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Märchenoper im Chinalook

Ai Weiwei ist ein chinesischer bildender Künstler. Erstmals hat er für das Theater in Bremen nun ein Bühnenbild gestaltet - gleich für zwei Einakteropern von Alexander Zemlinsky.

Von Georg-Friedrich Kühn | 05.10.2009
    Mit der Oper hatte er bisher keine Berührung – außer mal als Statist bei Zefirelli während seiner Studienzeit in New York. Dennoch ließ Ai Weiwei auf dieses Experiment sich ein, in Bremen, wo man an der Oper immer mal wieder den Kontakt zur Bildenden Kunst sucht, einen Opernabend auszustatten, sprich die Entwürfe dafür zu zeichnen.

    Vorgeschlagen hatte die Opernleitung dafür zwei Einakter von Alexander von Zemlinsky, die in den Spielplänen nur spärlich auftauchen. Zum einen "Eine Florentinische Tragödie", die Geschichte eines Mordes aus Eifersucht. Ein Kaufmann kommt heim von einer Geschäftsreise, erwischt seine Frau mit einem herzoglichen Liebhaber, und ersticht den nach längerem Hin und Her.

    Zum anderen "Der Zwerg", frei nach Oscar Wilde. Eine Infantin bekommt zum 18. Geburtstag ein besonderes "Spielzeug", einen Zwerg. Der verliebt sich in sie, und sie behandelt ihn wie ein Spielzeug, stößt ihn nach kurzen Tändeleien zurück in seine Hässlichkeit, von der er nichts weiß.

    Für beide Stücke hat Ai Bilder aus seinem persönlichen Umfeld gefunden. Bei der "Florentinischen Tragödie" ist es eine turmartige Konstruktion aus aneinander geschweißten Fahrrädern entworfen. Sie symbolisieren die Blume Bianca, an der die beiden Männer wie Insekten nippen. Gekleidet sind alle drei Figuren in lachsrosa Gewandungen.

    Die theatralischen Aktionen, die Jungregisseur Andreas Bode dazu beiträgt, beschränken sich auf Marginales. Mal werden Räder angedreht wie für russisches Roulette. Oder die Umworbene darf sich laszive räkeln für ihren Liebhaber, oder sie flüchtet auf den Fahrradturm zur Beobachtung des Kampfs der "Insekten".

    Den Zweikampf gestalten die beiden Männer ohne Klinge, es ist die beeindruckendste Idee dieser Inszenierung.

    Beim "Geburtstag der Infantin" kann der Regisseur etwas tiefer in die komödiantische Trickkiste greifen. Ai hat sich da aufs Karikieren der Kleidung des Hofstaats konzentriert. Alle tragen Weiß, aber die Röcke haben seltsame Ausbuchtungen, von fern an Oskar Schlemmers "Triadisches Ballett" erinnernd.

    Hände, Beine, Arme oder Hälse werden mit Stulpen akzentuiert. Bei einigen Damen ist der ganze Oberkörper so verpackt, oder sie tragen Flügel wie Segel auf dem Rücken. Die hochmütige Prinzessin ist demgegenüber vergleichsweise nackt. Nur der Ansatz eines Reifrocks umgürtet ihre Lenden.

    Der Zwerg wird als Außenseiter gezeigt mit dichtem Bartwuchs und in einem schokobraunen Flanellanzug. Wenn er vor der Prinzessin balzt, schnappt er sich noch einige der weißen Stulpenteile zur Verstärkung. Über der Szene schwebt ein in sich bewegliches Gestänge aus etwa drei Meter langen Balken, die an den Enden aneinander verknotet sind.

    Es ist wie eine Smogwolke, Anzeige der Erstickungsgefahr.

    Zemlinskys während und kurz nach dem Ersten Weltkrieg entstandene Musik mit ihrem spätromantischen Gepränge steht eigentümlich quer zu Ai Weiweis in sich schlüssiger Ausstattung. Mit einem kongenialen Regisseur hätte das vielleicht ein aufregender Theaterabend werden können. So schleppt sich die Sache mehr dahin.

    Markus Poschner am Pult der Bremer Philharmoniker tut dennoch sein Möglichstes, die Aufmerksamkeit wach zu halten. Von den Sängern können vor allem Carsten Wittmoser als Kaufmann Simone in der "Florentinischen Tragödie" beeindrucken und Peter Marsh als Titelfigur im "Zwerg".

    Großer Jubel am Ende für den freundlich lächelnden Gast aus Beijing. Freilich zeigte sich einmal mehr: Bühnenbild und Bildende Kunst sind doch eher getrennte Welten. Zu einer produktiven Reibung kam es hier jedenfalls nicht.

    Info:
    Theater Bremen