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Männersatire "Fikkefuchs"
"Das Leben ist eine Tragödie, über die man lachen muss"

Männer, Sex, Unsicherheit: In der Satire "Fikkefuchs" geht es so derb wie auch "zärtlich" zu, meint Regisseur und Darsteller Jan Henrik Stahlberg. Er habe einen Film drehen wollen, in dem Männer über ihre Wünsche, Bedürfnisse und ihre Ohnmacht sprechen.

Jan Henrik Stahlberg im Corsogespräch mit Anja Buchmann | 16.11.2017
    Franz Rogowski (l) alias "Thorben" und Jan Henrik Stahlberg (r) alias "Rocky".
    Gemeinsam mit Franz Rogowski (l.) spielt Jan Henrik Stahlberg im Film "Fikkefuchs" (imago / stock&people)
    "Fikkefuchs" heißt der neue Film von und mit Jan Henrik Stahlberg. Die Protagonisten sind orientierungslose, peinliche, penisgelenkte Männer. Vater Rocky (Jan Henrik Stahlberg) ist ein abgehalfterter Frauenheld, Sohn Thorben (Franz Rogowski) pornosüchtig und triebgesteuert. Der Plot: Der Sohn will vom Vater lernen, wie man Frauen ins Bett bekommt.
    ***
    Anja Buchmann: Jan Henrik Stahlberg - schönen guten Tag erst mal. Und ja, Satire, aber dennoch: Haben Sie ein solches Männerbild?
    Jan Henrik Stahlberg: So, wie Sie das zeichnen, hört sich das unsympathischer an, als ich die sehe.
    Buchmann: Ach, wie sehen Sie die denn?
    Stahlberg: Na ja, also Sie haben vollkommen recht im Prinzip mit dem, was Sie da gesagt haben. Nur ich glaube, was unser Film versucht, und ich glaube, das ist uns auch ganz gut gelungen, wir waren auch in Köln, und da habe ich auch mal gelebt und da habe ich sehr gutes Feedback – gerade von Männern – bekommen. Ich glaube, dass man erst mal darüber lachen kann. Es ist ja nicht in dem Sinne ernst gemeint.
    Ich finde, bei diesem Thema, zwischen Gender und Sexismus und so, muss man immer aufpassen, dass man irgendwo auch eine Lockerheit beibehält. Und dieser Film ist weit vor jedem Hashtag entstanden – soll heißen: Es geht uns darum, dass man Zwischentöne, Probleme, die Männer tatsächlich haben, über die wir aber seltenst reden – ich übrigens auch nicht, weil das sind Probleme, die ich nicht sofort lösen kann und ich glaube, das fällt uns Männern manchmal schwerer.
    Und gerade bei Sexualität - das wissen wir ja alle, das ist ein sehr intimes Thema – und da Zwischentöne zuzulassen und einen Film zu haben, wo Männer mal über ihre Probleme reden, das ist ernst gemeint. Und gleichzeitig, dass man darüber lachen kann in der Gemeinschaft. Ich glaube, das hat von den Feedbacks her was für mich, wo ich den Eindruck hatte, dass man sich irgendwo geborgen fühlt, dass man nicht alleine steht mit diesen Problemen.
    Buchmann: Sind es denn tatsächlich Zwischentöne? Zwischentöne klingt für mich zart. Und die Töne, die Sie in dem Film entwerfen, sind nicht zart, sondern sehr kräftig.
    Stahlberg: Da haben Sie zwar auch recht, weil es gibt drastische Bilder in diesem Film. Und auf der anderen Seite, glaube ich, ist der Film voller Zwischentöne – und er ist in meinen Augen sehr ironisch. Das sind jetzt auch Feedbacks, die ich bekommen habe, sonst wäre ich ja bekloppt, wenn ich das als Filmemacher selber sage: Ich glaube, er ist intelligent, er fordert was vom Zuschauer ab.
    Wenn man das möchte, kann man natürlich sich sehr leicht auf diese Position zurückziehen 'Ja, aber es geht da um Sex und es sind wieder Männer, die da unterwegs sind'. Und das tun sie, das stimmt. Das ist auch Teil dieses Films. Aber ich finde, dass da mehr erzählt wird und auf eine feine und auch durchaus tatsächlich zärtliche Art. Und auch ironische Art – wie gesagt, wenn man darüber nicht lachen kann, wird es eh knapp.
    "Die Frauen sind keine Täter"
    Buchmann: Zärtlich? Sie sind zärtlich sicherlich durchaus auch mit Ihren Hauptdarstellern, mit dem Vater und dem Sohn – bei aller Entblößung, die Sie ihnen auch angedeihen lassen. Sind Sie denn auch zärtlich mit Ihren Frauenfiguren?
    Stahlberg: Das war eine große Frage, schon von Anfang an. Inwiefern wollen wir Frauen in diesem Film jetzt auch zu Wort kommen lassen, die auch ihre Sicht der Dinge zum Beispiel erzählen? Und da haben wir uns gesagt: Nein. Wir wollen einen Film machen, in dem Männer über ihre Probleme oder ihre Wünsche oder ihre Bedürfnisse oder ihre Ohnmacht sprechen. Und ich finde das großartig, dass Frauen das zum Beispiel viel besser können und viel mehr Raum dafür haben. Es gibt unglaublich viele Frauenzeitschriften, in denen Frauen über ihre Probleme reden – und wir Männer haben halt "Auto, Motor, Sport".
    Wir haben noch länger mit Jan Henrik Stahlberg gesprochen - Hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    Buchmann: Sind denn Männer tatsächlich so verunsichert, dass sie nicht zwischen Flirten und Übergriff oder Belästigung unterscheiden können?
    Stahlberg: Ich glaube, da muss ich Ihnen wirklich widersprechen.
    Buchmann: Ja, bitte.
    Stahlberg: Es geht nicht um Übergriffe in dem Sinne, wie wir das jetzt mit dieser Hashtag-Debatte haben. Und das ist, finde ich zum Beispiel auch, genau der Punkt, wo es bei mir problematisch wird: Eine Vergewaltigung ist ein Kapitalverbrechen. Darüber braucht kein Mensch dieser Welt eine Hashtag-Empörung. Da bin ich an sich empört und das gehört vor das Gericht. Diese andere Geschichte, von wegen wenn ein Mann eine Frau anspricht und ihr sagt … meinetwegen ich mache ihr ein Kompliment oder ich gucke ihr in den Ausschnitt und so weiter, das ist kein Verbrechen. Da kann man sagen: Das eine, das war sehr sympathisch, das hat die Frau vielleicht sogar genossen.
    Dann gibt es vielleicht einen Moment "das war sehr unpassend", am Arbeitsplatz oder wie auch immer. Wir machen hier eine Komödie über Männer, die losziehen und völlig überfordert sind mir ihren Wünschen und Bedürfnissen, aber überhaupt nicht gewaltbereit. Das, finde ich, muss man ganz weit auseinanderschalten, weil kein Mann der Welt, der geradeaus denken kann, würde doch jetzt sagen: 'Gewalt gegen Frauen ist aber für uns zulässig'. Wo sind wir denn? Natürlich nicht!
    Es geht nur darum, dass wir auch unsere Sorgen haben oder unsere Probleme. Und jetzt machen praktisch einen Film, der ist viel kleiner, natürlich, auch hoffentlich humorvoller, weil diese Probleme, das sind Zwischentöne, das sind ja nicht Probleme, wo ich sage: 'Wir sind die Opfer'. Der Film will nicht Opfer und Täter – die Frauen sind keine Täter. Wir Männer, glaube ich, sollten anfangen, mehr über unsere Probleme reden zu können und der erste Schritt ist immer für mich – weil ich gehöre dazu: Ich mauere auch als erstes, als Mann. Und vor allen Dingen: Wenn ich darüber nicht lachen kann, dann ist es, wie gesagt, eh schwierig. Und ich glaube, dass das Leben eine Tragödie ist, über die man lachen muss.
    "Das 'Wie' ist das Entscheidende"
    Buchmann: Der Film ist ja auch wirklich keine zarte Blümchenwiese: Es gibt Sexszenen, Pornos, Puffbesuche, die Wörter "ficken" und "Fotze" – Entschuldigung, Zitate – werden ständig gebraucht. Rocky im Vollsuff kotet sich ein, Thorben hilft ihm ins Bad und kotzt ihm dabei noch in den Nacken. Also, da wird schon einiges aufgefahren. War das auch so ein bisschen "pubertärer" Spaß an der Provokation?
    Stahlberg: Nein. Ich verstehe, dass Sie das anscheinend nicht gemocht haben, das kann ich verstehen. Ich denke nämlich, wenn man den Humor nicht hat, dann zählt man da auf, was passiert. Aber das "Wie" ist das Entscheidende.
    Zum Beispiel in dieser Szene, wo der Vater sich übergeben muss und sich eingekotet hat, weil er einfach zu viel getrunken hat: Das hört sich unglaublich widerlich an, und als würde man damit so diesen Fäkalhumor bedienen wollen. Das tut mir leid, es ist nicht der Fall. Das ist die Szene, in der am allermeisten gelacht wird, in Berlin, in München, in Köln und in Hamburg.
    Und ich kann die Leute verstehen, weil, ehrlich gesagt, hat es nämlich den Beginn einer Zärtlichkeit, weil der Vater das erste Mal vor seinem Sohn praktisch in der Badewanne sitzt und wie ein kleiner Junge von ihm abgeduscht wird, weil er sich übernommen hat. Und der Sohn merkt: Oh, jetzt ist es an mir, für meinen Vater Verantwortung zu übernehmen. Soll heißen: Diese Szene hat eine dramaturgische Notwendigkeit, wo es halt nicht um armselige Provokationen geht. Ich kann keine Geschichte erzählen über Männer, die an Grenzen gehen – oder auch an Grenzen stoßen – ohne die auch zu zeigen. Wenn Thorben sehr viel in YouPorn unterwegs ist, werde ich das auch zeigen.
    Buchmann: Sie haben vor zwei Jahren in etwa begonnen mit dem Film. Das war eine Low-Budget-Geschichte mit Crowdfunding. Sie wollten aber auch nicht, dass zum Beispiel noch ein Sender beteiligt ist. Weil Sie da sicherlich vielleicht noch einiges hätten abmildern müssen und so noch mehr Herr Ihrer selbst sind?
    Stahlberg: Ich denke, der Film hat eine gewisse Ambivalenz. Die höre ich auch bei Ihnen raus, das verstehe ich auch. Und ich habe es halt oft erlebt, dass gerade dann natürlich bei diesen Gesprächen in der Vorfinanzierung, wo man natürlich auch abhängig ist von diesen Menschen, man dann in so einer Haltung sitzt, wo man nicht mehr entscheiden kann, sondern praktisch jemand sagt: 'Hör zu, ich fände das oder das richtiger.' Und man weiß aber, das ist jetzt kein Vorschlag, sondern wenn ich jetzt nicht darauf eingehe, kommt die Finanzierung nicht zustande. Und das ist natürlich bei so einem Film, der an Grenzen geht, dann, glaube ich, wie gesagt, fällt das mit einem Sender sehr viel schwerer. Und ich finde: Dann ist so ein Film, wenn er rundgelutscht ist, ist er überflüssig.
    Buchmann: "Fikkefuchs", ein Film der an Grenzen geht und zum Teil auch über Grenzen hinausgeht. Ein Film mit Jan Henrik Stahlberg und Franz Rogowski. Der wird sicherlich weiterhin kontrovers diskutiert – er ist auf jeden Fall sehenswert und kommt heute in die Kinos. Vielen Dank, Herr Stahlberg.
    Stahlberg: Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.