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Mali
Der lange Weg zum Frieden

Vor vier Jahren wäre Mali als Staat beinahe gescheitert. Tuareg-Rebellen hatten den Norden des Landes bereits erobert. Eine französische Militärintervention konnte das Auseinanderbrechen des westafrikanischen Landes in letzter Minute verhindern. Seit Juli 2013 versucht nun eine Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen die prekäre Ruhe im Land zu erhalten. Doch der Weg zum Frieden ist weit.

Von Jens Borchers | 06.08.2016
    Junge Männer in der malischen Stadt Gao demonstrieren gegen Ungerechtigkeiten beim Friedensprozess - zwei Menschen starben dabei; Aufnahme vom 12. Juli 2016
    Junge Männer in der malischen Stadt Gao demonstrieren gegen Ungerechtigkeiten beim Friedensprozess - zwei Menschen starben dabei; Aufnahme vom 12. Juli 2016 ( SOULEYMANE AG ANARA / AFP)
    Ayouba Ag Mouslim hat seine Soldaten antreten lassen. Soldaten der Miliz Ganda Izo, was so viel bedeutet wie "Kinder des Landes". Und da stehen sie jetzt, die "Kinder des Landes". Junge Männer um die 20 Jahre alt: in Hab-Acht-Stellung, die Gewehre präsentiert, auf einer Art Kasernenhof am Rande der Stadt Gao, im Norden von Mali. Manche tragen abgerissene Uniformen, andere Jeans und T-Shirt. Ayouba Ag Mouslim hat sich als Stabschef der Miliz Ganda Izo vorgestellt. Er erteilt seine Befehle in schwarzer Trainingshose, buntem Hemd und Badelatschen.
    Ayouba sagt, diese jungen Männer seien Rebellen. Rebellen, die sich gegen Angriff, Raub und Vergewaltigung von Frauen in Mali gewehrt hätten. Die Miliz Ganda Izo habe mehr als 11.000 Kämpfer im ganzen Land - was nicht zu überprüfen ist. Milizen wie Ganda Izo gibt es viele in Mali. Ihre Gründungsgeschichten sind ungewiss, ebenso unklar ist, mit wem sie zusammenarbeiten, wer sie finanziert oder von wem sie ihre Waffen bekamen. Seine Soldaten verteidigten das Vaterland gegen Separatisten und Islamisten, sagt Ganda Izo-Stabschef Ayouba.
    Malische Soldaten fahren Mitte Juli in Gao in einem Pickup-Truck eine Straße hinunter 
    Malische Soldaten Mitte Juli in Gao (AFP / Souleymane Anara )
    Malis Norden währe beinahe an Islamisten gefallen
    Mali war vor vier Jahren beinahe zum gescheiterten Staat mutiert. Die Stadt Gao wurde damals kurzzeitig von Separatisten erobert. Von Tuaregs, die den bettelarmen Norden des Landes zu ihrem eigenen Staat machen wollten. Die mit islamistischen Extremisten zusammenarbeiten, die dort nur zu gerne ein Rückzugsgebiet etablieren wollten.
    Eine französische Militärintervention verhinderte das in letzter Minute. Die Franzosen befreiten auch die Stadt Gao. Seit Juli 2013 versucht eine Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen, MINUSMA genannt, die prekäre Ruhe im Land zu halten. Die MINUSMA soll auch den Friedensprozess in Mali stützen.
    Und in diesem Friedensprozess sollen Milizen wie Ganda Izo nun aufgelöst, entwaffnet und dann reintegriert werden. Ins Militär, in die Polizeikräfte. Das Ziel ist: Alle verschiedenen Gruppen dadurch zu beteiligen und zu besänftigen. Ganda Izo-Stabschef Ayouba Ag Mouslim beteuert auch, dass seine Miliz bereit sei an diesem Friedensprozess teilzunehmen. Und nicht nur dazu.
    "Wir arbeiten mit der Armee und mit allen anderen internationalen Militärs zusammen bei der Aufklärung, bei der Informationsbeschaffung. Wir kennen die Leute. Wir wissen, wer hier wer ist. Und wir helfen den anderen so bei der Aufklärung."
    Verteidigen. Helfen. Aufklären. Ayouba Ag Mouslim spricht, als habe seine Miliz keinerlei eigene Interessen. Nein, Ganda Izo bekomme weder Geld, noch Ausrüstung von der malischen Armee, sagt Ayouba. Mit dem grassierenden Drogen- und Waffenhandel in der Region Gao wolle seine Miliz nichts zu tun haben. Die Gruppe werde "vom Volk" finanziert. - Woher kommen dann die Waffen seiner Leute? Die Antwort klingt sehr patriotisch:
    "Du nimmst eine Kuh von deinem Vater. Oder zwei Hammel. Die verkaufst du und besorgst dir dann eine Waffe, um dein Land zu verteidigen. Und dein eigenes Leben. Du kommst und verteidigst."
    Beim Abschied lässt Stabschef Ayouba Ag Mouslim seine Soldaten singen: von der Ehre. Und von der Treue zu den Vorgesetzten.
    Die Ganda Izo-Kämpfer erhoffen sich etwas vom Friedensprozess in Mali. Ihre Anführer erklären, sie stünden auf der Seite der malischen Regierung. Andere Milizen haben zeitweise gegen die Regierung gekämpft, sich aber dann auf deren Seite geschlagen.
    Milizen schachern um politische Posten und Jobs
    Dafür sind sie Teil des quälend langsamen Friedensprozesses geworden. Wenn sie ihre Waffen abgeben, dann verspricht ihnen der malische Staat einen Job in der Armee. Oder bei der Gendarmerie. Oder bei der Polizei. Aber immer noch haben sie ihre Waffen. Immer wieder wird der Beginn des Entwaffnungsprozesses verzögert. Von Milizen, die zumindest zeitweise gegen die malische Armee gekämpft haben – bevor sie dann die Seiten wechselten. Jetzt schachern diese Milizen mit der Regierung um politische Posten und Jobs in Regionen wie Gao, Timbuktu oder Kidal. Politischer Einfluss und Jobs – das könnte der Preis für den Frieden sein. Aber nicht alle sehen das so.
    Unterwegs in Gao. Bettelnde Kinder, bettelnde Erwachsene an den Straßen. Viele Autos ohne Nummernschilder. Der Wagen ächzt und stöhnt auf den Sandpisten mit den riesigen Schlaglöchern.
    Mahamadou Cissé ist 34 Jahre alt, Lehrer und Mitglied bei den "jungen Patrouillen". Die hatten sich auch vor vier Jahren gebildet, als die Dschihadisten in Gao wüteten. Mahamadou Cissé zeigt Fotowände in der kleinen Unterkunft der "jungen Patrouillen".
    Cissé schildert, dass die jungen Patrouillen vor vier Jahren abends und nachts durch die Straßen bestimmter Stadtviertel gingen. Mit Messern und Knüppeln bewaffnet. Sie wollten Plünderungen und Vergewaltigungen verhindern. Jetzt engagieren sie sich für Projekte in einzelnen Stadtvierteln. Mahamadou Cissé sagt, in Gao gebe es verschiedene Quartiere, in denen die Kriminalität regiert – weil weder die Polizei noch die MINUSMA, die Stabilisierungstruppe der Vereinten Nationen, wirksam dagegen vorgehe:
    "Dort werden die Waffen gehandelt, dort sind die Ganoven, dort wird illegal gehandelt – mit Drogen oder was auch immer. In diese Stadtviertel müssten sie gehen."
    Ein deutscher Vertreter der UN-Mission MINUSMA und malische Polizei in der Stadt Gao eine Woche nach einem vermutlich islamistischen Anschlag auf ihren Konvoi mit zwei Toten; Aufnahme vom 18. Mai 2016
    Ein deutscher Vertreter der UN-Mission MINUSMA und malische Polizei in der Stadt Gao eine Woche nach einem vermutlich islamistischen Anschlag auf ihren Konvoi mit zwei Toten; Aufnahme vom 18. Mai 2016 (SOULEYMANE AG ANARA / AFP)
    Menschen fühlen sich von Polizei und Blauhelmen nicht geschützt
    "In diese Stadtviertel müssten sie gehen" – damit meint Cissé die Polizei und die Blauhelme der Vereinten Nationen. Viele Menschen in Gao fühlen sich weder vom malischen Staat noch von MINUSMA beschützt. Deswegen besorgen sich die Leute Waffen. Sie wollten nicht wehrlos sein gegen Banditen oder Extremisten.
    Jüngere Menschen in Gao fürchten nach wie vor, dass Dschihadisten und Milizionäre wieder zuschlagen könnten. Eben weil weder der malische Staat noch die MINUSMA ausreichend Schutz für die Zivilbevölkerung bieten. Viele haben sich – so gut es ging – vor vier Jahren gegen Milizen und Dschihadisten gewehrt. Dann haben sie ihre Waffen abgegeben. Schon bevor der Friedensprozess in Gang gesetzt wurde.
    Die jetzt immer noch bewaffneten Milizen sind nun Teil des Friedensprozesses und sollen eventuell mit Jobs im Militär, bei der Polizei oder der Gendarmerie versorgt werden. Deshalb fragen jetzt die Mitglieder der "jungen Patrouillen": Warum bietet uns eigentlich niemand einen Job an? Warum sollen die Kämpfer der Milizen versorgt werden – aber wir stehen weiterhin auf der Straße?
    Solche Fragen stellt auch Issa Boncana. Der 32-Jährige ist Vorsitzender eines Jugendverbandes in Gao. Er hat eine Demonstration organisiert. Boncana schickte ein Protestschreiben an die Regierung in Bamako. "Wir wollen keine Gewalt", antwortet Boncana auf die Frage, was passiert, wenn die Regierung nicht auf die Forderungen seines Verbandes eingeht. "Wir protestieren friedlich", sagt er, doch die Gesamt-Situation in Gao, die sei explosiv:
    "Es gibt tausende Waffen in dieser Stadt. Manche sind von den Behörden eingesammelt worden, viele Waffen sind aber auch einfach verschwunden, keiner weiß, wo sie sind. Irgendwann könnten diese Waffen wieder eingesetzt werden und das Friedensabkommen damit scheitern."
    Desolate Lage für die junge Leute in Gao
    Issa Boncana spricht ruhig. Aber er ist wütend, das ist zu spüren. Viele finden keine Arbeit in Gao. Dschihadisten locken junge Leute mit Geld und mit frommen Sprüchen. Auch deshalb meint Boncana, müsse die Regierung dringend etwas für junge Leute tun. Denn wirtschaftlich hat sich Gao noch lange nicht von den Unruhen erholt.
    Auf dem Markt im Stadtzentrum hat der Händler Boubakar einen kleinen Stand: "Das Problem ist, an Ware zu kommen", sagt Boubakar, "es gibt viele Überfälle, die Waren werden gestohlen." Diese permanente Unsicherheit ist das eine Problem. Das andere ist die miserable Infrastruktur. Ein paar Marktstände weiter verkauft Asseita Fondo Gemüse. Die stämmige Frau hat fünf Kinder im Alter zwischen vier und 14 Jahren. Und sie schimpft auf den Gouverneur:
    "Wir Händler zahlen doch Steuern. Aber wenn wir etwas vom Gouverneur brauchen – dann kommt nichts", sagt Asseita. Auch Mariam Maiga beklagt sich über die schwierigen Zustände. Sie war 2012 ebenfalls vor den Dschihadisten geflohen, mit ihren sechs Kindern. Nach der Befreiung Gaos kam sie zurück. Nichts war mehr so wie früher. Viele Häuser geplündert und zerstört. In anderen hatten sich einfach Menschen einquartiert. Der Strom fiel immer wieder aus. Und heute?
    "Es gibt Stadtviertel, in denen gibt es weder Trinkwasser noch Abwasserrohre oder eine Müllabfuhr. Es sind mehrere Quartiere, die Trinkwasser brauchen. Dieses Jahr gibt es sowieso wenig Wasser, es herrscht große Trockenheit. Die Frauen sind erschöpft, weil sie sich das Wasser zum Kochen von weit her holen müssen."
    Alle diese Nöte kennt der Gouverneur von Gao. Sedou Traoré ist von der Zentralregierung in die Stadt entsandt worden, um dort die Verwaltung zu managen. Traoré managt den Mangel. Er müsse die staatlichen Institutionen erst mal wieder in Gao etablieren, sagt der Gouverneur. Aber das geht nur, wenn politische Entscheidungen getroffen werden. Personalentscheidungen. Oder, noch viel wichtiger, strukturelle Entscheidungen: Welche Behörde ist wofür zuständig? Diese Entscheidungen werden immer wieder angekündigt und dann doch verschoben. Weil verzögert und gestritten wird. Und deshalb können Projekte weder geplant noch umgesetzt werden. Gouverneur Traoré nennt als Beispiel die Wasserversorgung in Gao:
    "Eine simple Analyse wird Ihnen zeigen, dass unsere Wasserleitungen für so viele Menschen und so viele Stadtviertel nicht ausreichen. Die waren mal auf sechs- oder siebentausend Menschen ausgelegt. Heute hat Gao 60.000 Einwohner."
    60.000 Einwohner, aber keinen Plan und kein Geld für den notwendigen Ausbau der Wasserversorgung. Im Radio und Fernsehen hören die Menschen von Hilfszusagen aus dem Ausland, sagt Gouverneur Traoré:
    "Da stellen die Leute Fragen: Sie hören, dass 300 Millionen Dollar Hilfsgelder zugesagt wurden. Aber nichts kommt hier an. Kein Projekt entsteht. Gleichzeitig kommen dann Hilfsorganisationen hierher. Sie fangen irgendein Projekt an, unkoordiniert. Gerade so, als wäre der malische Staat hier gar nicht vorhanden. Das alles müssen wir korrigieren."
    Das geschieht aber bisher nicht. Seit Monaten sollen Übergangsverwaltungen geschaffen werden – Fehlanzeige. Viele Staatsdiener sind wegen der prekären Sicherheitslage vorsichtshalber aus Gao weggezogen – ihre Arbeit bleibt liegen. Stattdessen nimmt die Kriminalität zu: Überfälle, Diebstähle, Drogenhandel. Milizen behaupten, die Bevölkerung verteidigen zu wollen, weil der Staat es nicht könne. Aber die Grenzen zwischen Milizen, Drogen-Banden und Dschihadisten, die sind fließend. Gouverneur Traoré bestreitet das nicht:
    "Oft wird Rebellion mit der Sicherheits-Krise gerechtfertigt. Aber diese Sicherheits-Krise wird von Drogenhändlern verschärft, die ihre Routen brauchen. Die Drogen-Route. Die Zigaretten-Route. Die Benzin-Route. Das alles läuft hier über die Region. Gao ist eine Kreuzung. Das zeigt die Geschichte. Gao ist bekannt als Handelsplatz. Die Drogen und die Zigaretten – das sind Zeichen der Zeit. Wir sind ja nicht die Abnehmer, wir sind die Transitzone. Und es bedarf erheblicher Mittel, großer Aufwendungen, um dagegen anzugehen."
    Bevölkerung beklagt das Versagen der Regierenden
    Gouverneur Traoré versucht in Gao, den Staat wieder zu etablieren. Ein paar Kilometer weiter sitzt der Musiker Nasser Maiga in seinem winzigen Wohnzimmer auf dem Boden und singt. Sein Lied ist eine Warnung:
    "Passt auf, ihr Regierenden" – singt Nasser. Er ist Musiker in Gao, im Norden von Mali. Die Politiker in der 1000 Kilometer entfernten Hauptstadt Bamako sollen aufpassen, dass ihnen die Bevölkerung nicht aufs Dach steigt. Nasser Maiga war vor vier Jahren vertrieben worden, als die Dschihadisten Gao besetzt hatten. Nach der Befreiung kam Nasser zurück und versucht jetzt, sich wieder ein normales Leben aufzubauen. Er singt von all den Schwierigkeiten, mit denen die Menschen in der Region täglich kämpfen:
    "Ich möchte den Regierenden sagen, dass sie den armen Leuten kein Geld bezahlen müssen. Man braucht Krankenhäuser, man braucht Lebensmittel, Medikamente, man braucht Trinkwasser. Das wird gefordert. Und es kommt nicht."
    Wie so viele andere in Gao beschreibt der Musiker die Unsicherheit in der Stadt und in der Region Gao. Die Überfälle. Die Furcht der Menschen. Und die zunehmende Wut in der Bevölkerung. Deshalb hat Nasser Maiga seine musikalische Warnung geschrieben: "Passt auf, Ihr Regierenden!"
    Von der Hauptstadt Bamako aus soll Mali gesteuert werden. Aber viele fragen sich: Was sind die Prioritäten des Präsidenten Keita und seiner Regierung?
    In der Abendsendung des Staatsfernsehens können die Menschen in Mali verfolgen, welchen Stellenwert manche Themen haben. Wichtigste Meldung an einem Tag im Juli:
    Das Logo für das Gipfeltreffen der Afrikanischen Staaten und Frankreichs wurde in Bamako präsentiert. Nur das Logo. Das Gipfel-Treffen selbst findet im Januar statt. Dennoch nehmen an der Präsentation des Logos für diese Konferenz der Staats- und Regierungschefs die wichtigsten Persönlichkeiten Malis teil: der Präsident, der Premierminister, diverse Minister, ein großer Teil des diplomatischen Corps.
    Villen für den Afrika-Frankreich-Gipfel kosten 6 Millionen Euro
    Für die Präsentation eines Logos nehmen sich die Persönlichkeiten einen halben Tag Zeit. Viele Malier verstehen das nicht. Und viele sprechen verärgert über die 14 neuen Villen, die jetzt in Bamako gebaut werden. Damit die Staatsgäste beim Afrika-Frankreich-Gipfel standesgemäß untergebracht werden können. Die Kosten für die Neubauten: sechs Millionen Euro. Das ist sehr viel Geld in einem der ärmsten Länder der Welt.
    Katja Müller leitet das Büro der SPD-nahen Friedrich Ebert-Stiftung in Mali. Sie bemerkt auch in der Hauptstadt Bamako Veränderungen im gesellschaftlichen Klima:
    "In Bamako haben wir in den letzten Wochen auch zunehmend Demonstrationen gesehen. Das ist ja eigentlich nicht so ein übliches Bild hier in der Hauptstadt, dass es große Demonstrationen gibt. Aber es gab Demonstrationen, die von der Gewerkschaft, aber auch von der Zivilgesellschaft oder von der Opposition ins Leben gerufen wurden und die mittlerweile mehrere tausend Menschen auf die Straße bringen. Und der Frust gegenüber der Regierung ist enorm. Das liegt eben daran, dass man das Gefühl hat, man ist eben wieder zu einem business as usual zurückgekehrt: was Vetternwirtschaft anbetrifft, was Korruption anbetrifft. Und es gibt keinen spürbaren Fortschritt."
    Keine Verwaltung, aber viel zu viele Waffen
    Soumaila Cissé gilt als Oppositionsführer in Mali. Er war bei den Präsidentschaftswahlen 2013 gegen Ibrahim Boubakar Keita angetreten und hatte verloren. Im konsens-orientierten Mali sind Oppositionspolitiker üblicherweise eher zurückhaltend mit Kritik am Präsidenten. Soumaila Cissé wird mittlerweile sehr deutlich:
    "Im Norden von Mali gibt es keine Verwaltung. Die Schulen sind an vielen Orten geschlossen. Auf den Straßen herrscht permanente Unsicherheit. Hinzugekommen sind noch die Probleme im Zentrum des Landes. Im Zentrum gibt es niemanden, mit dem verhandelt wird. Dschihadisten-Gruppen wie die des Predigers Koufa sind da. Aber im Zentrum gibt es nicht mal Bewegungen, mit denen man über eine Lösung der Probleme reden könnte."
    Das Zentrum von Mali – damit ist die weitläufige Region um die Stadt Mopti gemeint. Seit Monaten nimmt dort die Zahl der Anschläge und Überfälle zu. Mitte Juli starben 17 malische Soldaten in der Region bei einem Terror-Angriff auf einen Militärstützpunkt, 35 weitere wurden verletzt.
    Jean-Hervé Jezequel von der International Crisis Group hat eine Studie zu dieser Entwicklung gemacht. Jezequel beschreibt die Lage in Zentral-Mali als eine Mischung aus Konflikten zwischen unterschiedlichen Volksgruppen und zunehmender Aktivität von Dschihadisten:
    "Heutzutage sind die Konflikte durch die überall kursierenden Waffen, durch die Professionalisierung von Gewalt und durch radikale Gruppen schlimmer geworden. Und besorgniserregend ist, dass der malische Staat nicht präsent ist. Oder nicht in der Lage, die vielfältigen Spannungen friedlich zu lösen."
    In dieser schwierigen Situation hat die Stabilisierungstruppe der Vereinten Nationen, die MINUSMA, die Aufgabe, den Friedensprozess in Mali zu stützen. Und sie soll die Zivilbevölkerung schützen. Oft sind die Blauhelme aber vor allem damit beschäftigt, sich selbst und ihre Versorgungs-Transporte zu sichern. Deshalb wird die MINUSMA in Mali oft kritisiert. General Michael Lollesgaard, Kommandant der MINUSMA, erinnert daran, dass die Stabilisierungstruppe nur begrenzte Möglichkeiten hat:
    "Der politische Prozess ist alles. Wir können das letztlich nicht mit Soldaten lösen. Wir können vielleicht etwas dämpfen, stabilisieren. Aber letztlich geht es um eine politische Lösung, in die alle eingebunden sind und die auch dem Norden von Mali Entwicklung bringt."
    Im Norden von Mali kommt es aber immer wieder zu Gefechten zwischen rivalisierenden Milizen. Gruppierungen, die im Friedensprozess entwaffnet werden sollen. Doch der Friedensprozess, diese viel beschworene politische Lösung, scheint zurzeit nicht voran zu kommen. In Mali nehmen stattdessen die soziale Unruhe, die Wut auf die Regierung und die Unsicherheit weiter zu.
    Ein Bundeswehrsoldat setzt sich im Camp Castor in Gao in Mali den Helm mit dem Logo der Vereinten Nationen auf.
    Ein Bundeswehrsoldat setzt sich im Camp Castor in Gao in Mali den Helm mit dem Logo der Vereinten Nationen auf. (picture alliance / dpa)