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MAD-Chef: 2012 rund 300 Rechtsextreme in der Bundeswehr enttarnt

In den Reihen der Bundeswehr wurden im vergangenen Jahr etwa 300 Extremisten entdeckt, sagt der Präsident des Militärischen Abschirmdienstes, Ulrich Birkenheier. Die allermeisten kämen aus dem "rechten Bereich". Hilfreich wäre eine Zuständigkeit seiner Behörde bereits für Bewerber, so der MAD-Chef.

Ulrich Birkenheier im Gespräch mit Rolf Clement | 14.07.2013
    Rolf Clement: Herr Birkenheier, wir haben den Verfassungsschutz, der die Aufklärung im Inneren macht, wir haben den Bundesnachrichtendienst, der Aufklärung nach außen macht. Wofür brauchen wir bei alle dem noch einen militärischen Abschirmdienst?

    Ulrich Birkenheier: Ja, die Aufgaben des Militärischen Abschirmdienstes sind ja gesetzlich geregelt im MAD-Gesetz, wie wir sagen. Wir haben die Aufgabe, vergleichbar mit dem Verfassungsschutz, zunächst mal im Bereich der Terrorismus- und Extremismusabwehr und in Spionage- und Sabotageabwehr aufzuklären und auch Gefährdungen von der Bundeswehr abzuwehren, und zwar speziell, wenn diese Gefährdung von Angehörigen der Bundeswehr ausgehen sollten.

    Clement: Von Angehörigen der Bundeswehr oder gegen die Bundeswehr?

    Birkenheier: Zunächst einmal von Angehörigen der Bundeswehr. Das ist der spezielle Auftrag. Deswegen sind wir ja auch hier innerhalb des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung organisiert. Und das ist ja unsere Spezialität, dass wir aus der Bundeswehr für die Bundeswehr arbeiten.

    Clement: Jetzt gab es im NSU-Verfahren in München einen Angeklagten, der dort berichtet hat, er sei gemustert worden und er wäre sehr gerne zur Bundeswehr gegangen, aber als die Bundeswehr dann rausgekriegt hatte, aus welcher politischen Ecke er kommt, habe er seinen Einberufungsbescheid eben nicht mehr bekommen, sondern da wäre es dann aus gewesen mit der Bundeswehr. Die Frage, die sich daran knüpft – wir haben keine Wehrpflicht mehr –, wie stellen Sie denn fest, wenn jemand auf Sie zu kommt: Bei dem müssen wir vorsichtig sein?

    Birkenheier: Ja, das ist eine kleine Problematik, die wir haben. Ich erwähnte ja eben, dass wir für Angehörige der Bundeswehr zuständig sind. Das heißt, unsere Zuständigkeit beginnt erst dann, wenn wir Anhaltspunkte von entsprechenden Aktivitäten von Bundeswehrangehörigen haben. Wir haben jetzt das Phänomen, wenn einer sich bei der Bundeswehr bewirbt, als Soldat oder als Angestellter oder Beamter, wird er möglicherweise eingestellt. Und erst wenn er eingestellt ist, erfahren wir etwas, was an sich verhindert werden sollte, nämlich dass er zur Bundeswehr kommt.

    Clement: Wäre es da nicht sinnvoll, Sie bekämen auch eine Kompetenz, eine Zuständigkeit, ein bisschen vorher schon reinzugucken in die Lebensläufe derer, die da auf Sie zukommen, die sich bei Ihnen bewerben?

    Birkenheier: Das wäre aus unserer Sicht sehr wünschenswert. Das bedürfte aber zunächst einmal einer gesetzlichen Änderung. Wir haben schon entsprechende Vorschläge an das Verteidigungsministerium eingereicht. Dort wird zunächst einmal geprüft: Gibt es auch eine untergesetzliche Regelung? Das muss intensiv geprüft werden. Aber der sichere Weg wäre natürlich eine gesetzliche Erweiterung der Kompetenz des MAD.

    Clement: Aber der Bundestag hört sowieso in wenigen Wochen auf zu tagen. Dieser. Das muss dann neu eingebracht werden, aber die Initiative läuft bisher erst auf administrativer Ebene, der Prüfauftrag, den Sie eben beschrieben haben.

    Birkenheier: So ist es. Es wird erst einmal geprüft im Ministerium. Und ob dann eine Gesetzesinitiative in der nächsten Legislaturperiode kommt, muss man abwarten.

    Clement: Wie attraktiv ist die Bundeswehr denn für Extremisten aus verschiedenen Richtungen, rechts, links, vielleicht auch islamistisch? Wie viel Aufkommen haben Sie zurzeit?

    Birkenheier: Also wir haben in diesen Phänomenbereichen, wie wir sagen, ein Aufkommen von etwa 400 Fällen im letzten Jahr gehabt. Der Schwerpunkt liegt bei Bestrebungen im rechten Bereich, weil wir immer wieder feststellen, dass die Bundeswehr gerade für junge Männer im Alter von18 bis 25 sehr attraktiv ist, weil dort eine bestimmte Struktur herrscht. Der Umgang mit Waffen ist für einige sehr interessant. Dort ist der Schwerpunkt unserer Arbeit, was den Extremismusbereich anbetrifft. Das sind etwa knapp über 300 Fälle, die wir im letzten Jahr hatten.

    Clement: Wie viele davon sind wirklich rausgegangen aus der Bundeswehr?

    Birkenheier: Nein, es sind nicht alle rausgegangen, sondern wir müssen ja im Einzelfall immer prüfen, sind das tatsächlich extremistische Bestrebungen, die dieser Soldat oder der zivile Mitarbeiter oder Mitarbeiterin an den Tag legt. Wir müssen ganz genau hinschauen, weil es ja dann Status, das heißt, Verfahren anbetrifft, die gerichtlich auch überprüfbar sind. Das heißt, wir müssen immer sehen, ist auch tatsächlich der Nachweis da, dass er extremistisch tätig ist. Und dann müssen wir der Personalführung die entsprechenden Unterlagen geben, damit die Maßnahmen getroffen werden können.

    Clement: Das heißt also, dass es unter Umständen schon mal Leute mit einer gewissen Gesinnung in der Bundeswehr gibt?

    Birkenheier: Es ist so, dass wir nicht alle diejenigen, die beobachtet werden, weil sie gewisse Bestrebungen verfolgen, unmittelbar entlassen können. Fakt ist: Extremisten haben keinen Platz in der Bundeswehr. Die werden auf jeden Fall, wenn sie erkannt werden, entlassen. Andererseits müssen wir auch schauen, da alles ja bei uns gerichtlich überprüfbar ist, gibt es entlastende Punkte oder sind sie nicht so extremistisch veranlagt, dass sie für die Dauer ihrer Verwendung in der Bundeswehr bleiben können.

    Clement: Sie haben jetzt den rechten Bereich angesprochen. Gibt es so was auch zum Beispiel auch im islamistischen Bereich? Gibt es da auch Auffälligkeiten?

    Birkenheier: Ja, dort gibt es auch Auffälligkeiten. Die Zahlen der entsprechenden Fälle sind sogar ansteigend. Wir haben vermehrt Angehörige in der Bundeswehr des muslimischen Glaubens. Wir stellen fest, dass wir auch Konvertiten haben, die möglicherweise auch radikalisiert werden können. Auch dort sind wir tätig. Das sind im Jahre 2012 etwa um die 50 Fälle gewesen.

    Clement: Können Sie auch sagen, wie stark das angestiegen ist?
    "Spürbarer Anstieg" bei Islamisten in der Truppe

    Birkenheier: Das ist in einem kleineren Bereich angestiegen. Wir hatten im Jahre 2011 knapp 40 Fälle, und es sind jetzt knapp 50 Fälle gewesen, also insofern ein kleiner, aber doch spürbarer Anstieg.

    Clement: Und vom linksextremistischen Bereich? Ist der zurzeit ruhig bezogen auf die Bundeswehr?

    Birkenheier: Also diejenigen, die Linksneigung haben, die sind ja traditionell nicht so sehr auf die Bundeswehr fixiert. Häufig waren es ja diejenigen, die zu spät den Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt haben. Wir merken nur, dass die Bundeswehr von außen von Leuten, die linksorientiert sind, angegriffen wird. Sie haben ja den Fall jetzt zum Beispiel in Berlin mit dem Bus zur Kenntnis genommen. Solche Aktivitäten sind deutlich spürbar oder auch Aktionen, die sich gegen die Nachwuchsgewinnung der Bundeswehr richten.

    Clement: Herr Birkenheier, es ist zurzeit ein großes Diskussionsthema, wie Sicherheitsdienste, wie Nachrichtendienste, wie Geheimdienste an ihre Informationen kommen. Da wird viel davon gesprochen, dass E-Mail-Verkehr beobachtet wird, auch in sehr großem Umfang. Wir stark hängen Sie an solchen technischen Beobachtungsmöglichkeiten?

    Birkenheier: Also grundsätzlich ist es ja so, dass die Diskussion, die jetzt geführt wird, orientiert ist an der sogenannten strategischen Fernmeldeaufklärung. Das ist nicht das Aufgabengebiet des MAD, sondern wir arbeiten strikt einzelfallbezogen, personenbezogen, was die Angehörigen der Bundeswehr anbetrifft. Natürlich beobachten wir auch das Internet, ob sich Soldaten oder zivile Angehörige der Bundeswehr im Internet in irgendwelche Richtungen äußern, die für uns Anlass geben, das näher zu überprüfen. Wenn es um einen Einzelfall geht, dann gibt es natürlich auch die gesetzlichen Möglichkeiten, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Das richtet sich dann nach dem berühmten G10-Gesetz. Das sind dann aber feste Verfahren, die auf den Einzelfall bezogen sind.

    Clement: G10-Gesetz ist das, was ursprünglich gemacht worden ist, um zu regeln, wie eine Telefonabhöraktion laufen kann. Aber das wird übertragen jetzt auch auf die Internetbeobachtung, E-Mail-Beobachtung.

    Birkenheier: Das ist richtig. Diese Abhörmaßnahmen beziehen sich nicht nur auf das feste Telefonnetz oder das Handynetz, sondern auch auf Internet-E-Mail-Anschlüsse.

    Clement: Beim Bundesnachrichtendienst wird zurzeit darüber diskutiert, ob er technisch ausreichend ausgestattet ist für eine solch breite Tätigkeit, wie er sie hat. Sind Sie mit der Technik zufrieden?

    Birkenheier: Ja, die Technik ist immer eine schwierige Frage. Sie ist ja sehr schnelllebig, die Technik. Und sicherlich können wir im MAD immer wieder feststellen, dass wir gerne etwas mehr und bessere Ausstattung hätten. Wir sind dabei. Wir haben ein Programm aufgelegt, um uns zu modernisieren. Das wird uns allerdings erst in den nächsten Jahren helfen. Zurzeit kann man feststellen, dass die technischen Möglichkeiten, die wir haben, für die Aufgabenwahrnehmung hinreichend sind.

    Clement: Im Interview der Woche mit dem Deutschland der Präsident des Militärischen Abschirmdiensts, Ulrich Birkenheier. Im Zusammenhang mit alldem, was in den Geheimdiensten und Sicherheitsdiensten in den letzten Jahren diskutiert worden ist, eben im Umfeld und als Konsequenz auch aus den Pannen im Zusammenhang mit dem "Nationalsozialistischen Untergrund", wurde ja auch darüber gesprochen, dass der MAD sich reformiert. Das war zeitgleich, hing damit in einem eher zeitlichen als inhaltlichen Zusammenhang. Wie sieht der reformierte MAD aus? Wo haben Sie Reformen gemacht? Was ist heute anders als früher?

    Birkenheier: Also zunächst einmal, was die Gesamtstruktur anbetrifft, haben wir seit letztem Jahr eine Projektgliederung eingenommen. Da war der Schwerpunkt die Konzentration auf die Einsatzaufgaben, die wir haben. Wir haben eine Einsatzabschirmabteilung gegründet und dort alle Fähigkeiten und Aufgaben, die mit dem Einsatz zusammenhängen, in dieser Abteilung gebündelt. Schwerpunkt und Zentrum dieser Abteilung ist der sogenannte Einsatzpool, in dem wir alle Soldaten konzentriert und zusammengeführt haben, die in den Einsatz in die MAD-Stellen gehen. Dann haben wir als zweites die Inlandsaufgaben, also Terrorismus/Extremismusabwehr und Sabotage- und Spionageabwehr in einer Abteilung zusammengeführt. Und dann haben wir noch zukunftsweisende Elemente wie zum Beispiel ein Dezernat Weiterentwicklung eingeführt, das Überlegungen anstellt, wie kann sich der MAD für die Zukunft zielgerichtet aufstellen. Wichtig ist auch im Zusammenhang mit dem Einsatz, dass wir eine Familienbetreuungsstelle eingerichtet haben und einen psychologischen Dienst eingeführt haben.

    Clement: Wir müssen wir uns diesen Einsatzpool vorstellen? Was machen die Mitarbeiter in diesem Bereich?

    Birkenheier: In diesem Einsatzpool sind alle Soldaten zusammengeführt, die in den Einsatz gehen. Die werden zielgerichtet auf die einzelnen Einsätze vorbereitet, gehen dann vier Monate in den Einsatz, kommen dann wieder zurück um dann die Erfahrung, die sie im Einsatz gesammelt haben, in die Auswertungsdezernate zu überführen. Die Soldaten haben sich verpflichtet, drei Jahre in diesem Einsatzpool zu arbeiten und gehen innerhalb der drei Jahre dann drei- bis viermal in den Einsatz.

    Clement: Welche Aufgaben haben die jetzt konkret im Einsatzgebiet? Ich stelle mir da zum Beispiel Afghanistan vor. Wir beobachten ja nicht nur, ob die Bundeswehrsoldaten da zu den Taliban überlaufen, sondern es sind ja andere Aufgaben, die Sie da wohl auch wahrnehmen müssen.

    Birkenheier: Ja, die Einsatzaufgaben sind ja auch gesetzlich beschrieben. Das heißt, wir haben – plakativ gesagt – den Auftrag, die deutschen Soldaten im Einsatz zu schützen, wobei der MAD auf das Lager und den Nahbereich des Lagers beschränkt ist und Kontakte zu offiziellen behördlichen Stellen im Einsatzland aufnehmen kann. Wir sollen Informationen sammeln, um die sogenannte Abschirmlage darzustellen. Das heißt, Informationen und Abschirmlage bedeutet, wir müssen die Erkenntnisse bündeln und sammeln, die die Truppenführer brauchen, um die Soldaten entsprechend zu schützen. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Überprüfung der Ortskräfte, die wir im Einsatzland beschäftigen.

    Clement: Das heißt aber, Sie recherchieren dort auch außerhalb der Liegenschaft der Bundeswehr, um zu sehen, wo eine Bedrohung sich entwickelt?

    Birkenheier: Wir recherchieren nicht außerhalb des Lagers, sondern das wäre die Aufgabe des BND. Dort haben wir Kooperationsvereinbarungen mit dem BND. Wir bekommen die Erkenntnisse, die der BND im Einsatzland sammelt, auch zur Kenntnis. Wir haben ausschließlich die gesetzliche Möglichkeit, Behörden aufzusuchen im Einsatzland. Wir haben aber natürlich auch die Möglichkeit, wenn wir Ortskräfte überprüfen, sicherheitsüberprüfen, dass wir die Informationen, die wir von den Ortskräften bekommen, verwerten für unsere entsprechende Auswertung der Abschirmlage.

    Clement: Und daraus ergibt sich dann auch wieder eine Zusammenarbeit mit dem BND, sodass Sie das, was Sie von den Ortskräften erfahren, auch dem BND sagen würden?

    Birkenheier: Ja, ist klar. Wir tauschen uns aus. Insgesamt wird ja eine Sicherheitslage beschrieben. Dort kommen die Erkenntnisse des BND, des militärischen Nachrichtenwesens der Bundeswehr und des MAD zusammen. Und das ergibt die Gesamtsicherheitslage für das Einsatzgebiet.

    Clement: Wie beurteilen Sie aus Ihrer Sicht die Sicherheitslage in Afghanistan zur Zeit?

    Birkenheier: Ja, aus diesem Gesamtgefüge dieser drei Komponenten kann man sagen, wir wissen ja, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die Verantwortung jetzt übernommen haben. Sie können noch nicht ganz alleine laufen, nenne ich es mal so, sondern sie werden nach wie vor von den ISAF-Kräften unterstützt. Das gilt auch – und das wurde ja versichert – nach Ende des ISAF-Auftrages. Insgesamt ist es so, dass wir, wenn ich den MAD anspreche, sagen können, die Sicherheitslage der deutschen Soldaten ist gewährleistet und wir unterstützen nach wie vor die Sicherheitskräfte des afghanischen Staates.

    Clement: Wenn Sie so ein bisschen über den Tellerrand des MAD hinausblicken, können Sie dann sagen, ist das Land so sicher, dass man es schon den Afghanen alleine überlassen kann?

    Birkenheier: Das ist eine politische Frage, die deutlich über den Tellerrand des MAD hinausgeht. Natürlich, wenn die afghanischen Kräfte und der afghanische Staat die Sicherheitsverantwortung übernommen hat, ist das in Vereinbarung mit den ISAF-Kräften passiert und von daher gehe ich davon aus, dass das so ist.

    Clement: Ein Problem, das die Bundeswehr in den nächsten Jahren haben wird, ist, dass die Ortskräfte von dort ja zurückgeschickt werden in das afghanische Leben, in der Hoffnung, dass das jetzt stabiler stattfindet. Aber einige von denen sagen: 'Moment, ich habe für euch gearbeitet, und ich habe jetzt Probleme in meinem Umfeld, ich werde hier als Kollaborateur, als Verräter angesehen'. Es gibt die Möglichkeit, dass solche Menschen, wenn sie das glaubwürdig machen, mit nach Deutschland kommen können in einem überschaubaren Umfang. Wer entscheidet das? Sind Sie mit in einer Entscheidung beteiligt, ob ein solches Vorbringen auch wirklich berechtigt ist?

    Birkenheier: Ja, es gibt ein generelles Verfahren, das unter Federführung des Bundesministeriums des Inneren steht. Dort ist entschieden worden, dass man Einzelfallprüfungen macht bezüglich dieser Ortskräfte, ob diese tatsächlich gefährdet sind oder nicht. Und die Organisation, die Voruntersuchung läuft so, dass jedes Bundesministerium, das in Afghanistan zum Beispiel vertreten ist, dass die einen Ressortbeauftragten bestimmt haben, der ein Gremium bildet und jeden Fall der Ortskraft dort behandelt. Und in diesem Gremium ist auch der Leiter der MAD-Stelle vertreten.

    Clement: Wie stark haben Sie das Gefühl, dass dieses Vorbringen berechtigt ist?

    Birkenheier: Da muss man sehr stark differenzieren. Natürlich gibt es Fälle, in denen man sehr genau nachschauen muss, ist die Gefährdungslage da. Man muss auch differenzieren, wie kommt es jetzt auf einmal, dass jetzt am Ende des ISAF-Einsatzes die Gefährdung so stark gespürt wird. Denn ich gehe davon aus, dass die Taliban ja auch heute schon wissen, das ist eine Ortskraft, die für die deutschen Truppen arbeitet. Und diese Ortskräfte werden ja nicht von der Bundeswehr tagaus tagein bewacht, sondern wir müssen sehen: Ist tatsächlich die Gefährdungslage da? Kann möglicherweise innerhalb Afghanistans die Sicherheit dieser Person hergestellt werden, entweder dadurch, dass afghanische Sicherheitskräfte sich um diese Personen kümmern oder gar ein Umzug innerhalb Afghanistans erfolgt. Oder ist die Gefährdungslage so, dass tatsächlich die einzige Möglichkeit ist, dass diese Person mit der engeren Familie einen Ausreisetitel nach Deutschland bekommt. Das wird in diesem Gremium erörtert. Dort gibt es verschiedene Kategorien, in denen die Ortskräfte dann eingruppiert werden. Und diese Empfehlung dieses Gremiums des Bundesbeauftragten geht dann über die Deutsche Botschaft an das Innenministerium.

    Clement: Haben Sie aus Ihrer Erfahrung, aus den Berichten, die Sie aus dem Gremium hören, das Gefühl, dass man dort großzügig mit den Menschen umgeht?

    Birkenheier: Also zumindest habe ich das Gefühl, dass sehr ernsthaft über diese Einzelfälle gesprochen wird, dass sehr gut abgewogen wird und dass nicht leichtfertig entschieden wird.

    Clement: Können sie uns ungefähr eine Idee sagen, wie viele Anträge es gibt?

    Rund 100 afghanische Helfer wollen Aufnahme in Deutschland

    Birkenheier: Also nach meinem Kenntnisstand sind in Afghanistan zurzeit etwa 100 Anträge von Ortskräften, nicht nur von der Bundeswehr, sondern auch vom Auswärtigen Dienst zum Beispiel, vom Auswärtigen Amt oder Innenministerium eingereicht worden. Bei der Bundeswehr sind es etwa Mitte der 60 Anträge. Und die werden ordnungsgemäß innerhalb des Gremiums dann beraten.

    Clement: Und wie vielen hat man schon gesagt, ihr dürft nach Deutschland?

    Birkenheier: Das sind relativ wenige. Ich kann Ihnen nicht die konkrete Zahl sagen, wie viele dann tatsächlich positiv beschieden wurden mit einem Aufenthaltstitel.

    Clement: Die Bundeswehr ist nicht nur in Afghanistan im Einsatz. Sie ist auch in Mali im Einsatz, sie ist vor Somalia im Einsatz. Welche Aufgaben nehmen Sie dort wahr? Nehmen Sie überhaupt welche wahr und wenn ja, in welcher Form nehmen Sie die dort wahr?

    Birkenheier: Voraussetzung, dass der MAD in den Auslandseinsatz geht ist ja, dass die Bundeswehr dort ist. Und es bedarf dann immer einer besonderen Ministerentscheidung, dass der MAD auch in diesen Auslandseinsatz geht. Wir sind in der Tat auch in Mali vertreten und wir haben dort die gleichen Aufgaben wie in jedem anderen Auslandseinsatz, in dem der MAD ist, nämlich für die Sicherheit der deutschen Kräfte zu sorgen.

    Clement: Ist das in Mali kritischer als in Afghanistan? Oder ist die Sicherheitslage für die deutschen Soldaten dort eher nicht so brenzlig, wie das in Afghanistan der Fall ist?

    Birkenheier: Ein Auslandseinsatz ist immer gefährlich. Es gibt überall Gefahren. Die Meldungen, die ich bisher aus Mali gehört habe, ist, dass dort die Sicherheit der deutschen Kräfte gewährleistet werden kann. Es gibt eine sehr gute Kooperation mit den dort vorhandenen Kräften und auch mit dem BND. Und von daher können wir das bewirken, was für die Sicherheit der Soldaten erforderlich ist.

    Clement: Sie haben jetzt gesagt, in Mali sind Sie dabei. In dem Anti-Pirateneinsatz vor Somalia?

    Birkenheier: Wir sind auch in Dschibuti vertreten und auch dort mit einer MAD-Stelle. Im Kosovo ist der MAD auch noch, und in Afghanistan ohnehin. Und dann haben wir noch eine temporäre MAD-Stelle im Einsatz im Libanon, vor der libanesischen Küste.

    Clement: Temporär heißt?

    Birkenheier: Temporär heißt, dass sie eingerichtet ist, die MAD-Stelle, aber nur temporär besetzt ist, dann, wenn besondere Anforderungen vorliegen, dass wir dann Mitarbeiter dort hin schicken.

    Clement: Wie viele Leute arbeiten eigentlich so bei Ihnen im Militärischen Abschirmdienst? Wenn ich mir die Aufgaben angucke, die Sie da weltweit haben, dann muss das ja doch eine ganz erkleckliche Anzahl von Leuten sein.

    Birkenheier: Ja, wir haben jetzt knapp über 1100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zwei Drittel sind Soldaten, das restliche Drittel sind zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir kommen im Rahmen der Reform des MAD von etwas 1280 Mitarbeitern runter auf rund 1100 Mitarbeiter, die ich eben beschrieben habe.

    Clement: Wie werden die denn für diese Aufgabe ausgesucht und ausgebildet?

    "Die Bewerberlage ist ausreichend"
    Birkenheier: Bewerber für den MAD kommen praktisch ausschließlich aus dem Bereich der Bundeswehr. Das sind also auch Bundeswehrangehörige. Und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen ein Assessment Center durchlaufen. Und dort werden sie auf Herz und Nieren geprüft, ob sie für den Dienst im Militärischen Abschirmdienst geeignet erscheinen. Und nach diesem Assessmentverfahren durchlaufen sie eine spezielle Ausbildung in der Schule für Verfassungsschutz.

    Clement: Haben Sie ausreichend Bewerber für den Bereich? Oder ist das etwas, wo man in der Bundeswehr sagt: na, lieber nicht. Und vor allen Dingen, kommen die danach wieder zurück in den Truppendienst?

    Birkenheier: Nein, also die Bewerberlage ist ausreichend. Ich als Präsident würde mir wünschen, dass vielleicht noch mehr Bewerber sich für den Dienst im MAD interessieren, damit die Auswahl auch größer wird. Aber im Grundsatz können wir die Dienstposten, die wir hier an Bord haben, auch besetzen.

    Clement: Und ist das im Werdegang eines Soldaten eine Station, wo er sagt, ich diene jetzt mal fünf Jahre beim MAD und dann gehe ich wieder in den Truppendienst zurück, oder ist das eine Geschichte, wo man sich länger verpflichtet?

    Birkenheier: Das ist eine Geschichte, für die man sich länger verpflichtet. Sie brauchen hier sehr großes Spezialwissen im MAD. Das kann man sich nur über etliche Jahre aneignen. Von daher wird immer angedacht, dass man viele Jahre hier im MAD arbeitet. Es gibt den einen oder anderen Dienstposten, den man mal befristet besetzen kann, aber das ist die absolute Ausnahme.

    Clement: Beim Verfassungsschutz ist es ja so, dass man sagt, die Landesämter, die es gibt, die auch in der Diskussion sind, ob man die zusammenlegen kann oder sogar ganz abschaffen kann, werden damit begründet, dass man sagt, wir müssen regional vor Ort sein, weil wir dann die Leute besser kennen, weil wir die Region besser kennen, weil wir die Strukturen besser kennen. Das müsste für Sie doch ein Kriterium sein, sich sehr breit im Land aufzustellen und überall, zumindest wo Bundeswehrstandorte sind, auch einen MAD-Kopf zu haben, vielleicht sogar noch darüber hinaus auch in den Regionen, wo Sie Leute rekrutieren wollen.

    Birkenheier: Ja, das ist vollkommen richtig. Das ist auch für uns ein wichtiges Kriterium. Wir haben ja in unserer Gliederung sieben MAD-Stellen im Bundesgebiet verteilt. Das fängt in Kiel an, geht über Hannover, in Hilden, in Stuttgart, in München und in Potsdam-Schwielowsee. Und diese sieben MAD-Stellen haben dann noch an bestimmten Orten Außenstellen. Wir haben noch fünf Nebenstellen dieser MAD-Stellen, sodass wir an den Hauptstandorten der Bundeswehr MAD-Stellen haben. Das ist für unsere Aufgabe sehr wichtig, dass wir in der Truppe verankert sind.

    Clement: Herr Birkenheier, ich bedanke mich für das Gespräch.

    Birkenheier: Vielen Dank auch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.