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"Man will aus der Krise sich hinauskonsumieren"

Vor den G8- und G20-Treffen glaubt Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, dass die USA von Europa mehr Konsum zum Ankurbeln der Wirtschaft fordern wird. Europa und Amerika lieferten sich eine Auseinandersetzung, wer seine Staatsschulden besser finanzieren könne.

Josef Braml im Gespräch mit Anne Raith | 25.06.2010
    Friedbert Meurer: Heute kommen nahe Toronto die Staats- und Regierungschefs der G8-Staaten zusammen. Morgen wird das erweitert auf das sogenannte G20-Format. Mit dabei also auch die Vertreter der Schwellenländer. Zwei Themen werden die Gespräche prägen: einmal die Frage, wie die Finanzmärkte reguliert werden können und sollen, und zweitens die Frage, was tun gegen die Wirtschaftskrise. Soll der Staat vorübergehend mehr Schulden machen, oder sollen wir mehr sparen?

    Anne Raith sprach gestern Abend mit Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und fragte ihn, warum die Amerikaner und US-Präsident Barack Obama den deutschen Sparkurs kritisieren.

    Josef Braml: Man will aus der Krise sich hinauskonsumieren. Amerika will jetzt verstärkt auch exportieren und hofft, damit auch in Europa Abnehmer zu finden. Nur mit einer schwächeren Währung, dem jetzt ja doch eingesackten Euro, wird es für Europäer dann wieder schwerer, amerikanische Güter zu kaufen.

    Amerika befindet sich in einem Dilemma. Einerseits ist man ganz froh, dass der Euro unter Druck geraten ist, weil damit eben asiatische Finanziers doch wieder in den sicheren Hafen Dollar gegangen sind. Das heißt, Amerika kann sein massives Staatsdefizit nunmehr wieder besser finanzieren. Das wird eine Auseinandersetzung werden zwischen Europa und Amerika, wer denn seine Staatsschulden besser finanzieren kann.

    Andererseits wird aber ein zu schwacher Dollar ein Problem, weil damit eben diese große Schuldenlast nicht mehr finanziert werden kann, weil sich eben Finanziers in Asien Sorgen machen, ob ihre Anlagen dann wirklich noch gesichert sind.

    Anne Raith: Die USA dürften nicht alleine die Rolle des Wachstumsmotors übernehmen, lautet ein Argument der Amerikaner gegen den europäischen Sparkurs. Könnten sie das überhaupt? Könnten sie allein die Rolle des Wachstumsmotors übernehmen?

    Braml: Nein. Ich denke, dass dieses auf Pump finanzierte Wachstum sein Ende gefunden hat. Das müssen sich auch viele in Deutschland klar machen, zumal wenn künftig auch der Dollar noch unter Druck kommen wird und auch der Euro dann wieder stärker wird. Dann tun wir uns mit Exporten schwerer, weil Amerika hier nicht mehr kreditfinanziert weiter konsumieren können wird und eben auch dann mit einem stärkeren Euro das noch weniger tun wird.

    Raith: Wir haben jetzt viel über die wirtschaftspolitischen Interessen gesprochen. Unter welchem Druck steht Präsident Obama denn innenpolitisch, wenn wir zum Beispiel unseren Blick gen November richten? Da stehen die Kongresswahlen in den USA an.

    Braml: Oberste Priorität für Obama haben Arbeitsplätze. Das heißt, selbst wenn das Wirtschaftswachstum sich als stetig erweisen sollte, wird das sich nicht gleich in mehr Arbeitsplätze übersetzen lassen. Im Gegenteil! Man hat jetzt die eigentlich auf den ersten Blick unbeständige Lage, dass die Wirtschaft wieder wächst, aber es dennoch mehr Arbeitslose gibt. Solange diese Arbeitslosigkeit nicht eingeschränkt wird, hat Obama große politische Probleme: Zuerst bei den anstehenden Zwischenwahlen im Kongress, aber vor allem auch, wenn es um seine Wiederwahl geht.

    Raith: Mit welchen Argumenten, glauben Sie, werden denn die USA beim G20-Gipfel aufwarten, um die europäischen Sparnationen zumindest zu versuchen zu überzeugen?

    Braml: Ja, dass man sich eben hier nur aus dieser Krise hinauskonsumieren könnte, dass man hier auch Kredite in Kauf nimmt, dass eben Inflation kein Problem werden würde. Aber ich denke, dabei lenkt man von den eigenen Problemen ab. Ich sehe sehr wohl Inflationsgefahren. Diese Geldschwemmen, die von den Notenbanken seit einigen Jahren schon in Amerika verursacht wurden, werden sich auswirken und die politische Situation, die anstehenden Wahlen, Zwischenwahlen und dann auch Präsidentschaftswahlen, werden es dann auch der Notenbank erschweren, frühzeitig ihre Exit-Strategie voranzutreiben, Geld wieder einzusammeln, weil das eben dann auch wieder das mager angewachsene Wirtschaftswachstum abbremsen könnte.

    Raith: In Europa verabschiedet derzeit ein Land nach dem anderen ein Sparpaket oder Nothaushalte. Auf welche Verbündete können die USA denn überhaupt setzen?

    Braml: Ich denke, die USA können nicht mal mehr auf Verbündete in den eigenen Reihen setzen. Wir werden, wenn wir genauer hinsehen, eine massive Auseinandersetzung innerhalb der Regierungsfraktion auch sehen, zumal eben dann auch im Kongress, der ja auch mitregiert. Hier sind schon sehr viele nervös, vor allem die Republikaner, die auch ihren Anteil dazu beigetragen haben, was jetzt das hohe Staatsdefizit angeht, aber es sind auch fiskalkonservative Demokraten im Kongress, sogenannte Blue Dogs, die es der eigenen Regierung erschweren werden, künftig über Kredit finanzierte Programme Arbeitsplätze voranzutreiben.

    Meurer: Vor dem G-8- und G-20-Doppelgipfel sprach meine Kollegin Anne Raith mit Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.