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Mängel im Kontrollsystem
Geplatzter Dopingtest bei Thiago

Das Doping-Kontrollsystem im Fußball hat offenbar eklatante Mängel. Das haben Nachforschungen der ARD-Radio-Recherche Sport ergeben. Demnach sollte FC Bayern-Spieler Thiago Alcantara unangekündigt von der deutschen Anti-Doping-Agentur NADA getestet werden. Die Kontrolle konnte aber nicht durchgeführt werden, weil der spanische Nationalspieler nicht anzutreffen war.

Von Sebastian Krause | 23.06.2016
    Von wegen rigorose Doping-Polizei – seit Jahren muss sich die deutschen Anti-Doping-Agentur NADA den Vorwurf gefallen lassen, vor dem mächtigen Fußball-Bund DFB zu kuschen. Und die Fußball-Stars von strengen Dopingkontrollen zu verschonen. Die NADA-Chefin Andrea Gotzmann wehrt sich gegen die Kritik. "Wir haben jederzeit die Möglichkeit, in jedem Spiel zu kontrollieren. Und dann auch noch zwischendurch, während der Trainingsphase auch unsere Trainingskontrollen durchzuführen."
    Und im Oktober 2014 wollte die NADA nach Recherchen der ARD-Radio-Recherche Sport tatsächlich ernst machen. Sie hatte bei FC Bayern Star Thiago offenbar einen Doping-Verdacht. Und um den spanischen Nationalspieler gezielt und unangekündigt zu testen, schickte die NADA gleich mehrere Kontrolleure los. Sie suchten Thiago an verschiedenen Orten quasi gleichzeitig.
    Wo steckte Thiago?
    Doch Thiago war weder zu Hause im Münchner Vorort Grünwald anzutreffen, noch am FC-Bayern-Trainingsgelände, und auch nicht in der Klinik Quiron in Barcelona, wo der Spanier damals am Knie operiert worden war. Und wo er sich nach NADA-Informationen hätte aufhalten sollen. Trotz mehrmaliger Versuche bekamen die Dopingkontrolleure am Empfang der Klinik keine ausreichende Auskunft darüber, ob sich Thiago dort aufhalte oder wo er zu finden sei. Dabei kommt es generell bei unangekündigten Kontrollen fast schon auf jede Stunde an, wenn man einen Doper erwischen will. Weil bestimmte Dopingsubstanzen nur kurz im Körper nachweisbar sind, so die NADA-Chefin Gotzmann. "Wir haben da auch sehr akribische Kontrolleure, die da nicht nach dem ersten Klingeln sofort aufgeben. Sondern alle Möglichkeiten nutzen, dass die Kontrolle stattfindet. Denn das ist ja das, was wir wollen. Wir wollen zu dem Zeitpunkt die Kontrolle haben."
    In diesem Fall mussten die Dopingkontrolleure den Testversuch aber erfolglos abbrechen. Was war das Problem?
    NADA und DFB stimmen Vorgehensweise ab
    Das Management von Thiago, die Klinik in Barcelona und der FC Bayern sind zu einem Interview nicht bereit. Die NADA-Chefin Gotzmann bittet um Verständnis, "zu einzelnen Fällen keine Stellung nehmen" zu können. Dieser Fall sei aber "in enger Abstimmung behandelt worden." Und der DFB, der damals für die Überprüfung des Falles zuständig war, antwortet auf Anfrage schriftlich: "Es gab einen Fall, der nach Einschätzung des DFB und nach Abstimmung mit der NADA nicht als Meldepflichtverstoß des Vereins einzuordnen war und daher zu keiner Sanktionierung führte. Es lag auch kein Sachverhalt vor, der eine Sanktionierung des Spielers nach sich gezogen hätte."
    Der Vorfall hatte also für Verein und Spieler keine Folgen. Auf Rückfrage nach dem konkreten Grund für diesen Schluss lieferte der DFB binnen einer angemessenen Frist keine Erklärung.
    Auch wenn Thiago nach aktuellem Stand der Dinge kein Verstoß gegen die Regeln zu unterstellen ist, offenbart der Fall erstaunliche Schwächen des Doping-Kontrollsystems im Fußball. Die Dopingkontrolleure können die Spieler selbst unter größtmöglichen Anstrengungen offenbar nicht wie geplant testen. So dass ein Fußball-Profi in der Zeit dopen könnte, ohne erwischt zu werden.