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Mafia bedroht Bauern

Auf enteigneten Gutshöfen verhafteter sizilianischer Mafiabosse pflanzen Bauern heute Zitronen, Orangen, Oliven und Wein an. Von Einschüchterungsversuchen abgesehen, konnten sie ihre Haine und Felder in relativer Sicherheit bestellen. Im letzten Monat gab es auf einigen Gütern aber zahlreiche ungeklärte Brände.

Von Stefan Troendle | 25.06.2012
    Es geschah am Wochenende. Natürlich am Wochenende. Dann arbeitet nämlich niemand auf dem kleinen Bauernhof in Lentini bei Catania, erzählt Diego Daquino:

    "Am Montag Früh, als wir herkamen, haben wir diesen ganzen Dreck entdeckt – sie haben uns die Arbeit gestohlen."

    Mit "sie" meint Daquino die Mafia, mit "Dreck" die Zerstörung seiner Oliven- und Orangenplantagen. Über Nacht hatte es einen Brand gegeben. Ungefähr ein Drittel seiner Bäume war in Flammen aufgegangen, fünf Hektar von insgesamt 16 zerstört, Sachschaden: mindestens 100.000 Euro, durch die Ernteausfälle aber wesentlich mehr. schließlich braucht es lange, bis ein neu gepflanzter Orangen- oder Olivenbaum Früchte trägt. Der Grund für das Feuer dürfte in der Besonderheit des Hofes liegen. Betrieben wird er derzeit von einer sozialen Kooperative. Deren Chef, Alfio Curcio, erklärt:

    "Dieses Grundstück gehörte einer Mafiafamilie. Die hatten hier ihren Bauernhof, auch wenn sie vor allem im Transportwesen tätig waren."

    Die Mafiosi wurden enteignet, nachdem sie überführt wurden. In Italien ist gesetzlich geregelt, dass solche beschlagnahmten Güter anschließend sozialen Zwecken zugeführt werden können, sie werden an Hilfsorganisationen übergeben oder an Anti-Mafia-Initiativen wie Libera. Die sorgen dann über lokale Gruppen oder in Zusammenarbeit mit anderen für die Bewirtschaftung, produzieren Wein, Öl, Orangen und Getreide (für "Anti-Mafia-Nudeln"), Produkte übrigens, die man auch in deutschen Bioläden kaufen kann.

    Die Arbeit auf dem Hof in Lentini war mühselig, sagt Alfio Curcio, weil das ganze Gelände zehn Jahre lang verwildert war.

    "Das war hier ein halber Urwald. Jetzt, wo wir fertig sind, alles in Ordnung gebracht und gesäubert haben, gibt es ganz plötzlich nach zwei Jahren harter Arbeit ein Feuer, das alles kaputt macht – das ist wie Hohn."

    Natürlich war das die Mafia, sagte Professor Armando Rossitto aus Catania, die haben Fackeln benutzt, um die Bäume einzeln anzuzünden, das kann man an den schwarzen Flecken am Boden gut erkennen.

    "Die Mafia benützt das Feuer, sie lässt Leute verschwinden oder bringt sie um, sie nutzt Betonpfeiler und gießt diejenigen darin ein, die unbequem sind. Sie benutzt diese Methoden. Was hier passiert ist, reicht, um echte Besorgnis auszulösen."

    Es ist nämlich ein Signal der Cosa nostra, eine Drohung: Hände weg von unseren Grundstücken, sonst ergeht es Euch genauso. Laura Garavini hat nach den Duisburg-Morden 2007 die Bewegung "Mafia - Nein, Danke" mitinitiiert, ist inzwischen Parlamentsabgeordnete der Demokratischen Partei Italiens, PD, und sitzt für diese als Fraktionsvorsitzende im Anti-Mafia-Ausschuss. Sie ist nach dem Brand nach Sizilien geflogen und vermutet nun, dass dieser Teil einer ganzen Einschüchterungskampagne ist:

    "Es ist auch nicht der einzige Fall – im letzten Monat gab es fünf solcher Vorfälle in anderen Gegenden, alle unter denselben Bedingungen und alle betrafen die gleiche Institution: Libera. Es ist sehr stark zu vermuten, dass das ein Versuch ist, Libera zu bedrohen, Libera dazu zu bringen, diese großartige Arbeit, die sie leistet, aufzugeben und genau das wollen wir verhindern."

    Denn Einrichtungen wie diese stehen für Legalität, sagt Garavini, zeigen, dass es auch anders geht, und sorgen ganz nebenbei dafür, dass arbeitslose Jugendliche einen Job bekommen. Die Kooperative, die den halb abgebrannten Hof in Lentini betreut, nennt sich übrigens "Beppe Montana". Es ist der Name eines Polizeibeamten, der von der Mafia ermordet wurde.
    Die Politikerin Laura Garavini kämpft gegen die Mafia
    Die Politikerin Laura Garavini kämpft gegen die Mafia (Stefan Troendle)