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Männer- statt Frauenquote?

Familienministerin Kristina Schröder möchte es Jungen mit dem Boys' Day ermöglichen, Rollenklischees zu verlassen und für einen Tag in traditionelle Frauenberufe zu schnuppern. Heißt es jetzt also Männer-, anstatt Frauenquote?

Elisabeth Niejahr im Gespräch mit Karin Fischer | 14.04.2011
    Karin Fischer: Hauswirtschaftsschule, Kita, Friseur, Altenheim, Parfümerie, heute dürfen beim ersten bundesweiten Boys' Day Jungen in Berufe schnuppern, die traditionell Frauenberufe sind. Nach dem Vorbild des Girls' Days, der dazu dient, Mädchen für naturwissenschaftlich-technisch-mathematische Berufswege wie Ingenieurwesen und Maschinenbau zu begeistern, will Familienministerin Kristina Schröder es den Jungen ermöglichen, Orientierung jenseits von Rollenklischees zu finden. Wir lassen das Problem der möglicherweise deutlich unterschiedlichen Attraktivität und auch Bezahlung von Ingenieurberuf und Kindertagesstätten mal bei Seite und fragen Elisabeth Niejahr, Redakteurin für Sozialpolitik bei der Wochenzeitung Die Zeit: Ist das denn eine gute Idee?

    Elisabeth Niejahr: Ich glaube, dass Jungenförderung eine gute Idee ist. Ich glaube, dass in der Schule und in der Kita auch schon diese Dominanz von weiblichen Erziehern, von Kindergärtnerinnen und so für Jungen ein großes Problem ist, weil sie männliche Rollenmodelle brauchen, und ich glaube, dass es auch eine gute Idee ist, sie in Berufe wie Floristin und Kosmetikerin und so weiter reinschnuppern zu lassen. Ich würde mir bloß nicht zu viel davon versprechen, als Mutter einer viereinhalbjährigen Tochter zu denken, man könnte die Neigungen, die es bei beiden Geschlechtern irgendwie schon sehr früh gibt, dadurch überwinden, und ich würde es auch nicht für erstrebenswert halten.

    Fischer: Um die Frage, ob zurzeit die Jungen eventuell sogar mehr gefördert werden müssten als Mädchen, weil sie sonst etwa in der Schule immer mehr abgehängt werden, wird ja schon seit Jahren debattiert. Das ist noch nicht entschieden, diese Diskussion. Was aber die Männer betrifft, entsteht doch der Eindruck, dass die nur mit massiven Ködern zu ein paar Monaten Elternzeit zu überreden sind. Ist es da nicht logisch, dass Kristina Schröder wie neulich in einem Zeitungsartikel für eine neue Männerpolitik auch plädiert, die vor allem darin bestehen soll, dass Männern die Übernahme von Familienverantwortung erleichtert wird?

    Niejahr: Ich glaube, dass am allermeisten bei diesem Thema in Bewegung kommt durch Rollenmodelle, durch Leute, die man irgendwie in den Medien sieht, im Freundeskreis, im Bekanntenkreis, und die man toll findet oder cool findet. Ich glaube, das wird bei der ganzen politischen Debatte immer unterschätzt. Ich glaube, dass mindestens so wichtig für die Geburtenrate in Deutschland wie das Elterngeld auch die Tatsache war, dass immer mehr Stars so aus Hollywood oder auch in Deutschland mit Kindern, mit Schwangerschaftsbäuchen zu sehen waren, dass man das Gefühl hatte, es ist Teil eines interessanten Lebensgefühls, Mutter zu sein, engagierter Vater zu sein, es nicht peinlich zu finden, mit einem Kinderwagen irgendwo spazieren zu gehen. Und ich glaube, dass wir einfach mehr Männer brauchen, die auch sichtbar sind, die erfolgreich sind und trotzdem den Ehrgeiz haben, tolle Väter zu sein und auch Zeit mit ihren Kindern zu verbringen.

    Fischer: Wenn es dann aber um die Vereinbarkeit von Frauen und Beruf geht, oder von Familie und Beruf geht, dann ist doch wiederum die Politik gefragt. Dann sind ganz konkrete Hindernisse, die langen Arbeitsstunden, die nächtlichen Sitzungen, die Männer in Führungspositionen heute immer noch fraglos zu absolvieren haben.

    Niejahr: Das ist das, was die Familienministerin auch immer sagt, das sei das eigentliche Problem. Ich glaube es ehrlich gesagt nicht. Ich glaube, das ist auch ein wichtiger Faktor, aber ich glaube, dass andere Dinge eine größere Rolle spielen. Ich bin zum Beispiel sehr dafür, dass wir weibliche Aufsichtsräte, wo möglich auch weibliche Vorstände bekommen, bei den Aufsichtsräten auch eine Quote, weil das ein Weg wäre, sehr erfolgreiche Frauen sichtbar zu machen. Man hätte also solche Rollenmodelle. Und wenn es so wäre, dass bei der Frauendiskussion vor allem die Kinderbetreuung ein Problem wäre, dann hätten wir, glaube ich, keine Quotendebatte und keine Gleichberechtigungs- und Gender-Debatte in Frankreich. Die konservative französische Regierung hat ja eine Quote eingeführt, obwohl die Kinderbetreuung fantastisch ist im Vergleich mit der deutschen. Also es muss irgendwie auch noch andere Faktoren geben, warum das mit der Gleichstellung in der Wirtschaft nicht vorangeht.

    Fischer: Kristina Schröder wird ja immer unterstellt, sie führe einen Kampf gegen Altfeministinnen, indem sie deren schlimmste Parolen noch mal aus der Kiste holt und dann sagt, schaut mal, wie rückständig die eigentlich waren. Ist es denn aber schon Zeit wirklich für ein neues Gleichgewicht der Geschlechter? Würden Männer wirklich freiwillig Rollen tauschen, wenn sie dafür Macht abgeben müssten?

    Niejahr: Das glaube ich überhaupt nicht. Ich glaube, dass Kristina Schröder da auf einem Holzweg ist. Ich glaube, dass sie da auch ein bisschen nach billigem Beifall innerhalb einer sehr konservativen Partei schielt. Feminismus hat sich auch weiterentwickelt. Wenn man den einfach als Interessenvertretung für Frauen versteht, ist das heute auch noch eine zeitgemäße Geschichte. Solange wir 23 Prozent Unterschied bei den Einkommen haben, weniger Kinderbetreuung als in fast allen anderen europäischen Ländern, weniger Frauen in Führungspositionen und so weiter, gibt es da ja in der Sache doch in Deutschland eine ganze Menge zu tun, und dann kann Feminismus eigentlich auch nicht überholt sein.

    Fischer: Es mag ja sein, dass sich hinter der schröderschen Freiwilligkeit ein konservatives Familienbild verbirgt. Trotzdem wäre es doch wirklich an der Zeit, sozusagen die Emanzipation der Männer von den eigenen Rollenbildern einzuläuten.

    Niejahr: Das ist ja das Angebot, das ein moderner Feminismus auch macht. In dem Moment, wo andere Betreuungsmodelle durchgesetzt werden, Vätermonate, mehr Kitaplätze und so weiter, ist das ein Angebot auch an Männer, die sich in der Familie engagieren wollen.

    Fischer: Elisabeth Niejahr, vielen Dank, zum ersten Boys' Day, zum gewandelten Rollenbild und zum neuen Feminismus in unserer Gesellschaft.