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"Man hofft, es wird wohl nicht so schlimm kommen"

Michl Ebner, Mitglied der Südtiroler Volkspartei und Europaparlamentarier, glaubt, dass Silvio Berlusconi siegen konnte, weil er in den Augen der italienischen Bevölkerung für eine gewisse Kontinuität in der Parteienlandschaft steht. Einen Ausweg aus der wirtschaftlichen und politischen Krise könnte es geben, wenn Walter Veltroni von der Partito Democratico und Berlusconi in einem bipolaren System zusammenarbeiten würden.

Moderation: Christiane Kaess | 15.04.2008
    Kaess: Der italienische Oppositionsführer Silvio Berlusconi ist nach seinem überzeugenden Sieg bei den Parlamentswahlen positiv gestimmt. Er will schnell eine neue Regierung bilden und die Probleme des Landes angehen, hat er angekündigt. In Neapel will der künftige Regierungschef symbolträchtig die erste Kabinettssitzung einberufen, um den Müllnotstand der süditalienischen Stadt anzugehen. Sein Kabinett sei schon fast fertig und er wisse, wo Hand angelegt werden muss, so Berlusconi.

    Der Sieg von Oppositionsführer Silvio Berlusconi ist in Europa auf große Skepsis gestoßen. - Am Telefon ist jetzt wie angekündigt Michl Ebner. Er ist Mitglied der Südtiroler Volkspartei und im Europaparlament in der Fraktion der Europäischen Volkspartei. Guten Tag Herr Ebner!

    Ebner: Guten Tag!

    Kaess: Herr Ebner, Silvio Berlusconi stand siebenmal wegen Korruption vor Gericht und als zweimaliger Ministerpräsident war er eigentlich ohne nennenswerte Erfolge. Wie ist es zu erklären, dass ihn die Italiener wieder gewählt haben?

    Ebner: Die Wahrnehmung über die Tätigkeiten von Silvio Berlusconi und seiner Partei beziehungsweise richtigerweise seiner Bewegung und seiner Koalition sind unterschiedlich in Italien und außerhalb von Italien.

    In Italien muss man zweierlei sehen: Einmal, dass die Bevölkerung mit der Mitte-Links-Koalition und vor allem mit der Tätigkeit der linken Minister, die in dem kommunistischen Wahlbündnis jetzt nicht mal mehr in das Parlament hinein gekommen sind, sehr, sehr unzufrieden waren. Das hat sich positiv für Berlusconi und seine Wahlbewegung ausgewirkt.

    In Italien ist die Verhaltensweise von Berlusconi, die man unter zweierlei Aspekten sehen muss - einmal unter der rechtlichen Seite und einmal unter der politischen -, unterschiedlich bewertet. Die rechtliche Seite ist so, dass er bei einer Reihe von Prozessen Freisprüche in verschiedener Form bekommen hat. Das hängt ihm nicht so sehr an wie im Ausland. Was jetzt die Situation an politischen Äußerungen und mancher nennen wir sie Ungeschicklichkeiten betrifft, um sie höflich zu bezeichnen, so ist man in Italien doch sehr flexibel, fantasiereich und hofft, es wird wohl nicht so schlimm kommen, wie es in der Vergangenheit war.

    Kaess: Fehlt es an Alternativen?

    Ebner: Es fehlt insofern an Alternativen, weil die italienische Politik seit dem Jahre 1993/94 völlig im Umbruch ist. Es haben zwar die Parteiführer mehr oder minder nicht gewechselt, aber die Parteien und die Gesamtkonstellationen. Es gibt praktisch mit einer einzigen Ausnahme keine Partei mehr, die eine Geschichte hat, die länger als ein gutes Jahrzehnt dauert. Die meisten Gruppierungen und Parteien, die sich den Wahlen gestellt haben, sind jünger als drei, vier Jahre.
    In diesem völligen Umbruch hat Berlusconi und hat die Lega und hat Fini mehr Kontinuität dargestellt, als es der PD unter Walter Veltroni möglich war zu kommunizieren.

    Kaess: Welche Kontinuität meinen Sie da?

    Ebner: Kontinuität einfach in der Bekanntheit, Kontinuität in der Form, dass man mit Leuten weiter arbeiten will, mit einem Bossi, mit Fini, mit Berlusconi, die aus unserem Verständnis heraus, wenn ich jetzt einmal Südtirol sehe oder aus dem deutschen Sprachraum insgesamt, mit einem sehr kritischen Auge gesehen werden, in Italien aber doch die Bewertung der Leistungen dieser Parteiführer nicht so negativ ist als es scheinen mag.

    Kaess: Silvio Berlusconi hat jetzt Margaret Thatcher als sein Vorbild bezeichnet und Reformen angekündigt. Trauen Sie ihm das zu?

    Ebner: Wie er 2001 die Wahl gewonnen hat und Reformen machen wollte, war er irgendwo gebremst: auf der einen Seite von Fini und auf der anderen Seite von Casini und seiner UCC. Die Lega hat das ihre beigetragen und die Politik von der Lega, die ja eine föderalistische Politik machen will, und die von Fini, die eigentlich eine zentralistische Politik machen will, war sehr akzentuiert.

    Diesmal hat man den Eindruck, als ob sich die beiden besser abgesprochen hätten. Es wird sehr, sehr schwierig sein. Berlusconi und vor allem seine Leute wie Tremonti, Letta, Frattini werden den Versuch unternehmen. Ob das erfolgreich sein wird hängt von zweierlei Dingen ab: Einmal wie sehr er sich mit Walter Veltroni vereinbart über ein neues Wahlgesetz und damit auch für einige kolaterale Reformen. Ein neues Wahlgesetz braucht es, weil es gibt eine Volksbefragung, die nur verschoben worden ist wegen dem neuen Wahltermin. Also die muss nächstes Jahr stattfinden. Und wenn nicht ein neues Wahlgesetz kommt, dann wird diese Volksbefragung festgesetzt.

    Kaess: Aber Herr Ebner, wenn ich Sie richtig verstehe sagen Sie, Berlusconi kann auf der einen Seite auf eine wirklich stabile Mehrheit bauen und er wird gleichzeitig mit der Opposition zusammenarbeiten, so wie er das angekündigt hat.

    Ebner: Ich glaube schon. Jedenfalls hat er diesbezüglich die Absicht bekundet und in Sachen Wahlgesetz und einiger grundlegender Reformen braucht es unbedingt auch ein Zusammenwirken mit der Opposition. Hier gibt es eine Reihe von Leuten in der zweiten Reihe der Bewegung von Berlusconi, die auch diese Zusammenarbeit in den Reformen mit der großen Oppositionspartei PD und mit Walter Veltroni wollen. Berlusconi selbst hat eigentlich im Wahlkampf den Walter Veltroni sehr geschont. Umgekehrt heißt es, ist es das gleiche gewesen. Man hat so den Eindruck, als ob die sich nicht unbedingt gegenseitig völlig madig machen wollten.

    Kaess: Heißt das auch, dass Sie eine Chance sehen, dass das Land aus der wirtschaftlichen Stagnation heraus kommen kann?

    Ebner: Ich glaube schon und das ist die große Hoffnung, wenn die beiden Parteichefs mit der Unterstützung von Prodi - weil eigentlich hat Prodi diesen Wechsel in dieses bipolare System endgültig eingeläutet - sich im Klaren sind, dass sie den Weg gehen müssen - entweder der eine in der Regierung und der andere in der Opposition beziehungsweise umgekehrt , um nicht mehr von den Klein- und Kleinstparteien abhängig zu sein, erpressbar zu sein, dann ist das der einzige Weg, der möglich ist. Und so realistisch sind sie beide - sei es Berlusconi, der eben eine schillernde Figur ist, die man in vielen Dingen einfach nicht versteht und auch nicht nachvollziehen kann, und Veltroni auf der anderen Seite eher der zurückhaltende Denker ist. Wenn die beiden sich da einigen, dann könnte aus dieser 15jährigen Krise Italiens doch ein Silberstreifen am Horizont stehen.

    Kaess: Michl Ebner war das. Er ist Mitglied der Südtiroler Volkspartei und im Europaparlament in der Fraktion der Europäischen Volkspartei. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Ebner!

    Ebner: Gerne geschehen.