Freitag, 19. April 2024

Archiv


Madrid: Proteste gegen Papst-Besuch beim Weltjugendtag

Tausende Spanier haben gegen den heutigen Besuch von Benedikt XVI. beim Weltjugendtag demonstriert. Sie kritisieren nicht nur den Papst und das Auftreten der Kirche - sondern auch den spanischen Staat, der die Visite mit Steuergeldern unterstützt.

Von Hans-Günter Kellner | 18.08.2011
    Eng drängen sich die Demonstranten auf dem kleinen Tirso de Molina-Platz in Madrid. Auch Manuel Ramón Vigo demonstriert und erklärt zunächst, wogegen er nicht ist:

    "Ich bin nicht gegen den Papstbesuch. Wäre das alles anders gestaltet, wäre ich einverstanden. Wir demonstrieren gegen die Finanzierung mit öffentlichen Mitteln dieser religiösen Veranstaltung. Ich bin auch nicht einverstanden damit, wie Kirche sich hier beim Weltjugendtag darstellt. Strömungen wie die Basisgemeinden sind überhaupt nicht präsent. Stattdessen inszeniert sich die Kirche als starke und mächtige Institution. Das ist das Gegenteil meines Kirchenverständnisses. Kirche muss schlicht sein, zugänglich. Mehr noch in der heutigen Zeit bei all den Kürzungen. Keine Kürzungen gibt es hingegen bei den Subventionen für die Kirche."

    Auf zehn Milliarden Euro beziffert die Vereinigung "Laizistisches Europa", die zu der Demonstration aufgerufen hat, die jährlichen Zuwendungen für die katholische Kirche aus den Steuermitteln. Der 24-jährige Manuel Ramon Vigo gehört einer katholischen Basisgemeinde des sogenannten "christlichen Netzwerks" an. Der Pfarrer seiner Gemeinde hat gemeinsam mit etwa 120 weiteren Geistlichen einen Protestaufruf gegen die Sponsoren des Weltjugendtags unterzeichnet. Vor allem Banken und Bauunternehmen gehören dazu, Unternehmen also, die in Spanien für die Spekulationswirtschaft und den Verlust von Arbeitsplätzen verantwortlich gemacht werden. Die Bischöfe reagieren auf solche Kritik gereizt:

    "Die Kirche hat sich hier noch nie gesprächsbereit gezeigt. Das demokratische Parlament hat in den letzten Jahren mehrmals ganz legal Gesetze verabschiedet wie zum Beispiel über die Homoehe. Und die Kirche geht auf die Barrikaden. Wenn die Kirche schon mit einem demokratisch legitimierten Parlament so umgeht, wie wird sie erst mit uns umspringen?"

    Als der Demonstrationszug endlich in Gang kommt, beobachten vier junge Pilger das Treiben vom Balkon ihres Hotels aus. Kommt herunter, reiht Euch ein, rufen die Demonstranten ihnen lachend zu. Es sind fünftausend bis zehntausend Demonstranten, mehr als erwartet, die Menschen sind zufrieden. Juan Antonio ist Professor für Biochemie an der Hochschule von Granada. Ihm geht es grundsätzlich um eine strikte Trennung von Kirche und Staat. Er erklärt sein Transparent:

    "Hier haben wir den spanischen König, den Thronfolger, die Königin und Felipes Frau Letitia. Alle vier knien vor dem Papst nieder und küssen ihm den Ring. Das ist völlig unmöglich. Der König repräsentiert alle Spanier und Spanien ist ein konfessionsloses Land. Da kann man nicht vor einer solchen religiösen Figur auf die Knie fallen. Darum habe ich das mit "nie mehr wieder" überschrieben. Die Königsfamilie muss ihre Religion im Privaten belassen."

    Vor dem Platz Puerta del Sol, einst Heimat der Jugendbewegung der Empörten, bleibt der Demonstrationszug stecken. Junge Pilger halten den Platz besetzt, schwenken Fahnen ihrer Länder und des Vatikans mit provozierenden Gesten zu den Demonstranten. Einige Pilger beten. Die Situation eskaliert, Bereitschaftspolizei macht für die Demonstranten Platz, Pilger weichen zurück und stimmen dabei ein Halleluya an oder rufen einfach nur "Benedicto" - die andere Seite beschimpft den Papst als Pädophilen. Diese deutsche Pilgergruppe steht eher unbeteiligt mit einer Deutschlandfahne an einer Ecke des Platzes:

    " Wir wurden eben schon als Nazis beschimpft. Und wir haben vorhin auch Plakate gesehen, auf denen der Papst gezeichnet war und durchgestrichen. Und dass der Papst auch ein Nazi wäre. Schon ein bisschen krass."

    Irgendwann werfen Demonstranten mit Bierflaschen auf die Polizei, und die Beamten packen die Knüppel aus. Den Dialog hat an diesem Abend keiner gesucht – fast. Mitten im Chaos stehen Carlos und Alejandro, zwei 16-jährige Mitglieder des Opus Dei-Ordens aus Argentinien, und diskutieren sachlich mit einer kleineren Gruppe von Demonstranten. Am Ende sagen die Argentinier:

    "Wenn Spanien kein konfessioneller Staat ist, haben sie mit ihrem Protest gegen die Bevorzugung der katholischen Kirche schon Recht. Es gibt viele Länder ohne offizielle Staatsreligion. Wir sind nur nicht damit einverstanden, dass sie gegen den Papst sind. Aber sie haben Recht, wenn der Staat nicht konfessionell ist, sollte er keine Religion bevorzugen."