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Maidan-Opfer in Koblenz
Verletzte werden im Bundeswehrkrankenhaus behandelt

Im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz ist die Ukraine-Krise ganz nah. Hier werden Menschen behandelt, die auf dem Maidan Opfer von Gewalt wurden. Ihre Verletzungen sind zum Teil so schwer, dass ihre Behandlung Monate dauern wird. Zur Sorge um die eigene Gesundheit kommt auch die Angst um die Zukunft ihrer Heimat.

Von Ludger Fittkau | 29.04.2014
    Maidan, Ukraine, Unabhängigkeitsplatz
    Sechs Opfer vom Maidan wurden bereits in der Koblenzer Unfallklinik behandelt. (picture alliance / dpa / Andrey Stenin)
    Volodja Ulscharowski ist schmal und blass. Sein nicht einmal dreißigjähriger, zerschossener Körper liegt verborgen unter einer Bettdecke. Seit beinahe sechs Wochen liegt Volodja Ulscharowski im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz. Schon mehrmals wurde er operiert, noch monatelang wird er behandelt werden müssen. Gleich zu Beginn des Gespräches muss Volodymyr Goncharovskyy innehalten. Die Schmerzen sind zu groß. Nach einer Pause beginnt er zu erzählen. Die ehrenamtlich tätige Kölnerin Noelie Ullmann übersetzt für ihn.
    "Am 20. Februar war er in Kiew und hat versucht, die Leute, die schon verletzt waren, zu retten und zum Hotel Ukraine zu bringen. Und da wurde er von einem Scharfschützen in den Rücken getroffen. Die Wirbelsäule wurde verletzt. Er ging zu Boden. Danach wurden noch mal Schüsse abgegeben. Und er wurde in den Oberarm getroffen, wo jetzt 26 Zentimeter Knochen fehlen."
    "Es ist schon auffällig, die Verteilung der Schussverletzungen: Es ist meines Erachtens nach die Arbeit von Profis gewesen", sagt Erwin Kollig, Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie im Koblenzer Unfallkrankenhaus. Sechs Patienten vom Kiewer Maidan hat er in den letzten Wochen behandelt.
    "Es ist meines Erachtens nach leichter, wenn ich jetzt mal sehr zynisch werden darf, einen Patienten mit einer Präzisionswaffe umzubringen, oder einen Demonstranten sagen wir mal besser , als ihn gezielt sehr schwer zu verletzen, damit er großes Leid erfährt und andere – in Anführungszeichen – abschreckt. Und das ist durchaus eine berechtigte Vermutung."
    Der körperliche Schmerz ist das eine, sagt Volodymyr Goncharovskyy. Das andere ist die Enttäuschung darüber, wohin die Opfer vom Maidan in der Ukraine politisch geführt haben:
    "Er findet das einfach nur traurig, dass so viele Menschen vom 18. bis zum 20. Februar ihr Leben für diese Sache gegeben haben und es hat nicht viel gebracht. Er sieht keine richtige Veränderung und das macht ihn sehr traurig", schildert die Übersetzerin.
    "Eine ehrliche Ukraine mit einer guten Zukunft"
    50 zu 50. So stehen für Volodymyr Goncharovskyy heute die Chancen, dass die Ukraine auch in Zukunft noch als ein geeinter Staat existieren wird. Die Wahlen im Mai sind für den Verletzten im Koblenzer Bundeswehrkrankenhaus ein kleiner Hoffnungsschimmer.
    "Es ist ja klar, dass man höchstwahrscheinlich versuchen wird, diese Wahlen zu manipulieren. Aber die Menschen, die werden da hingehen. Die haben einen Willen. Und er hofft, dass da wirklich etwas passiert."
    Volodymyr Goncharovskyy hofft allerdings auch, dass er noch nicht in Kiew zurück sein wird, wenn Ende Mai die Wahlen stattfinden. Denn er braucht noch eine lange medizinische Rehabilitation. Er möchte sie in Deutschland machen. Sein Bundeswehrarzt Erwin Kollig unterstützt dieses Anliegen und hofft, dass die Bundesregierung auch dafür die Kosten übernimmt.
    "Wir werden nach Abschluss der rein unfallchirurgischen medizinischen Maßnahmen jetzt die rehabilitativen Maßnahmen einleiten. Das heißt, wir bemühen uns jetzt um zivile Rehakliniken, in denen die Patienten gemäß ihren spezifischen Verletzungsfolgen weiter behandelt werden können. Im Sinne der Rehabilitation."
    Trotz seiner Versehrtheit hat Volodymyr Goncharovskyy seine Träume nicht verloren. Seine politischen Träume für die Ukraine. Er hofft, sein Land einmal in einem Zustand zu erleben, der die Jugend nicht mehr dazu zwingt, auszuwandern. Ein Zustand, in dem die Alten mit ihrer Rente über die Runden kommen. Ein Land, in dem es sozial gerechter zugeht als bisher.
    "Er wünscht sich eine ehrliche Ukraine mit einer guten Zukunft. Dass der Präsident nicht auf dem goldenen Klo sitzt, wenn gleichzeitig die Kinder, die onkologisch behandelt werden, weil sie Krebs haben, sterben, weil man sie nicht richtig behandelt. Er möchte einfach, dass alles ehrlich ist. Dass Gerechtigkeit herrscht im Land, das es eine Zukunft gibt. Dass die Leute da nicht einfach nur sterben. Dass es nur Reiche gibt und Arme. Es soll irgendwo einen Ausgleich geben im Land."