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Malis Bevölkerung lebt in Angst

Noch längst sind die Islamisten in Mali nicht besiegt, sie führen nun einen asymmetrischen Krieg. Und auch in den offiziell befreiten Städten geht unter der Bevölkerung weiterhin die Angst um. Optimisten hoffen aber auf eine "zweite Befreiung" des Landes, auf einen demokratischen Neubeginn.

Von Alexander Göbel | 16.03.2013
    Auch die Lage in Timbuktu bleibt unsicher für die Menschen dort.
    Auch die Lage in Timbuktu bleibt unsicher für die Menschen dort. (picture alliance / dpa / Philippe De Poulpiquet)
    Das Gebirge Adrar des Ifoghas im hohen Nordosten Malis: Schauplatz der entscheidenden, aber auch der schwierigsten Phase des Krieges gegen die Islamisten. Ein asymmetrischer, ein verlustreicher Krieg – ein Krieg gegen einen unsichtbaren Feind.

    Den französischen Kampfjets und den Predator-Drohnen gehen die Ziele aus. Französische und tschadische Bodentruppen müssen sich mühsam Meter für Meter vorkämpfen, durch unbekanntes Gelände, bei 50 Grad Hitze und extremer Lebensgefahr.

    Das Ifoghas-Gebirge ist größer als Großbritannien und eines der am wenigsten erschlossenen Gebiete Afrikas: das ideale Rückzugsgebiet für Terroristen. Hier haben sie Tunnelsysteme gebaut, in zahlreichen Höhlen und Grotten sollen sie große Mengen an Waffen und Munition versteckt haben – und möglicherweise auch die französischen Geiseln, die Al Kaida im Islamischen Maghreb seit mehr als zwei Jahren in ihrer Gewalt hat. Adrar des Ifoghas, das ist Malis Tora Bora - die Bergfestung der Islamisten. Mehr als einhundert Kämpfer haben die alliierten Truppen nach eigenen Angaben bereits getötet – niemand weiß, wie viele Islamisten in den Höhlen noch Widerstand leisten.
    Rückblick: Bamako, 2. Februar. Zehntausende begeisterte Menschen begrüßen Frankreichs Präsident François Hollande. Auch Malis Übergangspräsident Dioncounda Traoré feiert Hollande als Malis Befreier. Am Morgen hatten die beiden Staatschefs gemeinsam Timbuktu besucht.

    "Dank ihnen, Herr Präsident, dank der entschlossenen Intervention Frankreichs konnten viele wichtige Städte befreit werden. Konna, Diabali, Douentza, Gao, Timbuktu – weitere werden folgen."

    Der "Place de l'Indépendance" im Zentrum der Hauptstadt ist übersät mit malischen und französischen Fahnen. Ein symbolischer Ort, ein historischer Tag: Seit dem 11. Januar, nach dem Überfall der Islamisten auf Konna, kämpft die ehemalige Kolonialmacht Frankreich mit mehr als 4000 Soldaten an der Seite Malis gegen die islamistische Bedrohung. Es sei auch ein Kampf für Malis zweite Unabhängigkeit, so Hollande – und dieser Kampf sei noch nicht vorbei.

    "Der Kampf geht weiter. Die Terroristen haben schwere Verluste hinnehmen müssen. Aber sie sind noch nicht besiegt! Deswegen wird Frankreich weiter an der Seite Malis stehen – so lange wie nötig!"
    Das Fahnenmeer ist geblieben, doch der Jubel ist verflogen. Gewichen ist er der Angst vor der Zukunft. Viele Menschen sind besorgt, denn die Sicherheitslage ist alles andere als stabil, auch in den offiziell befreiten Gebieten. Dennoch will Frankreich seinen Einsatz so bald wie möglich beenden – so war es von vornherein geplant. Möglich, dass der Rückzug auch durch die Explosion der Kosten beschleunigt wird: Der Einsatz hat die Grande Nation bis jetzt bereits mehr als 100 Millionen Euro gekostet.

    Zwar sollen einige französische Kontingente, die ohnehin aus den afrikanischen Nachbarländern verlegt wurden, weiter in Mali bleiben. Doch die weitere Kontrolle des Einsatzes soll Malis noch immer schwache und zerstrittene Armee übernehmen. Hilfe erhofft sie sich von den Militärausbildern der EU, besonders die Deutschen werden erwartet – sie sollen den Maliern beibringen, wie man Kampfmittel räumt. Herumliegende Munition und Sprengstoff sind ein großes Problem. Gemeinsam mit mehreren Tausend afrikanischen Truppen der MISMA, der Unterstützungsmission der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS, soll Mali dann selbst für Sicherheit sorgen, auch UN-Blauhelme sollen helfen. Doch wer sich auf dem Landweg ins Krisengebiet aufmacht, begreift schnell: Dieses Land, das Tausende Kilometer Grenzen zu Mauretanien und Algerien hat, das vor allem im Norden zu großen Teilen aus Steppe und Wüste besteht und dreimal groß ist wie die Bundesrepublik, ist im Grunde nicht zu sichern.

    Diabali, zwei Autostunden nordwestlich von Segou. Lehmhäuser, sandige Gassen, eine Moschee. Unter einem Mangobaum am Ortseingang stehen alte ausrangierte Panzer der malische Armee, Soldaten dösen in der Mittagshitze. Die Spuren des Krieges sind überall: Zerstörte Häuser, ein abgeschlagenes Kreuz im Hof einer Kirche, zerschossene Pick-Up-Geländewagen der selbst ernannten Heiligen Krieger.

    "Eines Morgens, es muss Mitte Januar gewesen sein, da waren die Islamisten plötzlich da. Es waren sehr viele, vielleicht 200, sie haben Allahu Akbar geschrien, Gott ist groß. Sie kamen mit ihren Geländewagen, mit Raketenwerfern oder schweren Maschinengewehren auf der Ladefläche. Es gab sofort schwere Gefechte mit den malischen Soldaten, die hier stationiert waren. Wir hatten große Angst, ich habe meine Familie in einem Haus versteckt."

    Diabali war hart umkämpft, erzählt der Händler Mohamed Touré, wegen seiner strategischen Lage. Nach Segou ist es nicht weit, die Straße ist zu großen Teilen noch asphaltiert – die Islamisten hätten bis nach Bamako vorrücken können, sagt Mohamed. Deswegen sei auch Abu Zeid hier gewesen, der Chef von Al Kaida im Islamischen Maghreb.

    "Erst nach ein paar Tagen habe ich mich aus dem Haus getraut: Überall lagen Leichen von malischen Soldaten, aber auch von Islamisten. Jetzt ist es ruhig. Aber wir wissen nicht, ob hier noch Minen oder Sprengfallen versteckt sind. Oder irgendwelche Schläfer. Viele Menschen sind von hier weggegangen. Und sie werden wohl niemals wiederkommen – sie haben Angst."

    Am Ortsausgang zeigt Mohamed auf eine auffallend freie Fläche, so groß wie ein halbes Fußballfeld. Äste markieren kleine Parzellen. Ein Massengrab für mehr als 20 malische Offiziere, qualvoll getötet durch Al Kaida und Ansar Dine, sagt Mohamed. Die Islamisten, so heißt es im Dorf, hätten Brot mit Benzin vermischt und dann die Soldaten gezwungen, den giftigen Brei zu essen. Was mit den toten Islamisten passiert ist – darüber schweigt Mohamed lieber.

    Unterwegs nach Norden: Der Geländewagen rattert durch die Mondlandschaft. Nördlich von Diabali kann von Straßen keine Rede mehr sein. Im Rhythmus der Schlaglöcher tanzen Wasserflaschen und drei große gelbe Kanister mit Diesel um die Wette. Wüstenstaub kriecht von draußen herein und legt sich als rostroter Film auf das Innere des Wagens.

    Immer wieder gibt es Warnungen vor Angreifern und Minen. Viele Menschen winken sich zu: Freund oder Feind, das weiß in diesen Zeiten in Mali keiner so genau. In manchen Dörfern sind sie zu sehen: versprengte Islamisten. Arabisch aussehende Männer mit Turbanen auf Motorrädern – unter den Gewändern haben sie Kalaschnikow-Gewehre versteckt, bei einigen schaut der Lauf beim Fahren heraus.

    Ein Kontrollposten, nicht weit von der Grenze zu Mauretanien: Die jungen Männer sind kaum als malische Soldaten zu erkennen. Sie tragen zerrissene Uniformen, Badelatschen – und haben nicht einmal Funkgeräte. Einer von ihnen hat eine rote FC-Bayern-Mütze auf dem Kopf, mit dem Lauf seines uralten Gewehrs deutet er auf den deutschen Reporter und fragt nach der Bundesliga. Eins ist klar: Für Sicherheit sorgen diese Männer im Norden Malis jedenfalls nicht.

    Der Sonnenuntergang ist spektakulär, ein riesiger, dunkelroter Ball versinkt am Horizont im Wüstensand. Es wird dunkel, nachts ist die Gegend besonders gefährlich. Wie seine Gäste ist auch Oumar Kendé sehr nervös. In seiner Pension in Niafunké haben bis vor Kurzem noch Islamisten gehaust, fast ein ganzes Jahr lang.

    "Ich kann nicht behaupten, dass wir uns hier sicher fühlen. Wer schützt uns denn? Keine malische Armee weit und breit, keine Polizei. Wir haben momentan nicht einmal einen Bürgermeister, der ist zu Beginn der Krise geflohen. Strom gibt es kaum, wenn, dann nur abends ein paar Stunden, von halb sieben bis um elf Uhr. Wir sitzen im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln. Aber wir haben uns irgendwie daran gewöhnt."
    Schlafen könne er trotzdem nicht, sagt Oumar. Bei jedem Geräusch eines Motorrads schreckt er hoch und fragt sich: Sind sie das, kommen die Islamisten zurück? Wo sind die Soldaten? Oumars Nachbarin Fanta Diakité berichtet am nächsten Morgen, es habe in der Nacht vor der Stadt Gefechte gegeben, mehr als 20 Islamisten und vier malische Soldaten seien getötet worden. Fanta Diakité war früher einmal Krankenschwester, heute ist die alte Dame stolze Oma und spielt mit ihren Enkelkindern im Hof. Das Leben muss weitergehen.

    "Diese Leute kamen eines Nachts hierher, wir haben uns verbarrikadiert. Sie haben schlimme Dinge getan. Sie haben die Männer geschlagen, auch Frauen und Kinder, manchen haben sie die Hände abgehackt, weil sie nicht gehorcht haben. Die Schreie habe ich manchmal sogar hier im Hof gehört."

    Manchmal, sagt Fanta, verfolgten die Schreie sie bis in ihre Träume. Sie spürt, dass die Gefahr noch lange nicht vorbei sein wird. Männer, die unter ihrer Kleidung Sprengstoffgürtel verstecken, habe sie in Niafunké schon gesehen.

    "Es sind Männer aus Mali – ganz eindeutig, zumindest unter den Terroristen hier bei uns! Sie reden wie wir, es sind Peul, sie kommen aus dieser Gegend. Ich habe Angst – und deswegen traue ich mich nicht vor die Tür. Viele dieser Leute sind noch hier, sie sind noch lange nicht besiegt, sie verstecken sich draußen vor der Stadt. Von manchen kenne ich sogar die Väter und Mütter! Es ist unfassbar. Eben waren es noch Nachbarskinder, heute sind es Terroristen. Das ist einfach furchtbar."

    Das gleiche Bild in Timbuktu: Offiziell ist die Stadt frei von Islamisten – das malische Militär ist in der Stadt, französische Einheiten sind draußen am Flughafen stationiert. Doch von Aufatmen und Freude bei den Menschen keine Spur, es ist sehr still, viel zu still.

    Mitten auf der Hauptstraße stehen zwei zerschossene Pick-Ups, ehemaliges Kriegsgerät der Dschihadisten. Aus Timbuktu sind sie offiziell vertrieben. Doch wer hierher kommt, wird noch immer in ihrem Namen begrüßt, auf Arabisch und Französisch. "Timbuktu, der Leuchtturm des Islam", steht auf dem riesigen schwarz-weißen Schild am Ortseingang. Weiter heißt es: "Hier gilt die Scharia. Wer das islamische Recht respektiert, ist willkommen." Das Schild wurde bis heute nicht abgerissen, sagt Ali Baba, der früher ab und zu Touristen durch die Stadt geführt hat.

    "Hier gab es sicher weit mehr als 1000 Islamisten. Alle möglichen Gruppen waren hier, Ansar Dine, Al Kaida, Boko Haram aus Nigeria, Dschihadisten aus Ägypten, Libyen, Tunesien, Mauretanien – aber natürlich auch aus Mali. Alle kamen sie, um zu kämpfen – angeblich im Namen des Islam."

    Das sagenumwobene, magische Timbuktu: Das war einmal, sagt Ali Baba. Die Islamisten haben nicht nur die Mausoleen der Heiligen zerstört und Teile der berühmten Manuskript-Sammlung verbrannt – ein Jahr lang haben sie auch die Menschen terrorisiert. Mit Verboten, Amputationen und Steinigungen. Damit ist es jetzt vorbei, doch das Leiden nimmt trotzdem kein Ende.

    "Timbuktu ist eine traumatisierte Stadt. Nichts wird mehr so sein wie früher. Hier kannten sich alle untereinander, alle waren hilfsbereit, gastfreundlich – jetzt denkt jeder nur an sich, um zu überleben. Die Not ist groß, viele Menschen essen vielleicht nur noch einmal am Tag, wenn überhaupt."

    Auf dem Markt von Timbuktu: Händler bieten ihre Waren an – doch keiner kauft. Auch die Orangen von Bintou Maiga rotten in der Hitze vor sich hin.

    "Ich musste die Preise erhöhen, weil ich selbst teuer einkaufen muss - vor allem Obst, Gemüse, aber auch Zucker und Öl. Das kostet alles fast doppelt so viel wie vor dem Krieg! Die Versorgung funktioniert nicht, die Straßen sind schlecht und auch noch gefährlich, wegen der Minen. Und die Grenzen nach Algerien und Mauretanien sind dicht. Die Menschen haben keine Arbeit und kein Geld."

    Viele Menschen seien aus Timbuktu geflohen, aus Angst vor den Kämpfen, erklärt Kioskbesitzer Amadou Cissé. Viele würden nicht mehr zurückkehren. Ob er selbst sich denn sicher fühle in seiner Stadt, jetzt, wo sie doch befreit sei? Amadou lacht nur - und er quält sich dabei.

    "ça va à la Malienne", sagt er: "Es geht schon irgendwie - auf malische Art." Soll heißen: Es geht eigentlich gar nicht. Es fehlt am Nötigsten - an Wasser, Strom und Nahrungsmitteln. Und die Menschen haben Angst: vor islamistischen Selbstmordattentätern einerseits und malischen Soldaten andererseits. Denn die rächen sich immer öfter an Arabern und Tuareg.

    Die Geschäfte im arabischen Viertel der Stadt sind verwüstet und geplündert. Hellhäutige Mitbürger stehen unter Generalverdacht. Werden als Waffen- und Drogenhändler gebrandmarkt, als Selbstmordattentäter, Kollaborateure der Islamisten. Unbescholtene Araber und Tuareg werden von der Armee abgeholt – und später tot aufgefunden, verscharrt in den Dünen vor der Stadt.

    Der Krieg scheint Timbuktu vergiftet zu haben – das Zentrum des mystischen Islam, in dem so viele Volksgruppen jahrhundertelang friedlich zusammengelebt hatten. Tomboctou, la Mystérieuse, Malis Stadt der 333 Heiligen – sie hat ein großes Stück ihre Seele verloren.

    In einem Bretterverschlag in Bamako sitzt Moussa über seiner Nähmaschine. Aus bunten Lederstreifen näht er ganz besondere Motorradsitzbezüge – es sind französische und malische Fahnen. Pro Woche gebe es mehr als 30 Bestellungen, sagt Moussa stolz - er hofft, dass der Fahnen-Boom noch eine Weile anhält. Aber vor allem, dass es mit Mali endlich wieder aufwärts geht. Vielleicht ist es Malis Stunde Null. Das Land sucht nach Konzepten für den politischen und gesellschaftlichen Neubeginn. Die Hoffnungen sind groß - die Herausforderungen auch.

    "Wir wollen Frieden und wir wollen Arbeit. Und wir wollen, dass Wahlen organisiert werden. Wenn die Politiker sich nicht endlich einigen, werden wir hier keine Ruhe haben. Und dann wird Mali weiter so dahin dümpeln."

    Malis Übergangsregierung bekommt mächtig Druck von Frankreich und anderen internationalen Gebern, bald Präsidentschaftswahlen abzuhalten, möglichst schon Ende Juli. Viel zu früh, sagen Kritiker – bis zum Sommer könne es niemals verlässliche Wählerlisten geben, geschweige denn attraktive Kandidaten. Außerdem: Mit Angst im Bauch könne man unmöglich zur Wahl gehen, so der Hotelbesitzer Ibrahim Siby aus Sevaré:

    "Hier soll sich bloß kein Politiker her trauen und uns das Blaue vom Himmel versprechen. Wir haben ganz andere Sorgen. Wir wollen Sicherheit, wir wollen Ruhe und Frieden, wir wollen morgens ohne Gefechtslärm aufwachen, ohne die Angst vor Selbstmordattentätern. Natürlich brauchen wir Wahlen. Und wir brauchen auch unsere internationalen Partner. Aber momentan sind Wahlen wirklich das Letzte, was wir wollen."

    Wahlen wird es geben – irgendwann. Aber noch misstrauen die Menschen der Politik. Kein Wunder: Die Korruption ist massiv, es gibt keine Jobs, am mafiösen Drogenhandel verdient die Elite kräftig mit, die Probleme des Vielvölkerstaats Mali – besonders die Spannungen mit den Tuareg – sind nicht gelöst: Die rote Liste ist lang. "Die größten Feinde Malis sitzen eben in Bamako", heißt es in Mali an jeder Ecke. Lange habe die politische Klasse Mali als Selbstbedienungsladen missbraucht und das Land in die Krise geführt, so Modibo Goita, Professor am Institut für Friedensforschung in Bamako. Der Militärputsch unzufriedener malischer Soldaten im März 2012 habe zwar den Vormarsch der Islamisten begünstigt. Aber er sei nur noch der letzte Tropfen gewesen, dann sei das marode Fass namens Mali endgültig übergelaufen.

    "Man muss sich das Mal vorstellen – Unteroffiziere konnten hier einfach so einen Militärputsch durchziehen. So schwach war dieses Land! Ein filmreifes Szenario. Aber es hilft ja nichts. Man muss an die Ursache ran – und die heißt: schlechte Regierungsführung. Aber niemand hat die Reißleine gezogen. Der Westen hat all die Jahre immer nur zugesehen und applaudiert, alle Welt wollte in Mali einen demokratischen Vorzeigestaat sehen – aber den hat es nie gegeben!"
    Zurück auf Null, aufräumen, Schluss mit den Lügen, mit der Fassaden-Demokratie, fordert der Tuareg-Aktivist Daouda Maiga. Er freut sich, dass Malis Übergangsregierung eine Versöhnungskommission gebildet hat. Und er erinnert an Malis Staatsmotto: Un peuple. Un but. Une foi. Ein Volk, ein Ziel, ein Glaube. In Wahrheit sei dieses Motto seit der Unabhängigkeit 1960 eine leere Floskel gewesen. Mali sei tief gefallen – und habe nun doch noch die große Chance zu einer Art zweiten Staatsgründung. Und diese Chance dürfe Mali auf keinen Fall verspielen.

    "Ich denke, dass wir gerade eine echte Revolution erleben. Vielleicht ist dies der Moment, in dem wir begreifen: Bis jetzt, also die letzten 50 Jahre, waren wir zwar ein Land, noch dazu eins mit vielen Volksgruppen – aber das macht uns noch lange nicht zu einer Nation! Vielleicht weht deshalb die malische Fahne überall, wir entwickeln gerade so etwas wie ein Nationalgefühl. Es ist Zeit, Mali nach vorne zu bringen. Es ist wirklich höchste Zeit."