuft in Europa oder was man verbessern kann. Man hätte auch gern mal andere Themen."
    Die Psychologie-Studierenden Mehmet und Julia, ihre Nachnamen wollen sie nicht nennen, sind doch ein wenig enttäuscht nach dem rund einstündigen Auftritt des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
    Sie hatten gehofft, dass er mehr hochschulpolitische Themen anspricht. Etwa die Vereinfachung von Bewerbungsverfahren an europäischen Hochschulen, so Mehmet:
    "Gerade auch die Vereinheitlichung, was die Bewerbungen an Unis angeht. Ich glaube, das kam zu kurz: In Deutschland ist es an jeder Uni anders. Man muss so viel beachten, jedes Mal. Man muss jedes Mal etwas anderes ausfüllen. Ich kenne es zum Beispiel von einem Kumpel aus Irland. Da gibt es ein Portal, da bewirbst Du dich und dann ist die Bewerbung direkt an allen Unis in Irland und das ist alles viel besser und einfacher anstatt an jeder Uni. Hier in Frankfurt, in Stuttgart und sonst irgendwo."
    Julia hätte gerne mit Macron darüber diskutiert, dass zwar viel über einheitliche Studienbedingungen in Europa geredet werde, aber in der Praxis die gegenseitige Anerkennung von Studienleistungen nach wie vor ein Problem hätte.
    Was bleibt von der Idee eines vereinten europäischen Bildungsbereichs?
    Doch in der einen Stunde, in der vor allem der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit sowie der französische Sozialwissenschaftler Gilles Keppel Fragen an Macron stellen durften, kam Julia mit ihrem Thema nicht zum Zuge:
    "Ich habe ein halbes Jahr in Holland studiert und da war dann auch das Problem, hätte ich in Holland meinen Bachelor gemacht in Psychologie. Ich hätte ganz schwierig einen Master-Studienplatz hier in Deutschland gefunden, obwohl es heißt, in Europa wird alles angepasst.
    Es ist dann doch so, dass es hieß: Ja, aber sie haben nicht in Deutschland studiert. Es ist doch noch ein bisschen anders in Holland dann, da müssen sie dort weiterstudieren, das finde ich halt auch so schade, dass man auf der einen Seite sagt: Ja, es wird alles angepasst und dann heißt es doch von den Unis dann: Nein, sie waren ja nicht hier. Das ist halt dann auch blöd."
    Anspruch und Realität eines Vereinigten Europa im Bildungsbereich - bleibt das also nur eine Visionen? Der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit hatte gleich zu Beginn der Diskussion mit dem französischen Präsidenten an den Satz des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt erinnern, dass derjenige zum Arzt gehen müsse, der Visionen habe. Einem Politikstudenten, der ebenfalls ungenannt bleiben will, hat diese Einstiegsfrage gefallen:
    "Damit sind sie eingestiegen, dass man nicht mit Helmut Schmidt sagt: Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen. Der Mann hat irgendwo Visionen für Europa, glaube ich. Man merkt, dass er versucht, irgendwas zu verändern, der will das Projekt Europa voranbringen. Das finde ich auf jeden Fall eine sehr wichtige und gute Sache.
    Von Angie waren solche klaren Worte manchmal – haben ein bisschen gefehlt, hatte ich so das Gefühl. Und deswegen ist das nicht schlecht, wenn von französischer Seite da noch mehr Input kommt. Ja, gerade jetzt in Zeiten von AfD und so weiter und vielleicht auch auf Katalonien bezogen ist es umso wichtiger, das jetzt zu stärken."
    Macron gegen eine Einmischung in Spanien
    Zum Katalonien-Konflikt nahm der Französische Präsident europaweit zum ersten Mal in der Frankfurter Goethe-Universität ausführlicher Stellung. Daniel Cohn-Bendit hatte Macron gefragt, ob die Zeit jetzt nicht reif sei, dass Europa nun aktiv als Vermittler eingreifen müsse. Die Antwort, möglichst keine Einmischung in die staatliche Souveränität Spaniens nämlich, ist für den Frankfurter Politikstudenten plausibel:
    "Seine Argumentation habe ich auch verstanden. Klar, er ist der Staatspräsident von Frankreich. Und das mit den Souveränitäten ist natürlich so eine Sache. Man sollte jetzt erstmal darauf pochen, dass die miteinander reden, wie er auch gesagt hat. Das ist die Grundvoraussetzung in der Demokratie, dass man auch einen Dissens in Worten austrägt und ja, hoffen wir, dass die damit irgendwie vorankommen."