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Malaria-Impfung
Medikamente aus Afrika für Afrika

Pharma-Multis interessieren sich aus wirtschaftlichen Gründen kaum für Krankheiten armer Länder. Wirksame Medikamente fehlen deshalb. Afrika schließt nun lebensrettende Lücken selber: Erstmals wird in Tansania eine Malaria-Impfung im verseuchten Gebiet getestet.

Von Peter Jaeggi | 24.12.2013
    Einige Kinder vergnügen sich mit einem Hüpfspiel, bei dem es um ein Bett geht, das versucht, zu fliegen.
    Diese Kinder in der tansanischen Stadt Bagamoyo leben risikoreich. Sie wachsen nämlich inmitten eines Malaria verseuchten Gebietes auf. Jetzt schreibt ihre Stadt afrikanische Medizingeschichte, die ihnen vielleicht einmal das Leben retten könnte.
    Bagamoyo am Indischen Ozean, einst ein Zentrum für den Sklavenhandel, später Hauptstadt Deutsch-Ostafrikas, bedeutet in der Landessprache Kiswahili: Der Ort, wo das Herz aufhört, zu schlagen. Eine Anspielung auf die Sklaven, die hier einst ihre Heimat zum letzte Mal sahen.
    Jetzt wurde hier auf Initiative und mithilfe des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institutes das erste Forschungszentrum des Landes eröffnet, das klinische Tests der Phase I durchführt. Medikamente also erstmals am Menschen testet. Die sind traditionell nie in Afrika gemacht worden, weil die notwendige aufwendige Infrastruktur und die Fachleute fehlten. Auch wurde lange verkannt, dass man Medikamente dort entwickeln sollte, wo sie später auch verwendet werden. Stets ist auch behauptet worden, man könne in Afrika die nötigen klinischen und ethischen Standards gar nicht einhalten. Mit der neuen Forschungsstätte in Bagamoyo wird nun das Gegenteil bewiesen.
    Seit letzten Oktober läuft in diesem klinischen Forschungszentrum, einem Ableger des Ifakara Health Institutes, der allererste Medikamentenversuch. Es ist eine Weltpremiere. Erstmals nämlich wird ein neuer Impfstoff an erwachsenen Menschen direkt in einem Malaria verseuchten Gebiet getestet. Der Impfstoff besteht aus sogenannten Sporozoiten. Vereinfacht gesagt sind dies die infektiösen Formen des Malaria-Erregers.
    Einer der 54 Probanden, die sich für diesen Impfversuch zur Verfügung stellen, ist der 22jährige Informatikstudent Croko Jusuf.
    "Malaria ist unser größtes Gesundheitsproblem. Als freiwilliger Teilnehmer dieses Impfversuches möchte ich mithelfen, das Problem zu lösen. Die Impfung wird schwangeren Frauen, Kindern, ja unserer ganzen Gesellschaft zugutekommen. Das ist meine Motivation, beim Impfversuch mitzumachen."
    Bei diesem Versuch wird Croko Jusuf mit noch lebenden Sporozoiten geimpft. Weil sie bestrahlt worden sind, können sie sich nicht mehr vermehren. Die Impfung stärkt die Immunität, so wie jeder Impfstoff. Wenn Croko Jusuf nun mit der infektiösen Malaria angesteckt wird und gesund bleibt, findet man heraus, ob und in welcher Dosierung der neue Impfstoff wirkt.
    Weshalb es so wichtig ist, neue Medikamente wie zum Beispiel eine Malariaimpfung dort zu testen, wo die Krankheit auch vorkommt, dafür hat Marcel Tanner, Direktor des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institutes unter anderem diese Erklärung:
    "Viele Medikamente haben einen Zusammenhang mit dem Immunsystem, mit dem Abwehrsystem."
    Ein Medikament, das bei uns wirkt, kann deshalb in Afrika ganz oder teilweise wirkungslos sein. Beispiel Malaria. Wer in einem verseuchten Gebiet wie Tansania lebt, wird häufig von der Anopheles gestochen, der Malariamücke, und entwickelt eine sogenannte Semi-Immunität, ist also teilweise immun gegen Malaria-Parasiten. Das hat Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Impfung, aber auch auf die Impfstrategie. Ein Tourist aus Europa braucht eine andere Zusammensetzung als der semi-immune Afrikaner im verseuchten Gebiet. – Seif Shekalaghe ist Forschungsdirektor des neuen klinischen Forschungszentrums von Bagamoyo und leitet den Impfversuch.
    "Das bedeutet: Menschen mit dieser teilweisen Immunität können nicht so leicht infiziert werden wie etwa Leute aus Europa. Deswegen testen wir jetzt diese Malaria-Sporozoiten-Impfung hier an diesem Institut noch einmal. Mitten im Malaria verseuchten Gebiet. Unser Ziel ist eine 90%ige Schutzwirkung."
    Bestehende Impfungen schützen nur zu 30 bis 50 Prozent. Ein 90%iger Schutz wäre Weltrekord.
    Medikamente von Afrika für Afrika. - Der Weg ist holperig. So gibt es noch nicht überall genügend wissenschaftliches Personal. – Für neue Medikamente braucht es zudem nicht nur Forschungsinstitutionen wie in Bagamoyo, es müssen auch ethische Grundlagen geschaffen werden. Wie bei uns auch, sind es in Tansania Ethikkommissionen, die die medizinische Forschung begleiten. So hat das Basler Tropen- und Public Health-Institut mitgeholfen, Ethikkommissionen in ganz Tansania auszubilden und aufzubauen. Marcel Tanner
    "Das sind zum Beispiel Fachleute, wo man schrittweise die Wege zu einer Kommission, die nicht nur überwacht, sondern, die vor allem animieren muss, dass diese Prüfungen von Impfstoffen nicht nur richtig ablaufen, aber auch schnell ablaufen. Es ist auch eine ethische Dimension, dass man relativ schnell Dinge, die wirken, zur Bevölkerung tragen kann."