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Mali
Hoffen auf Touristen in der Stadt aus Lehm

Die Stadt Djenne in Mali ist eine der alten Städte des einstigen Trans-Sahara-Handels. Ihre einzigartige Lehmarchitektur brachte ihr den Titel des UNESCO-Weltkulturerbes. Doch die Touristen bleiben seit den blutigen Auseinandersetzungen zwischen Islamisten und Militär aus.

Von Michael Magercord | 09.02.2014
    Frau sitzt vor einem Lehmgebäude, Vogelperspektive
    Die Lehmarchitektur von Djenne ist weltberühmt. (FRANCOIS XAVIER MARIT / AFP)
    Montag, Markttag in Djenne. Schon früh morgens reges Treiben, die Händler und ihre Ware kommen aus ganz Mali und angrenzenden Staaten Westafrikas: Obst, Gemüse oder Fische aus dem Nigerfluss - Haushaltswaren, Radios, oder auch Fußbälle - aus Plastik.
    "Kaufst du mir einen Fußball?" bittet ein Junge.
    "Schau, da sind sie doch", sagt er, "warum kaufst du mir keinen? Alle haben einen Ball, nur ich nicht". Seine Freunde stimmen ein.
    Ein Händler kommt aus Nigeria, im Angebot hat er Obama-T-Shirts.
    Schlecht sei es in Mali, sagt er, das Wetter tue seinem Körper nicht gut.
    "Und schau Dir ihre Häuser an", fordert er auf, "alles aus Lehm. Man lebt immer in der Angst, dass sie gleich zusammenbrechen werden. Und schau dich um, in Nigeria gibt es solch ärmliche Märkte nicht. Bei uns der Platz wenigstens geteert. Sie haben keinen Strom, keine Fabriken, sie können nichts produzieren, es ist ein armes Land."
    Nilpferdhaut statt westlicher Medizin
    In einer versteckten Ecke, gleich bei der großen Moschee, hat ein Mann seine Ware auf einer Wolldecke ausgebreitet - aber was eigentlich?
    "Das ist aus dem Kopf einer Hyäne - Das ist vom Strauß - Das ist Fett von Löwen. Es ist traditionelle Medizin, sie hilft bei Problemen mit den Nieren, oder Muskelkater, Trägheit, Schluckauf. Und das sind Nervenstränge, auch vom Löwen, sie sind gut für das Gedächtnis, für jene, die schnell vergessen. In diesen Töpfen ist Pulver, ein Pflanzenextrakt, es hilft bei Karies, Magengeschwür, Diabetes."
    Der Mann ist Arzt oder besser Apotheker. Ein Kunde in einem wallenden Gewand lässt sich ein kleines Stückchen aus einer großen Platte, die aus mehreren unterschiedlich farbigen Schichten besteht, heraussägen.
    "Das ist getrocknete Nilpferdhaut. Er hat nicht nach Rat gefragt, er wird es entsprechend seiner Kenntnisse verwenden. Die meisten Afrikaner wissen, wozu dieses und jenes dient. Oft kennen sie noch andere Anwendungsmöglichkeiten als wir. Wenn mich jemand fragt, sage ich ihm, was er nehmen soll. Ich gebe ihm die Nummer meines Mobiltelefons. Wenn es nicht wirkt, kann ich ihm mit dem Linienbus was anderes zukommen lassen. Wir bleiben in Kontakt.
    Ich war mit meinen Eltern immer im Busch auf die Jagd gegangen und habe gesehen, welcher Baum, welche Pflanze, welche Tiere gut sind. Mein Großvater war Jäger, mein Vater auch, es ist wie ein Erbe. Was ich den Menschen verkaufe, nehme ich auch selbst. Westliche Medizin findet man zwar überall, aber jeder hat seine Methode. Unsere Produkte sind billiger, das Leben ist heutzutage schwer, die, die Geld haben, gehen zur Apotheke, die anderen finden hier etwas Billigeres."
    Kein Reiseanbieter hat Mali im Programm
    In der Ecke vom großen Markt von Djenne, gleich unter dem Minarett der großen Moschee, dort wo der Händler mit der traditionellen Medizin steht, da stehen die Eckensteher und sagen: "Wenn wir Geld haben, nehmen wir nur westliche Arzneien".
    Die Stadt Djenne in Mali, berühmt wegen ihrer Lehmarchitektur, die kleine Schwester von Timbuktu. Jahrhunderte ein Kreuzungsort des Transsahara-Handels. Wichtigste Zeugnis der goldenen Zeit ist die große Moschee, und geblieben ist der Montagsmarkt.
    Mali, große Moschee von Djennei
    Die große Lehm-Moschee von Djenne. (AP)
    Früher waren noch Touristen unter den Marktbesuchern, allerdings weniger als Kunden, denn als Neugierige. Das ist vorerst vorbei. Kein Reiseanbieter hat Mali zur Zeit im Programm. Der Gang über den Markt und seiner Umgebung war immer schon immer wie eine kleine Reise irgendwo zwischen Tradition und Moderne. Das zeigte sich nicht nur im Angebot von Küchengeräten bis zur Nilpferdhaut, sondern auch in einem alten und einem neuen Gebäude neben der großen Moschee.
    In dem neuen Gebäude befindet sich die Manuskriptsammlung von Djenne. Es ist wie die alten Häuser ganz aus Lehm erbaut. "Marrokanischer Stil", sagt der Bibliothekar Abubakar Djaru.
    "Die Manuskripte befanden sich im Besitz der alteingesessenen Familien. Durch einen Aufruf der Dorfältesten und der Marabuts haben die Menschen schließlich verstanden, dass die Manuskripte bei ihnen schlecht aufbewahrt sind. Wir sind dabei, alle Manuskripte von Djenne hier zu versammeln. Das älteste Buch in der Sammlung stammt aus dem 14. Jahrhundert. In der Stadt gibt es sogar welche aus dem 11. Jahrhundert. Es sind Bücher, die von den Vätern an die Söhne weitergegeben werden."
    Lebendige Schriften
    Etliche Hunderte von Büchern und dicken Bänden lagern noch etwas unsortiert in den Schränken, Staubkästen und Regalen. Diese Sammlung, mit deren Aufbau erst vor fünf Jahren begonnen wurde, gewann an Bedeutung, seit wichtige Stücke großen Bibliothek von Timbuktu von den islamistischen Besatzern verbrannt worden sind. In einer gemeinschaftlichen Anstrengung haben freiwillige Helfer kürzlich die Lehmfassade neu verputzt und eine Vereinbarung mit einem britischen Geldgeber ermöglicht nun die Begutachtung der Manuskripte.
    Man sichte nun deren Inhalte, sagt der Abubakar Djaru. Es nicht nur Koranausgaben, ihre Texte handeln von Geschichte, Geografie, Astronomie, traditionelle Medizin, Philosophie, Wissenschaft, Architektur und vor allem Magie. Geschrieben sind sie meist in arabischer Schrift, die oft aber nur phonetisch genutzt wird für die Verschriftung der schriftlosen Sprachen der Bambara und Peul.
    "Wenn ich einen Text aus dem 14. Jahrhundert lese, dann stoße ich auf die Ideen, das Wissen und all die Weisheiten wieder, welche mir schon meine Großeltern vermittelt haben. Alles darin ist noch lebendig."
    Papiere stapeln sich auch im älteren, ziemlich schlichten Gebäude gleich neben der prächtigen Manuskriptsammlung. Allerdings sind dies alles bloß Akten und die sind noch nicht sehr alt.
    "Dies ist das Büro für die Ausgabe von Mikrokrediten. Wir sollen durch die Bewilligung von Darlehen die Menschen in ihrem Bemühen durch eigene Unternehmungen unterstützen, um so die Armut auszumerzen“, sagt einer der beiden Angestellten."
    Armut bekämpfen mit Mikrokrediten
    Bis auf einige Handwerksbetriebe, deren Produkte meist den Souvenirbedarf deckten, gibt es kaum produzierendes Gewerbe. Gleich neben der großen Moschee befindet sich in einem einfachen Gebäude das Büro für die Ausgabe von Mikrokrediten, das für Abhilfe sorgen soll. Doch die unerledigten Akten stapeln sich bis unter die Decke.
    "Wir analysieren alle eingereichten Geschäftspläne, wägen die Probleme der beabsichtigten Unternehmen mit den Chancen ab. Wir müssen sehen, ob der Antragsteller auch die Zahlung der Zinsen und Tilgung der Schuld auch leisten kann, denn wir wollen ja schließlich Armut bekämpfen und keine neue schaffen."
    Der Aktenstapel sind bereits bewilligte Anträge, die auf Auszahlung warten. Früher war der Tourismus der Motor für die Entwicklung des Kleingewerbes in Djenne. Vor allem Frauen hatten von Mikrokrediten profitiert, aber nun gibt es kein Geld, das die beiden auszahlen könnten.
    "In Djenne wie auch anderswo in Afrika sind vor allem die Frauen, die sich für Projekte engagieren. Etwa Schneiderinnen, die sich zu einer Kooperative zusammenschließen möchten. Frauen wollen ihren Mann unterstützen oder das Schulgeld für die Kinder verdienen. Es gibt viele gute Ideen, daran mangelt es nicht, aber an Geld. Wir haben keins."
    Bewahrung des kulturellen Flairs
    Djenne ist eine alte Stadt, ihre frühsten Zeugnisse reichen 2.500 Jahre zurück, in seiner heutigen Form existiert sie seit dem 14. Jahrhundert, und trotzdem wird sie immer wieder neu erbaut. Die Lehmarchitektur verlangt nach stetiger Bearbeitung, womit das alte Djenne in der Moderne angekommen ist. Damit nämlich die nötigen Renovierungen auch immer wieder im alten Stil und mit altem Material ausgeführt werden, bedarf es heutzutage einer wachsamen Nicht-Regierungs-Organisation, denn mit Backstein und Beton stehen moderne Alternativen bereit.
    "Die Organisation Djenne Patrimoine hat sich die Bewahrung des kulturellen Flairs von Djenne zum Ziel gesetzt. Der Stil von Djenne ist zwar nicht einzigartig, trotzdem hat sich eine ganz eigene Bauweise herausgebildet mit den lokalen Materialien: Lehm, Holz, Reisreiser, Butter. Die Menschen wollen trotzdem modern leben, und für sie heißt das: Bauen in Beton. Viele Menschen leben von den Renovierungsarbeiten, und das Material ist von hier, also auf lange Sicht viel billiger zum Vergleich mit dem Import von Zement. Wir können schöne Häuser aus nachhaltig erzeugtem Material einzig mit unseren Mitteln bauen, warum sollten wir Materialien anderswo suchen?"
    Amadou Tahirou Bah ist der Vorsitzende der Organisation, die sich zusammen mit einer Partner-Organisation französischer Architekten um den Erhalt der alten Bauweise bemüht. Djenne genießt den Status eines UNESCO-Weltkulturerbes, der für die Aufmerksamkeit der Reiseveranstalter gesorgt hat und Touristen in die Stadt brachte.
    Amadou Tahirou Bah wohnt selbst in der Altstadt. Er stammt aus einer alteingesessenen Familie, und gilt so auch als Vorsteher eines der Stadtviertel und angesehener Vermittler, zu dem die Menschen kommen und ihre Sorgen besprechen.
    "Immobilienmakler? Gibt es nicht"
    Als Vorsitzender seiner Nicht-Regierungs-Organisation zum Erhalt der alten Architektur geht es ihm dabei vor allem auch um die gewachsene soziale Struktur in der Stadt.
    "Djenne ist eine kosmopolitische Stadt, darin leben Bozo, Peul, Bamana, Songui, Bobo und viele andere Stämme harmonisch zusammen. Daran hat die Architektur einen großen Anteil. Die Häuser kleben quasi aneinander, die Nachbarn kennen sich alle, somit hat der Stil dazu beigetragen, dass sich die Menschen trotz der unterschiedlichen ethnischen Herkunft miteinander verbunden fühlen. So ein Haus ist auch keine Handelsware wie in Europa, wo wir nach Belieben aus- und einziehen können. Das Haus ist wie das Leben eines Menschen und seiner Familie. Wir dürfen es nicht verkaufen oder Hypothek darauf aufnehmen. Das Haus ist heilig. Es kommt selten vor, dass jemand sein Haus verkauft. Immobilienmakler? Solche Leute gibt es bisher in Djenne nicht."
    Schon am Nachmittag legt sich wieder der Staub über dem großen Markt von Djenne und der Alltag kehrt zurück - und das heißt zunächst, den Müll, den das bunte Treiben hinterlässt, wegzuräumen.
    "Früher hatten wir Kalabassen, heute nur noch Plastiktüten. Heute kaufst du Früchte und sie werden in eine Plastiktüte gesteckt, du isst sie und wirfst die Tüte weg. Das eine ist der Ausdruck des alten Denkens, das andere des neuen", sagt ein junger Mann. "Wir erkennen nun den Nachteil des Plastiks und die Notwendigkeit, zu den Kalabassen zurückzukehren", sagt er und fügt hinzu: "Das alte Denken war also gar nicht so schlecht. Jetzt ist das Plastik ist überall, die Tiere fressen es und sterben daran, und wenn wir es verbrennen, dann atmen wir giftigen Qualm: Die alten Behälter waren also gut und somit ist auch unser altes Denken normal, und wir müssen es bewahren."
    "Es herrscht nicht mehr der Geist der Großfamilie"
    Im Volkshaus, dem örtlichen Veranstaltungssaal, ist eine Ausstellung über die alte Architektur von Djenne eingerichtet. Tagsüber finden sich dort junge Leute ein, sie tauschen sich aus über ihrer Stadt, ihr Leben darin und - selbst wenn es zunächst nicht so scheint - über ihre Zukunft.
    "Als ich Kind war, war die Stadt ganz sauber, jeder hat vor der Tür gekehrt, heute ist die Stadt dreckig."
    ... meldet sich ein zweiter der jungen Männer zu Wort, und ein dritter sagt:
    "Als ich Kind war, war das Leben schön, wir lebten in großen Familien zusammen. Nun hat die Dürre dazu geführt, dass viele Menschen weggegangen sind, und man nur noch in kleinen Familien lebt. Zuvor hatten wir in großen Familien gelebt, mit 50 bis 60, oft sogar 100 Mitglieder. Die Kosten lassen das nicht mehr zu. Ein Familienoberhaupt kann nicht mehr für alle Brüder und Cousins und alle ihre Kinder sorgen. Früher wurden alle Ernteerträge und Einkünfte zusammengelegt, aber nun leben die Brüder jeder mit seiner Frau und den Kindern allein. Die Familien wohnen oft noch auf derselben Hofstelle, aber jedes Geschwisterteil unterhält seinen eigenen Haushalt. Es herrscht nicht mehr der Geist der Großfamilie."
    Früher, sagt der junge Mann, war das Leben leicht, es gab Fische, Reis, alle aßen, bis sie satt waren, wenn aber heute das Gehalt nicht reicht, gibt es auch nichts zu essen.
    "Es ist eine Geldwirtschaft geworden. Wegen des Geldes müssen sich alle individualisieren. Es herrscht Konkurrenz, jeder muss seinen Weg finden und für sich allein kreativ werden. Das ist der Modernismus, aber der hat auch seine guten Seiten. Man hat mehr freie Gedanken und Energien, wenn man nur noch für fünf Menschen sorgt, als immer auch an das Schicksal von noch 60 weiteren Menschen denken muss."
    Jugend wird aktiv
    In Mali gibt es Jugendräte auf allen Ebenen, national, regional und lokal. "Diese Räte sollen den Jungen eine starke Stimme geben", erklärt ein dritter der jungen Aktivisten, der dem Rat von Djenne angehört. "Wir machen etwas Krach, um für unsere Projekte zu kämpfen". Eine Aktion zur Sauberkeit hatten die Jungen in Djenne durchgeführt, im Krankenhaus und der Schule. Und mit den Frauen habe man am nationalen Wettbewerb um den Titel für die sauberste Stadt Malis teilgenommen.
    "Wir wollen noch viele weitere Projekte umsetzen, aber für ist das wichtigste die Wiederaufforstung, denn dann wird auch wieder der Regen fallen. Dann werden die Flüsse Wasser führen und die Ernten wieder besser. Wenn wir genug Reis oder Hirse haben, kann man mit 500 Franc CFA pro Tag und Familienmitglied, also einem Euro, wieder gut leben. Ist die Ernte schlecht, genügen nicht einmal 2.000 Franc."
    Und er hofft, dass auch die einst wichtigste Geldquelle bald wieder sprudeln wird. Auch deshalb will die Jugend die alte Architektur nicht verändern.
    "Die alte Architektur steht für die lange Geschichte der Stadt. Die große Moschee ist das größte Lehmgebäude der Welt, sie hat Touristen hierher gebracht. Die Touristen sollen kommen, denn eine Gesellschaft ist gesünder, wenn darin etwas Geld zirkuliert. Touristen kaufen bei diesem oder jenem etwas oder geben mal hier mal da eine kleine Spende. Wir zögen es allerdings vor, sie würden direkt in unsere Projekte investieren. Das wäre besser, als bloße Geschenke oder der Kauf eines Souvenirs. Es würde unsere Entwicklung eher fördern, als nur die Individualisierung weiter beschleunigen."
    "Mit unseren eigenen Mitteln werden wir nicht weiterkommen", meldet sich noch mal der Erste zu Wort. "Wir haben keine Wahl, an der Globalisierung müssen wir teilhaben. Doch die moderne Industrie und ihre Fabriken sind bloß dazu da, das Leben leichter zu machen. Aber mit dieser Art der Leichtigkeit bekommen wir ihre Nachteile nicht n den Griff. Zum Beispiel die Umwelt: Wir haben die Bäume einfach abgeholzt, ohne welche nachzupflanzen, und siehe: Nach nur vier, fünf Jahren ist der Boden ärmer. Wir können uns nicht mehr weiterentwickeln nur mit unseren eigenen Mitteln, doch wir müssen das Alte und Neue vereinen, denn im Grunde ist alles modern, wenn das Alte im Modernen mit drinsteckt“, sagt er und alle stimmen zu.
    "Früher war alles gut"
    Hinaus aus der Stadt, einige Kilometer über holprige Wege. Graubraunes Grasland, ein paar dürre Bäume: eine Weide. Im letzten Tageslicht werden die Kühe gemolken, aus den faltigen Eutern spritzt ihr bisschen Milch in eine Blechschüssel.
    Es ist die Herde der Familie von Amadou Sow. Er und seine Brüder kümmern sich um das Vieh.
    "Wir sind vom Volk der Peul, wir sind Hirten. Wir kennen alle unsere Tiere und wir wollen sie eigentlich beinanderhalten, aber es geht nicht mehr. Die Dürre, Krankheiten, du hast unsere Kühe gesehen, sie sind so mager. Wir müssen nun einige verkaufen und von der Herde trennen. Dasselbe geschieht in den Familien. Früher war alles gut. Alle hatten genug zu essen und konnten ruhig schlafen. Man lebte zusammen, und du wusstest nicht einmal, wer dein Vater ist, wer deine Mutter, alle waren gleich. Heute streiten sich alle, niemand hat mehr genug zu leben, jeder ist verärgert, alle haben Hunger und jeder kümmert sich um seine eigenen Sorgen und Nöte. Deshalb will ich eine Organisation gründen, die die Menschen für Familienplanung sensibilisiert. Viele glauben, Familienplanung betreiben hieße, dass man gar keine Kinder mehr haben dürfe. Aber langsam verstehen sie es besser. Jetzt will ich noch ein Waisenhaus einrichten für elternlose Kinder. Viele Kinder werden außerhalb der Ehe geboren, sie werden von den Familien als Schande empfunden, niemand kümmert sich um sie. Ich habe an viele Türen geklopft, aber es gibt kein Geld."
    Heiraten ja, Kinder nein
    Amadou Sow ist sicher nicht der Einzige, der für seine Projekte auf das Geld hofft, das die Touristen - kämen sie denn wieder - in sein Projekt stecken würden, wenn sie nur das Elend sähen, aber auch das Lachen der Kinder. Für sich selbst hat er schon jetzt eine Konsequenz aus der Realität gezogen und eine folgenschwere Entscheidung getroffen.
    "Ich will gar nicht erst Kinder haben. Heiraten will ich aber schon, nur werde ich hier nie eine Frau finden, die keine Kinder haben möchte. Die Frauen sagen: Du bist verrückt, aber ich sage: Nein, ich habe das Problem erkannt! Ich sehe all die Kinder und empfinde tiefes Mitleid! Mir ist jede Frau willkommen, selbst wenn sie behindert wäre. Wir werden heiraten und es wird aus Liebe sein. Doch es muss eine Frau sein, die keine Kinder will - ich lebe in Djenne und bin 30 Jahre alt."