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Männerliteratur
Krimis für echte Kerle

Der Kölner Emons-Verlag und der TV-Spartensender DMAX haben sich für eine besondere Kooperation zusammengeschlossen: Mit der Reihe "Krimis für echte Kerle" wollen sie beim männlichen Geschlecht punkten. Das Rezept: Krimis ohne viel Geschwurbel und mit Ermittlern, die sich nicht unbedingt an alle Regeln halten.

Von Jörg E. Mayer | 03.05.2017
    Ein Mann zündet sich eine Zigarette an.
    Protagonist Charly raucht im Emons-Krimi "Hard Rock" Lucky Strikes, fährt einen schwarzen Alfa Spider und rammt Haustüren direkt ein. Klingeln überflüssig. (picture alliance / dpa / Wladimir Smirnov)
    Schon der Vorname ist ein Zeichen: Charly. Wer so heißt, schlurft nicht im Pullunder von Haustür zu Haustür und zeigt brav zuerst seinen Dienstausweis, nein, ein Charly raucht Lucky Strikes, fährt einen schwarzen Alfa Spider und rammt Haustüren direkt ein. Klingeln überflüssig. Charly Herrmann ist Kommissar in Oberfranken. Auf der Suche nach der verschwundenen Tochter seiner Ex-Geliebten trifft er auf Prostituierte, Rocker und Drogenhändler. Und dann noch dieser neue Fall. Steuerfahnder entdeckten auf dem Laptop eines Immobilienmaklers einen Snuff-Porno mit dem Titel: "Two Minutes of Pain and Death":
    "Im Vollbild eine Art Boxerring, fünf auf fünf, eingezäunt mit hohen Metallgittern. Eine schreiende Frau, die Tabledancerin Jessie, neben dem Ring festgehalten von zwei Vermummten, ein Dritter reibt sie mit einem Stück rohem Fleisch ab, Jessies weiße Haut ist jetzt rötlich verschmiert. Schnitt. Im Käfig tobt ein großer schwarzer Hund. Immer wieder springt er bellend an den Gitterstäben hoch."
    Kein filigranes Neun-Gänge-Menü mit Meerblick
    Volker Backert serviert mit seinem Krimi "Hard Rock" kein filigranes Neun-Gänge-Menü mit Meerblick, sondern Eingemachtes in schmutzigem Ambiente. Alle drei Seiten ein Szenenwechsel, Action pur, mal spannend, mal zäh konstruiert. Tiefgehende Gespräche oder malerische Motivbeschreibungen gibt es nicht. Es würde auch nicht passen. Denn "Hard Rock" ist einer von vier Krimis, denen der Kölner Emons-Verlag ein neues Gewand verpasst hat und nun mit dem TV-Sender DMAX als Kampagne präsentiert.
    DMAX-Spot: "Der DMAX-Buchtipp. Hol' dir jetzt die DMAX-Krimis. Vier fesselnde Kriminalfälle für echte Kerle. Jetzt im Handel."
    Das klingt zunächst wie eine Schnapsidee. Denn auf DMAX sieht man vor allem muskelbepackte Männer mit Bärten. Sie jagen Krokodile, mischen Schrottplätze auf, überleben in der Wildnis oder fahren mit Panzern herum. Aber mit einem Buch in der Hand sieht man diese Kerle nie. Was also dachte sich Verlagschef Hejo Emons bei dieser Kampagne?
    "Ich bin jetzt nicht unbedingt der DMAX-Seher. Aber ich finde das auch ganz schön, wenn die da mit Baggern rumfahren und Gold suchen. Ist ja nicht unlangweilig. Und da kann durchaus mal ein bisschen Literatur rein, finde ich."
    "Die Fälle sind so, dass es Tempo in den Büchern gibt"
    Aber nicht irgendwelche Literatur, sondern Krimis. Und zwar von der schnörkellosen Sorte. Hejo Emons:
    "Die sind direkter, klarer, offener, nicht so viel Geschwurbel, psychologisches Geschwurbel. Die zeichnen sich dadurch aus, dass sie Ermittler haben, die gerne mal eine Fünf gerade sein lassen und sich nicht unbedingt an die Regel halten. Die Fälle sind so, dass sie stark durcherzählt sind, dass es Tempo in den Büchern gibt. Ich glaube nicht, dass Leute, die gerne mit 200 über die Autobahn fahren, dass die einen langweiligen Krimi haben wollen. Das sind also alles schon handlungsgetriebene Romane."
    Auch Georg von Andechs Ruhrpott-Krimi "Recht und Rache" ist handlungsgetrieben. Das Buch beginnt mit der brutalen Folterung und Ermordung eines entführten Waffenhändlers. Unmittelbar danach bekennt sich eine Gruppe namens Nemesis zu der Tat. Weitere Entführungen und Morde folgen. Im Zentrum der Ermittlungen steht Kommissar Klaus Heppner. Ein durchaus einfühlsamer Held, der sich um seine kranke Freundin kümmert und Verständnis für einen angeschossenen Rocker zeigt. So treibend und vielseitig die Geschichte meist ist, so irritierend sind die mitunter platten Verhörszenen. Aber wer mit Vollgas durch das Buch rauscht, dürfte sich kaum daran stören.
    Doch dann bekommt dieser Schluffi ein Jobangebot ...
    Ebenfalls im Krimi-Quartett: der Roman "Gabun" von Meinrad Braun. Doch einen Kommissar sucht man hier vergebens. Der Held der Geschichte ist ein arbeitsloser Ameisenforscher, der sich mit Gelegenheitsjobs in Berlin durchschlägt und nachts in seinem Auto schläft. Also jemand, den echte Kerle wohl als einen Schluffi bezeichnen würden. Doch dann bekommt dieser Schluffi ein Jobangebot, mitten im tiefsten afrikanischen Dschungel. Hejo Emons:
    "Da ist ein Mann, der nicht so recht weiß, was er mit seinem Leben anfangen soll und eigentlich ein schwacher Typ ist. Und der wird im Laufe Romans, also am Ende kommt der raus und hat sein Bild gefunden, er weiß, wer er ist und wie er funktionieren wird. Es geht nicht nur um starke Männer, die, was weiß ich, ein Schwergewichtler sind oder jemandem einen auf die Nuss geben. Sondern es geht um das Bild des Mannes, das ja heute ganz anders ist als es noch vor 20 Jahren war. Ich finde das eigentlich sehr spannend."
    "Gabun" ist ein Abenteueroman über Verrat, Korruption, Diamantenschmuggel und das Überleben im Dschungel von Afrika. Nicht immer logisch, aber voller Überraschungen. Mit zweifelnden Helden und tragischen Momenten. Also eine Art Entwicklungsroman für echte Kerle. Und falls der TV-Spot des Emons-Verlags tatsächlich Früchte trägt, sieht man demnächst bei DMAX bärtige Männer auf einem Schrottplatz - mit einem Buch in der Hand.
    Meinrad Braun: "Gabun", Emons Verlag, 464 Seiten, 12.90 Euro.
    Georg von Andechs: "Recht und Rache", Emons Verlag, 224 Seiten, 12.90 Euro.
    Volker Backert: "Hard Rock", Emons Verlag, 272 Seiten, 12.90 Euro.
    Ulrich Urthaler: "Wolfspelz", Emons Verlag, 304 Seiten, 12,90 Euro.