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Mäzene, Macht, Millionen
Das Museum Ludwig feiert seinen Namensgeber

Was motiviert Mäzene, ihre Sammlungen an öffentliche oder private Musseen abzugeben? Soziale Verantwortung, der Wunsch nach Aufmerksamkeit oder vielleicht die Möglichkeit, die Forschung zu beeinflussen? Diese und andere Fragen stellt man sich auch im Kölner Museum Ludwig, das in einer Sonderausstellung seinen Namensgeber feiert.

Von Dörte Hinrichs | 25.08.2016
    Köln, Stadtansicht - das römisch germanische Museum, das Museum Ludwig und der Kölner Dom
    Köln, Stadtansicht - das römisch germanische Museum, das Museum Ludwig und der Kölner Dom (picture alliance / dpa)
    Der Schokoladenfabrikant und seine Frau waren leidenschaftliche Kunstsammler, besonders hatten es Peter und Irene Ludwig die Werke der Pop Art angetan, von Andy Warhol bis Roy Lichtenstein, die bis heute ein Highlight des Museums Ludwig sind.
    "Sie konnten 1976 die Stadt überzeugen, nicht nur ihre Sammlung anzunehmen, sondern auch ein eigenes Museum hierfür zu schaffen, das Museum Ludwig. Und das Museum Ludwig fußt zum einen auf der Sammlung der Ludwigs und zum anderen auch in wesentlichen Teilen auf der Sammlung des Wallraf-Richartz-Museums. Und das ist quasi die Geschichte unseres Hauses.
    Und das Wallraf-Richartz-Museum, bzw. der zeitgenössische Bestand und der Bestand des 20. Jahrhunderts fußte ja auch auf ehemaligem Kölner Bürgertum, das immer wieder Werke aus privaten Sammlungen dem Museum gestiftet hat. Und so ist auch unser Museum, das Museum Ludwig in Köln ein Bürgermuseum.
    Wir bekommen immer wieder teilweise größere Schenkungen für unsere Sammlung, wir sind also auch abhängig, aber im positiven Sinne wie ich finde, abhängig von dem, was uns die Öffentlichkeit auch für unsere Sammlung übereignet."
    Betont Dr. Yilmaz Dziewior, seit 2015 Direktor des Museums Ludwig. Der Namensgeber des Museums ist auch nach seinem Tod 1996 weltweit mit Museen präsent. Die Kunsthistorikerin Doktor Julia Voss, stellv. Feuilletonchefin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Honorarprofessorin an der Leuphana Universität Lüneburg:
    "Das Ehepaar Ludwig hat bestimmt auch über Deutschland hinaus die Museumslandschaft geprägt, da sie ja nicht nur in Deutschland eine große Sammlung aufgebaut haben, sondern auch Ableger ihres Museums weltweit gegründet haben. Und auch der Ansatz, die Gegenwartskunst in diesem Maße ins Museum zu holen, ist etwas, was die Ludwigs in besonderem Maße angestoßen haben. Und sie waren ja tatsächlich diejenigen, die die Pop Art ins Museum gebracht haben.
    Also es gab ja vorher keine Museen, die Pop Art gesammelt haben. Die beiden haben Pop Art gesammelt und dann eben alles in ein öffentliches Museum gegeben - und das war zu dieser Zeit beispiellos."
    Pionierarbeit mit Pop Art
    Damit hat der Kunstmäzen Peter Ludwig Pionierarbeit geleistet und nachhaltig Einfluss genommen auf die Kunstwelt. Andere Museen fingen nun auch an Pop Art zu sammeln, die dann sehr teuer geworden ist.
    "Ludwig ist so ein Grenzfall, weil, auf der einen Seite war er jemand, der die Idee eines öffentliches Museums verfochten hat und auch immer versucht hat, weiter zu entwickeln, indem er auch diese Ableger von seinen Museen gegründet hat usw. Ich weiß nicht, wie Ludwig reagiert hätte, wenn die Stadt ihm nicht so entgegen gekommen wäre.
    Das Museum Ludwig lockt jährlich viele Besucher nach Köln. Gegründet wurde es 1946.
    Bilder aus der Serie "Hochsitz" von Sigmar Polke im Museum Ludwig in Köln (dpa / picture alliance / Oliver Berg)
    Also er hat auf der einen Seite natürlich alles der Stadt geschenkt, er hat auf der anderen Seite aber auch sehr viel mitgemischt, und hat, so lange er lebte, schon einen Grenzfall geschaffen von einem öffentlichen und einem privaten Museum – weil es natürlich seine Stiftung war, und es ein öffentliches Museum war, das praktisch seinen Namen trägt, was schon eigentlich sehr ungewöhnlich ist."
    Konkurrenz von Privatmuseen
    Den Wunsch, sich mit seiner Sammlung zu verewigen, teilte Peter Ludwig mit vielen anderen Kunstmäzenen, die auch heute von sich reden machen und die einen zunehmenden Einfluss auf die Museumslandschaft haben. Zum Beispiel der schwerreiche französische Industrielle Francois Pinault, der nach Venedig nun auch in Paris, zwischen Louvre und Centre Pompidou seine Sammlung im alten Börsengebäude ausstellen wird. Dabei geht es um das systematische Anlegen von Geld in Kunstwerke und die Spekulation mit Kunst, die in den letzten 30 Jahren enorm zugenommen hat, wie Doktor Julia Voss beobachtet. Die öffentlichen Museen bekommen immer mehr Konkurrenz zu spüren von den boomenden Privatmuseen; über 40 sind es inzwischen in Deutschland, das damit weltweit auf Platz drei liegt.
    "Das ist auch etwas, was der deutsche Museumsbund beobachtet, dass dieser Anreiz, ein eigenes Museum zu gründen, enorm gewachsen ist. Das hat einerseits damit zu tun, dass natürlich in dem Moment, wo man ein eigenes Museum hat, man viel mehr Freiräume besitzt, da die öffentlichen Museen häufig einen unglaublichen Bürokratieballast mit sich herumschleppen müssen, und das muss man in privaten Museen in vielen Hinsichten natürlich nicht. Und auf der anderen Seite gibt es auch einen steuerlichen Anreiz, es gibt eine richtige Förderstruktur, dass es in vielen Hinsichten vorteilhafter ist, sein eigenes Museum zu besitzen."
    Private und öffentliche Museen wetteifern um die Gunst des Publikums.
    Die Strategie des Museums Ludwigs ist es, Arbeiten möglichst früh zu erwerben, bevor sich andere darauf stürzen, so der Direktor Doktor Yilmaz Dziewior.
    "Das wird ja immer wieder gesagt, die Museen können nicht mithalten mit den privaten Sammlern, das trifft in bestimmten Belangen auch. Aber es ist die Frage, wollen die Museen da mithalten, wollen die Museen einen Jeff Koons oder wollen die Museen einen Damian Hurst?
    Es gibt natürlich eine große Überschneidung zwischen sehr avancierten, auch sehr interessanten Künstlerinnen und Künstler, die auch vom Kunstmarkt hoch geschätzt werden. Für uns ist es aber so, dass wir häufig einen engen Kontakt zu den Künstlern haben.
    Wir bekommen dementsprechend auch von den Galerien ganz außergewöhnliche Angebote, die Arbeiten zu erwerben, weil die Galerien und die Künstler natürlich wissen, wenn etwas im Museum Ludwig landet, in der Sammlung des Museums Ludwig, dann wird das nie wieder veräußert, dann ist das Teil der Kunstgeschichte."
    Angesichts geschrumpfter Etats, mit denen viele öffentliche Museen zu kämpfen haben, ist die Bedeutung von Schenkungen nicht zu unterschätzen. Sie müssen in die bestehende Museumssammlung und in das Ausstellungskonzept integriert werden - das absorbiert manchmal Kräfte, die für die wissenschaftliche Aufarbeitung des Bestandes fehlen.
    Anders als viele andere Museen verfügt das Museum Ludwig immerhin noch über einen eigenen Ankaufsetat, um seine Sammlung konsequent zu erweitern.
    Aber auch zahlreiche Sammler und Kunstliebhaber fördern das Museum, die Unterstützung von Fördervereinen, öffentlichen Stiftungen und privaten Mäzenen spielt eine große Rolle.
    "Wir haben ja eine große Fotografie-Sammlung Anfang des Jahres übereignet bekommen, über 200 sehr hochkarätige Fotografien – meine Erfahrung beispielsweise damit war, das freut zwar die Sammler, aber hätten die das beispielsweise auf den Kunstmarkt gegeben, hätten die ein wesentliches Mehr bekommen als sie bei den Steuern sparen können.
    Also der Anlass, dem Museum Arbeiten zu schenken, ist nicht diese Steuervergünstigung in der Regel, zumindest die Erfahrung habe ich gemacht, sondern die ist wirklich, wenn man überzeugt ist, dass das Museum der richtige Ort ist, dass das Museum Ludwig der Platz ist, an dem die Sammlung auch wissenschaftlich aufgearbeitet wird, der Öffentlichkeit gezeigt wird, und es ist mehr eine soziale Verantwortung."
    Die Kernaufgabe öffentlicher Museen
    Gerade die wissenschaftliche Expertise ist neben dem Sammeln und Ausstellen eine Kernaufgabe öffentlicher Museen. Ihrem wissenschaftlichen Vermittlungsauftrag können sie nur durch die Erforschung ihrer Sammlungen und entsprechend fundierten Ausstellungen gerecht werden.
    Doch welchen Stellenwert hat das heute angesichts knapper Kassen in den Kommunen, die mehr die Besucherzahlen als den Forschungsauftrag im Blick haben? Doktor Julia Voss:
    "Es ist auch so, dass die Politik das häufig so sieht, dass die Museen zum Beispiel als Tourismusmagnet funktionieren. Und deswegen auch immer etwas Neues bieten, immer wieder, wo man sagen kann, es gibt eine neue Ausstellung und das muss jetzt gemacht werden, dass die gute PR machen.
    Und tatsächlich sind viele Museen angehalten, mehr Energie und Aufwand in die PR zu stecken als in die Erforschung der Bestände. Weil diese Erforschung der Bestände nichts ist, was auf kurze Sicht ein Museum attraktiv macht.
    Es gibt immer wieder Museen, die versuchen - teilweise auch sehr erfolgreich - aus diesen Forschungsprojekten am Ende auch Ausstellungsprojekte zu generieren. Das ist aber nicht immer möglich. Was auch auf die Museen jetzt alle zukommt oder auch zugekommen ist, ist, dass sie natürlich ihre Bestände erforschen müssen mit der Frage: Was ist im Zeitraum von 1933 bis 1945 erworben worden, was haben wir in unseren Beständen?
    Das heißt, die Museen haben eigentlich diesen Auftrag, das zu erforschen und sich ihrer Geschichte zu stellen und auch Forschungsarbeit zu leisten.
    Tatsächlich haben sie aber auch den Auftrag, als touristische Attraktion zu funktionieren und das sind zum Teil Anforderungen, die sich gegenseitig ausschließen."
    Zwischen Forschung und Tourismus-Attraktion
    Diesen Spagat muss auch das Museum Ludwig bewältigen:
    "Für uns ist die wissenschaftliche Aufarbeitung der Sammlung zentral. Wir haben seit mehreren Jahren beispielsweise ein Projekt, wo wir auch sehr stark mit unserer Restaurierungsabteilung daran arbeiten - das ist die Aufarbeitung der Russischen Avantgarde beispielsweise.
    Wenn Sie sich auch die Russische Avantgarde anschauen, da ist es für uns ein zentrales Anliegen, die Provenienz zu überprüfen, aber auch die ganzen Restitutionsfälle, wovon das Museum Ludwig Gott sei Dank nicht so betroffen war. Beispielsweise Julia Friedrich hat die Sammlung Haubrich dezidiert auf die Provenienz hin überforscht, also das ist für uns ein wichtiges Anliegen."
    Der Kontakt mit wissenschaftlichen Bildungseinrichtungen wäre durchaus noch ausbaubar, so Doktor Yilmaz Dziewior. Außerdem will die eigene Sammlung noch weiter aufgearbeitet werden.
    Wenn die Forschung in öffentlichen Museen angesichts finanzieller Engpässe derzeit auch schwierig ist, kommt Doktor Julia Voss dennoch zu der Einschätzung:
    "Die beste Kunst finden Sie in Deutschland in öffentlichen Museen, also was im Städel hängt, in der Hamburger Kunsthalle und in der Staatsgalerie Stuttgart hängt, das finden Sie in keiner Privatsammlung.
    Wenn Sie durch die Jahrhunderte zurückgehen, das sind Schätze, die kein Privatsammler anhäufen kann. Auf der anderen Seite: Die privaten Museen sammeln ja vornehmlich - das haben sie auch gemeinsam - Gegenwartskunst, und können da natürlich mehr kaufen, als das die öffentlichen können.
    Ich bin gar nicht der Ansicht, dass öffentliche Museen so wahnsinnig viel Gegenwartskunst so schnell kaufen sollten. Das ist aber zum Teil tatsächlich etwas, was attraktiv für Besucher ist. Es gibt da eine Schwierigkeit, dass die öffentlichen Museen die Schätze, die sie haben, weil sie unter so einem Druck stehen, gar nicht mehr richtig an die Öffentlichkeit vermitteln können und unter dem Druck stehen, dauernd was Neues zu produzieren."