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"Man muss auch positive Impulse setzen"

Die Sparprogramme der hoch verschuldeten EU-Länder würgen die Konjunktur ab, sagt der Ökonom Peter Bofinger. Ein Investitionsprogramm nach Art des Marshall-Plans könne die Wirtschaft dieser Länder wieder ankurbeln.

Peter Bofinger im Gespräch mit Jürgen Liminski | 06.04.2011
    Jürgen Liminski: Im Schatten der Krisen in Nordafrika und Japan ist die prekäre Finanzlage einiger europäischer Länder, insbesondere in Südeuropa, aus dem Blick des öffentlichen Interesses geraten. Was passiert mit Portugal, wo sich die Finanzlage erneut zuspitzt, und gibt es Rückwirkungen der Krisen und Katastrophen auf die Konjunktur in Europa? – Am Telefon begrüße ich dazu den Wirtschaftsweisen Peter Bofinger, er lehrt in Würzburg. Guten Morgen, Herr Bofinger.

    Peter Bofinger: Guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Herr Bofinger, es gibt Befürchtungen wegen Lieferengpässen. Der Aufbau in Japan wird dreistellige Milliardensummen kosten. In Nordafrika liegen die Pipelines trocken, die Wirtschaft brach. Haben die Krisen und Katastrophen Rückwirkungen auf die Konjunktur in Europa?

    Bofinger: Zunächst mal ist es so, dass die Konjunktur sich ja sehr erfreulich präsentiert in Deutschland, aber die Risiken haben zugenommen und ich sehe die größte Gefahr darin, dass der Ölpreis doch deutlich angestiegen ist, und das bedeutet ja für die Wirtschaft einen Angebotsschock, das bedeutet auch für die Verbraucher, dass sie real weniger Geld in der Tasche haben, und von daher hat sich der Ausblick durchaus etwas eingetrübt.

    Liminski: Bedeutet das auch ein Anziehen der Inflationsspirale vielleicht?

    Bofinger: Wir haben durch den Energiepreisanstieg höhere Inflationsraten, aber wir bewegen uns da nach wie vor in einem Bereich, der unproblematisch ist. Wir haben in Deutschland eine Inflationsrate von 2,1 Prozent, das ist voll im grünen Bereich. Der Durchschnitt der Bundesbank zur Zeit der D-Mark war 2,7 Prozent. Das ist also kein Grund zur Beunruhigung.

    Liminski: Herr Bofinger, die Börsen sind wegen Griechenland und Portugal wieder verunsichert. Die Rating-Agentur Moody's hat die Schuldnerqualität Portugals gestern heruntergestuft. Kommt die Finanzkrise wieder aus dem Schatten hervor?

    Bofinger: Na ja, die Finanzmärkte erkennen, dass diese Problemländer auf einem Pfad sind, bei dem sie eigentlich nicht erfolgreich sein können. Sie machen zwar sehr, sehr große Anstrengungen, aber die Arbeitslosigkeit steigt, der Schuldenstand geht nach oben und das erhöht dann auch wieder die Zinsen, die sie bezahlen müssen. Wir haben es hier also mit einem Art Teufelskreis zu tun und von daher kann ich nachvollziehen, wenn die Märkte auch relativ skeptisch sind, was die Erfolgsaussichten dieser Länder angeht.

    Liminski: Was passiert denn, wenn Portugal und demnächst vielleicht sogar Spanien unter den Schirm wollen? Können wir, kann die EU das überhaupt stemmen?

    Bofinger: Also mit Portugal und ich denke auch zunächst mit Spanien ist es kein Problem für diesen Rettungsschirm. Es gibt ja auch die feste Absicht, den Rettungsschirm noch weiter auszuweiten. Ich sehe das Problem eigentlich eher aus der Perspektive dieser Problemländer, wo die Arbeitslosigkeit steigt, wo enorme Anstrengungen gemacht werden, um zu sparen, aber wo das Ganze eigentlich keine klaren Erfolge zeigt, und da habe ich die Befürchtung, dass in der Bevölkerung eine Mehrheit entstehen wird, die sagt, wir gehen einfach aus dieser Währungsunion heraus, wir versuchen, mit einer eigenen Währung voranzukommen, dann können wir abwerten, dann können wir auf diese Art und Weise unserer Wirtschaft Dynamik verleihen und wir zahlen dann eben vielleicht nur noch die Hälfte unserer Schulden zurück. Das ist eigentlich eine Politik, die sehr viel einfacher ist als zu versuchen, in der Währungsunion zu bleiben und mit unverminderter Schuldenlast die Probleme zu schultern.

    Liminski: Denken Sie da an Griechenland und Portugal?

    Bofinger: Ich denke an Griechenland und Portugal, aber auch in Irland kann ich mir das vorstellen, da kann man ja auch schon sehen, dass doch der Widerstand der Bevölkerung gegen diese Sparprogramme wächst, und man kann das ja auch ein bisschen nachvollziehen, denn bei diesen Sparprogrammen scheint ja die Logik zu sein, man kann nicht genug sparen, man kann immer neu konsolidieren, und die Gefahr, dass man damit die Konjunktur abwürgt, dass man die Schraube überdreht, wird offensichtlich beim Währungsfonds und bei der Europäischen Zentralbank nicht gesehen.

    Liminski: Also totsparen. Kann man diesem Todsparen, oder dieser Brüning-Politik durch eine Umschuldung zuvorkommen?

    Bofinger: Also ich glaube, man braucht ein koordiniertes Vorgehen. Man wird sich in den Ländern mit sehr hohen Schulden fragen müssen, wie stark muss man die Schulden reduzieren, damit die auch wirklich für die Länder tragbar sind. Man wird dazu übergehen müssen, Hilfskredite an diese Länder zu geben mit Zinssätzen, die wirklich auch günstig sind, sodass die Länder dann auch ihre Schuldenlast bewältigen können. Wenn man jetzt im Fall Griechenlands und vielleicht auch Irlands die Schulden reduziert, braucht man gleichzeitig Maßnahmen, die verhindern, dass es Ansteckungseffekte auf Länder wie Spanien oder Italien gibt, denn das ist ja dann auch immer die Gefahr, wenn man in einem Land etwas tut, dass das auf andere Länder sich auswirken kann. Und man braucht, denke ich, auch insgesamt ein Investitionsprogramm für den ganzen Raum, denn es kann ja nicht nur darum gehen, jetzt zu sparen, sondern man muss auch positive Impulse setzen, dass die Konjunktur in den Ländern vorankommt und dass die Arbeitslosigkeit, die ja dort überall hoch ist und im Steigen ist, dass die reduziert wird und dass die Menschen auch wieder positive Perspektiven bekommen.

    Liminski: Auf welcher Zeitschiene sehen Sie eine solche Entwicklung der Umschuldung zum Beispiel?

    Bofinger: Ich denke, je schneller man eine solche Umschuldung vorantreibt, desto besser, denn es ist ja eine Spirale von höherer Verschuldung und höheren Zinsen und je früher man die stoppt, desto besser für diese Länder. Aber ich glaube, es liegt auch in unserem Interesse, denn da wir ja nun schon mal auf dem Weg sind, dass wir für die Schulden dieser Länder zumindest teilweise haften, muss es auch unser Interesse sein, dass diese Schulden nicht außer Kontrolle geraten.

    Liminski: Ist der Euro durch diese Entwicklung vielleicht nicht doch gefährdet?

    Bofinger: Da mache ich mir ehrlich gesagt weniger Sorgen. Wenn der Euro aufgrund solcher Prozesse schwach würde, ist das für unsere Konjunktur nur gut, ist es für die Problemländer nur gut. Wir haben im Jahr 2001 einen Euro-Kurs gehabt von 80 US-Cent für einen Euro. Damit sind wir sehr gut gefahren. Also alles, was sich beim Euro ungünstig entwickelt gegenüber dem Dollar, da gilt der amerikanische Spruch "it's our currency, but your problem", also für uns ist das kein Problem.

    Liminski: Könnte denn ein europäisches Investitionsprogramm für die Infrastruktur die Wirtschaft der Südländer beleben helfen?

    Bofinger: Ich halte das für absolut entscheidend, dass man eben nicht nur sich fragt, was kann man alles noch zusammensparen, sondern dass man sich fragt, wie kann man positive Impulse geben in der Form eines Marshall-Planes für diese Länder. Ich könnte mir vorstellen jetzt gerade im Energiebereich, dass da doch vieles voranzubringen ist, dass man vielleicht auch in Form von Verkehrsnetzen diesen Ländern Impulse gibt. Hier brauchen wir einfach ein neues Denken, das eben bisher nicht so richtig zu erkennen ist, dass man nicht nur spart, sondern auch wirklich positive Impulse für die Länder gibt.

    Liminski: Keine Auswirkung der Katastrophe auf die Konjunktur, aber die Wirtschaftskrise in Südeuropa kommt wieder ins Blickfeld und der Wirtschaftsweise Peter Bofinger plädiert hier im Deutschlandfunk für einen Marshall-Plan. Besten Dank für das Gespräch, Herr Bofinger.

    Bofinger: Ja, danke schön.