Samstag, 20. April 2024

Archiv

Malta
Valletta wird europäische Kulturhauptstadt 2018

Spätestens seit dem Mord an der Journalistin Caruana Galizia steckt der Inselstaat Malta in einer tiefen Krise. Umso willkommener dürfte der Regierung sein, dass die Hauptstadt Valletta zusammen mit Leeuwarden in den Niederlanden Europäische Kulturhauptstadt 2018 ist.

Von Tassilo Forchheimer | 02.01.2018
    Malta: Blick auf die Hauptstadt Valletta mit der St. Paul's Kathedrale (Aufnahme vom 27.3.2004).
    Malta: Blick auf die Hauptstadt Valletta ( dpa / Lehtikuva Wennström)
    Seit der Zeit der Malteser-Ritter, die das Land mehr als 260 Jahre lang regierten, gilt der Inselstaat als traditionell sehr katholisch. Dennoch hat Malta ohne große Diskussion die gleichgeschlechtliche Ehe und eine extrem liberale Gender-Gesetzgebung eingeführt. Silvan Agius ist Menschenrechts- und Integrationsbeauftragter der maltesischen Regierung.
    "Wenn Journalisten die Veränderungen in dieser Gesellschaft beschreiben, schreiben sie von der 'kleinen, winzigen katholischen konservativen Insel Malta'."
    Tatsächlich ist Malta eines der liberalsten, wenn nicht sogar das liberalste Land der Welt, wenn jemand ein anderes Geschlecht haben möchte.
    "Man kann einfach ins Standesamt gehen und sich dort für ein anderes Geschlecht entscheiden. Der Beamte vermerkt den Wunsch, notiert den neuen Namen und das neue Geschlecht. Die Informationen werden ins Melderegister eingetragen, und nach spätestens einem Monat werden die neuen Dokumente ausgestellt. Und das ist alles vom Staat anerkannt. Und die Gesellschaft hat nichts dagegen, im Gegenteil, sie hat das akzeptiert.
    Katholische Kirche hat an Einfluss verloren
    In Malta kann man sogar festlegen, dass das eigene Geschlecht in offiziellen Dokumenten wie dem Personalausweis gar nicht angeben wird. Das ist eine private Angelegenheit. Dabei war es in Malta noch bis vor sechs Jahren verboten, sich scheiden zu lassen. Die Wende brachte eine Volksabstimmung.
    "Als die Scheidungsbefürworter das Referendum gewonnen haben, ist das Gedankengebäude, alle Malteser stünden im Einklang mit der Lehre der Kirche in sich zusammengebrochen."
    Die einstmals starke katholische Kirche hat seitdem deutlich an Einfluss verloren. Die Vertreter der Schwulen- und Lesbenbewegung verstehen die Durchsetzung ihrer Ziele aber nicht als Sieg über die konservativen Kräfte im Land, sagt deren Sprecher Russel Sammut.
    "Die Leute hier sind sehr menschlich, sie verstehen die Situationen. Du wirst immer Menschen treffen, die über Sünder, Hölle, Abscheu und so weiter reden. Aber alles in allem ist Malta ein sehr aufgeschlossenes Land.
    Abtreibung nach wie vor verboten
    Was nicht bedeutet, dass sich Malta immer für den liberalen Weg entscheidet. Die gleichgeschlechtliche Ehe und die freie Wahl des eigenen Geschlechts mögen kein Problem gewesen sein, Abtreibung dagegen ist in Malta nach wie vor verboten –auch nach einer Vergewaltigung. Und das wird vorerst auch so bleiben, meint Silvan Agius.
    "Es ist sehr schwierig, hier einen Wandel auszumachen. Auch deshalb, weil alle politischen Parteien dagegen sind und weil Abtreibung in der maltesischen Gesellschaft als Mord betrachtet wird. Das gilt nicht als Frauenrecht, wie in anderen Gesellschaften, sondern als Zerstörung eines Lebens, das schon begonnen hat.
    In diesem Punkt richten sich die Malteser dann doch wieder ganz nach der katholischen Lehre.