Dienstag, 16. April 2024


März 2014: Ruhm - Wer bestimmt, was bleibt?

Im März machen wir mit einem Gedicht von Ulrike Almut Sandig einen Abstecher in das Bach-Museum Leipzig und stellen die Frage: "Ruhm – Wer bestimmt, was bleibt?"

01.03.2014
    Wie wird man zu einer Berühmtheit? Und wer bestimmt eigentlich, wer berühmt ist? Welcher der aktuellen "A-, B- oder C-Prominenten" wird auch morgen bekannt sein? Das können wir heute noch gar nicht abschätzen. Doch was muss man tun, um nicht vergessen zu werden? Und umgekehrt: Wie oft liest oder hört man von Künstlern und Musikern, die Zeit ihres Lebens unbekannt und arm lebten, nach ihrem Tod aber große Berühmtheit erlangten?
    Ein Beispiel hierfür ist Johann Sebastian Bach. Zwar war er auch zu Lebzeiten ein angesehener Musiker, richtig berühmt aber waren damals seine Kollegen wie Georg Friedrich Händel oder Georg Philipp Telemann. Nach seinem Tod jedoch wurde Bach regelrecht kultisch verehrt. 1743 prüfte Bach, der sich nicht nur als Komponist, sondern auch als Orgel-Virtuose einen Namen gemacht hatte, eine Orgel in der Leipziger Johanniskirche, die nach seinem Tod zu einer Art Bach-Reliquie wurde. Laut einem Zeitungsbericht schnitzten sich Bachfans Stückchen aus der Orgelbank heraus, weil ER einst darauf gesessen hatte. Der Orgelspieltisch aus der Johanniskirche ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Wahrnehmung eines Menschen wesentlich von anderen bestimmt werden kann.
    Der Orgelspieltisch aus der Johanniskirche ist eine Leihgabe des Museums für Musikinstrumente der Universität Leipzig.
    Orgelspieltisch (Foto: Hohmann-Güner-Blum)
    Auch Ulrike Almut Sandigs Gedicht beschäftigt sich mit der Frage, was übrigbleibt und beschreibt den Wunsch nicht vergessen zu werden und etwas zu hinterlassen. Immer wieder tauchen die Bilder des Stillstands und der Vergänglichkeit in ihrem Text auf: die rote Ampel, an der man stoppen muss, die ausfallenden Bahnen oder der aussetzende Herzschrittmacher.
    Lied
    dieses Lied hab ich nur
    aus Wörtern gemacht.
    es klingt wie der Klopfton
    der Fußgängerampel
    auf Rot, aber auch wie
    Kastanien beim Aufprall
    wie still stehende Krähen
    auf dem Rasen zur Bahn
    wie schwankende Kräne
    über dem Gras, wie
    der plötzliche Ausfall aller
    Bahnen zur Stadt, wie
    der Herzschrittmacher
    der Frau neben dir, ticke tack
    ticke tack ticke tack tack tack
    STOP klingt mein Lied
    aber auch wie das alte
    "morgen früh, wenn Gott will
    wirst du wieder ge" hörst du
    mein Lied? mein Lied soll
    nie aufhören! mein Lied
    hört auch nie auf, solange
    ich selber nicht aufhör.

    aber jetzt kommt ein Lied
    das hab ich ganz ohne
    Wörter gemacht. Achtung!
    an genau dieser Stelle
    geht alles erst los:
    Aus: Ulrike Almut Sandig, Dickicht. Gedichte. © Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung GmbH,
    Frankfurt am Main 2011, S. 71.
    Was muss man tun, um nicht in Vergessenheit zu geraten? Wie kann man durch sein eigenes Verhalten die Wahrnehmung anderer beeinflussen? Und wie möchte man überhaupt wahrgenommen werden? Wie langlebig ist heutige Berühmtheit überhaupt? Was denkt ihr, sind heutige Popstars auf der Suche nach kreativer Selbstverwirklichung oder nach Unsterblichkeit? Was glaubt ihr, wird von unserer Zeit bleiben? Und vor allem, wer bestimmt, was bleibt?
    Hier findet ihr unsere E-Mail Vorlage.
    Die aktuellen Wettbewerbsbedingungen könnt ihr online nachlesen.
    Ulrike Almut Sandig, geb. 1979. Sie gründete 2001 mit der Songwriterin Marlen Pelny die Literaturprojekte augenpost und ohrenpost. Bis 2005 studierte sie Religionswissenschaften und moderne Indologie in Leipzig. 2010 schloss sie ihr Diplomstudium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig ab. Sie schrieb einen Erzählband, zwei Hörspiele, drei Gedichtbände und veröffentlichte zwei Alben. Allein oder mit Marlen Pelny im Programm “Dichtung für die Freunde der Popmusik” tourt sie durch Clubs und Literaturhäuser.
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Ulrike Almut Sandig (Foto: Tanja Kernweiss)
    Hier kommt ihr zur Autorenseite von Ulrike Almut Sandig
    Im Bach-Museum Leipzig wird auf 450 m² Fläche das Leben und Wirken Johann Sebastian Bachs und seiner Familie in einer interaktiven und multimedialen Ausstellung präsentiert. Ein Höhepunkt des Rundgangs ist die Schatzkammer, in der Bach-Handschriften und andere Kostbarkeiten präsentiert werden. An vielen Stationen gibt es die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden.
    Außenansicht des Bach-Museums
    Außenansicht des Bach-Museums (Foto: Jens Volz)
    Die Unterrichtsmaterialien für März 2014 zum Download!