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Mafia-Brüder vor Gericht

Korruption und Kriminalität - das sind die Hauptprobleme Bulgariens. Deswegen hat Premierminister Boiko Borissow, seit Juli letzten Jahres im Amt, nun den Kampf gegen die organisierte Kriminalität zur obersten Priorität erklärt. Ein erster Schritt: Zwei bekannte Mafia-Gangster wurden vor Gericht gestellt.

Von Dirk Auer | 18.02.2010
    Im Gerichtsgebäude von Kjustendil, einer Kleinstadt im Südwesten von Bulgarien: Es ist der vierte Verhandlungstag im Prozess gegen Plamen Galev und Angel Hristov, genannt die Galevi-Brüder. Vor Gericht gebracht wurden sie von Lidia Pavlova. Die Journalistin schreibt für die Lokalzeitung "Struma" seit Jahren über die Machenschaften der Galevi-Brüder - über gekaufte Gemeinderatsmitglieder, Schutzgelderpressung, Einschüchterungen und Prügel. Mit diesen Methoden würden sie die Kleinstadt Dupnitsa wie Feudalherrscher regieren.

    "Sie sind keine Politiker, aber von ihnen hängen alle Politiker der Stadt ab. Jeden Tag sind sie im Büro des Bürgermeisters und entscheiden über die Dinge der Stadt. Der Bürgermeister kann keine Entscheidung treffen ohne das Einverständnis der beiden."

    Mitangeklagt sind auch zwei Vertraute der Galevi-Brüder, ihre mutmaßlichen Schläger, genannt Totsi und Stakleto. Dass sich überhaupt Zeugen gefunden haben, die wagen, gegen sie vor Gericht auszusagen, ist schon ein großer Erfolg, sagt Anwalt Anton Sirakov. Denn das Vertrauen in die staatlichen Institutionen sei schwach - und das leider nicht ohne Grund:

    "In der vorherigen Gerichtsverhandlung hat ein ranghoher Polizist ausgesagt. Er ist Polizist, aber arbeitet gleichzeitig auch für die Galevi. Er trinkt demonstrativ mit ihnen Kaffee, er setzt sich im Gerichtssaal neben sie und fragt, ob sie zufrieden sind mit seiner Aussage. Das heißt: Angeklagte und Polizei arbeiten zusammen. Wie ist das möglich?"


    Immer wieder gibt es in Bulgarien Hinweise auf derartige Verflechtungen von Politik, staatlichen Ermittlungsbehörden und dubiosen Geschäftsmännern. Mitte Januar traten Premierminister Boiko Borissow und Innenminister Tsvetan Tsvetanov vor die Presse - zusammen mit Oberstaatsanwalt Boris Veltchev, der erklärte:

    "2010 ist das Jahr, in dem wir uns mit nichts mehr entschuldigen können. Schon in den nächsten Monaten werden wir den Einfluss der Mafiabosse, die das Land terrorisieren, zurückdrängen - und dann schließlich auch vor Gericht bringen."

    Schon drei Wochen später flimmerten verwackelte Bilder über die bulgarischen Fernsehbildschirme: Aufnahmen von einer Razzia in mehreren Nachtklubs und mutmaßlichen Bordellen, bei der insgesamt 14 Personen festgenommen wurden. Darunter: Aleksej Petrow, Spitzname: Der Traktor. Er gilt als Kopf eines Mafiarings, der im Bereich Drogenhandel, Schutzgelderpressung und Geldwäsche aktiv ist. Tihomir Bezlov, Experte für Organisierte Kriminalität am Zentrum für Demokratieforschung in Sofia:
    "Aleksej Petrov ist eine wirklich interessante Figur, er ist alles andere als ein kleiner Fisch. Seine Organisation ist sehr mächtig - und deshalb haben so viele Regierungen in der Vergangenheit nicht versucht, etwas gegen ihn zu unternehmen."

    Im Gegenteil: Unter der letzen Regierung hatte Petrov sogar einen Beraterposten, in einer staatlichen Agentur, die ironischer Weise zur Bekämpfung des Organisierten Verbrechens gegründet wurde. Ob die Razzia aber nun, wie nicht wenige meinen, eine bloße PR-Aktion für die Medien war, oder ob es sich, wie Petrov behauptet, um einen persönlich motivierten Rachefeldzug von Premierminister Borissov handelt - die beiden waren in den 1990er-Jahren Geschäftspartner - oder: Ob sie tatsächlich als Erfolg gewertet werden kann. Das wird im Wesentlichen davon abhängen, ob es gelingt, die Festgenommen vor Gericht zu bringen und auch zu verurteilen. Genau darin sieht Tihomir Bezlov die größte Schwierigkeit:

    "Es ist das immer gleiche Problem der letzten zehn Jahre. Die Polizei ist nicht willens oder fähig, die nötigen Beweismittel zu sammeln. Und die Richter haben Angst, entschiedener Urteile zu sprechen. Besonders in kleineren Städten wissen sie, dass sie dann ein Problem bekommen könnten."

    Und tatsächlich endet für Lydia Pavlova der vierte Verhandlungstag mit einem Schock. Totsi und Stakleto, die bislang in Haft saßen und zuvor sowohl Ankläger wie Zeugen mehrfach bedroht haben, werden frei gelassen - gegen eine Kaution von 3500 Euro.

    "Ich kann es nicht glauben! Es gibt einige Kartons voll mit Beweismaterial gegen diese Schläger. Aber heute haben wir gehört und gesehen, dass der Richter ihnen wohlgesonnen ist. Es ist ein Zeichen dafür, wie das Gerichtssystem in Bulgarien funktioniert."