Mittwoch, 24. April 2024

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Mangelnde Kontrolle von Parteispenden

Klein: Am Telefon begrüße ich Hans-Herbert von Arnim, Verfassungsrechtler, der sich intensiv mit der Praxis der Parteienfinanzierung auseinandergesetzt hat. Herr von Arnim, haben Sie den Eindruck, die Politiker, die ja alle irgendeiner Partei angehören, wollen sich selbst einen Gefallen tun und nun das gerade verschärfte Gesetz im Interesse immer auch der eigenen Partei wieder lockern?

18.09.2004
    von Arnim: Ja, das ist immer das Problem, dass das Parteiengesetz von den Parteien selbst gemacht wird, im Parlament. Die Schatzmeister führen da dem Gesetzgeber die Feder. Es handelt sich immer um Entscheidungen in eigener Sache. Es fehlt dann oft die Kontrolle, weil beide Seiten, die Regierungsparteien und die Opposition, mit wenigen Ausnahmen sich regelmäßig einig sind. Da bedarf es dann in ganz besonderer Weise der Kontrolle der Öffentlichkeit, gerade auch jetzt wieder, denn es hat ja vor zwei Jahren im Anschluss an die Parteispendenskandale, sowohl der CDU als auch der SPD und der FDP Verschärfungen gegeben und jetzt sind Lockerungen angesagt. Das passt eigentlich auch deswegen nicht, weil ja Landtagswahlen noch ins Land stehen. Es ist gut, dass das jetzt öffentlich geworden ist vor den Landtagswahlen am Sonntag. Ich hoffe, dass jetzt im Vorfeld die öffentliche Kritik noch da den Parteien in die Parade fährt.

    Klein: Allerdings, die Initiative ergriffen haben, soweit ich informiert bin, ja gar nicht die Schatzmeister der Parteien, sondern Wirtschaftsprüfer und auch das Bundestagspräsidium, mit dem Hinweis, dass das derzeitige Gesetz an einigen Stellen nicht praktikabel ist. Halten Sie das nur für eine vorgeschobene Argumentation?

    von Arnim: Das ist vorgeschoben. Dass die Bundestagsverwaltung hier vorgeprescht ist, um sich selbst zu entmachten und quasi die Verwaltung ausschließlich in die Hände der Wirtschaftsprüfer zu legen, das halte ich für ein Gerücht. Das sollte man mal bei der Bundestagsverwaltung selbst nachfragen, um das zu klären. Das ist ja ein gravierender Punkt. Hier wird über ein Parteiengesetz und seine Verwaltung entschieden, über viele, viele Millionen von öffentlichen Geldern, die Parteien kriegen. Und jeder der sonst Subventionen bekommt, muss das belegen und das wird von der öffentlichen Verwaltung kontrolliert. Hier soll es nur noch von den Wirtschaftsprüfern kontrolliert werden. Die werden aber von den Parteien selbst ausgesucht, sind von denen auch nicht ganz unabhängig, weil sie das Mandat ja auch später behalten wollen. Die sollen jetzt die ganze Verwaltungsfeststellung vornehmen. Das alles soll aus der Hand der Bundestagsverwaltung genommen werden. Das ist ein unmögliches Vorhaben.

    Klein: Weshalb aber sollte die Bundestagsverwaltung, das Bundestagspräsidium dem dann zustimmen?

    von Arnim: Na ja, die wird dem nicht zustimmen müssen. Das Parlament macht das und im Parlament sitzen die Parteien. Das wird also geschehen, ob die Bundestagsverwaltung dem zustimmt oder nicht, wenn nicht die öffentliche Kontrolle da den Parteien in den Arm fällt.

    Klein: Kommen wir noch mal zu den einzelnen Punkten: Unrichtigkeiten bis 1.000 Euro sollen in Zukunft außer Betracht bleiben, sie sollen nicht mehr einzeln nachgemeldet werden müssen. Das war so ein Punkt, wo sich die Kritik entzündet hat. Nun sagt die SPD-Schatzmeisterin Wettig-Danielmeier aber, das müsse nicht einzeln nachgemeldet werden, aber zusammen dann im nächsten Rechenschaftsbericht doch nachgereicht werden. Also in bestimmten Punkten gibt es dann doch wieder viel Aufregung um nichts?

    von Arnim: Nun das ist ein Punkt, der aber meines Erachtens überflüssig ist. Da braucht es keine Änderung, da sollen bis zu 1.000 Euro im Einzelfall einzelne Unrichtigkeiten hingenommen werden. Das ist meines Erachtens überflüssig. Es geht ja auch darum, dass eine ganze Reihe von Änderungen - wie zum Beispiel der Vorschlag, die vom Bundespräsidenten eingesetzte Parteienfinanzierungskommission - nicht realisiert werden, also jetzt nicht auf der Änderungsagenda der Parteien stehen. Zum Beispiel gibt es seit zwei Jahren eine Vorschrift, dass Spenden über 50.000 Euro unverzüglich gemeldet und dann veröffentlicht werden müssen. Diese wichtige Vorschrift der Publikation von Großspenden findet aber keine Sanktion. Wenn man sie also nicht einhält, gibt es überhaupt keine Sanktionen. Die Parteien können das ungestraft nicht einhalten. Das Verfassungsgericht hat gerade in seinem kürzlichen Urteil zu der CDU-Affäre gesagt, dass Transparenz besonders wichtig ist. Hier sollen Spenden über 50.000 sofort transparent gemacht werden, geschieht das aber nicht, gibt es keine Sanktionen. Oder, Bar-Spenden dürfen nur bis zu 1.000 Euro gemacht werden, wenn sie darüber sind, ist das gesetzwidrig, wenn man es aber tut als Partei, gibt es auch keinerlei Sanktionen. Auch da müssten Sanktionen eingeführt werden. Auch da sieht der vorliegende Gesetzentwurf, von dem jetzt die Rede ist, keinerlei Sanktionen vor. Das sind aber nur zwei Punkte. Es gibt noch viele andere offene Flanken des Parteiengesetzes, wo unbedingt Handlungsbedarf ist, wo aber nichts geschieht. Beispielsweise - ganz gravierender Punkt - überprüfen die Wirtschaftsprüfer nur die Finanzen der Bundesparteien und der Landesparteien. Unterhalb der Landesparteien, da gibt es zig-tausende von Ortsverbänden, die werden von den Wirtschaftsprüfern nur Stichproben mäßig geprüft. Da müssen nur zehn von insgesamt etwa 15.000 der Union geprüft werden, also weniger als ein Promille. Das heißt, da wo die Masse der Finanzen der Parteien stattfindet, nämlich unterhalb der Landesebene, findet überhaupt keine Prüfung statt. Das ist ein unmöglicher Zustand, dass hunderte von Millionen von Euro vergeben werden, ohne dass das selbst von den Wirtschaftsprüfern, die da die einzige Kontrolle darstellen, geprüft wird. Auch das ist eine offene Flanke, über die überhaupt nicht geredet wird, die aber längst reformiert gehört und auch von der Öffentlichkeit in der Diskussion eigentlich gefordert wird. Alles das bleibt offen. Die Parteien wollen nur Dinge reformieren, die ihnen die Sachen ein bisschen leichter machen, die Transparenz verringern und offensichtliche Fehler werden nicht beseitigt.

    Klein: Bestimmte Neuerungen hat es aber gegeben im Gesetz von vor zwei Jahren, also Sanktionen wie zum Beispiel bis zu drei Jahre Haft werden angedroht für falsche Rechnungslegung. Verboten sind ja Spenden, bei denen die Herkunft nicht klar ist oder erkennbar Gegenleistungen erwartet werden und Spenden über 50.000 Euro müssen jedenfalls dem Bundestagspräsidium gemeldet werden, der sie dann mitsamt Herkunft veröffentlicht. Da waren ja wichtige Konsequenzen aus der Parteispendenaffäre. Wenn diese jetzt aber zumindest unangetastet bleiben, ist da nicht das Wichtigste jedenfalls erhalten geblieben?

    von Arnim: Nein, ich sagte ja gerade, dass diese Verpflichtungsspenden über 50.000 sofort zu melden sind und dann, dass sie veröffentlicht werden, dass dies ohne Sanktion ist. Wenn die Partei sie nicht einhält, diese Vorschrift, passiert überhaupt nichts, oder auch das Bar-Spenden nicht über 1.000 gemacht werden, wenn die Partei das nicht einhält, passiert auch überhaupt nichts. Da ist nicht etwa eine Strafvorschrift oder eine Strafzahlung oder irgendwas angesagt, sondern da gibt es überhaupt keine Sanktionen. Gewiss, das Gesetz von 2002 hat gewisse andere Verschärfungen gebracht. Das ist auch richtig. Aber jetzt geht das Pendel wieder zurück durch diese neue Novelle und weitere Dinge, die eigentlich gemacht werden müssten - ich habe zwei, drei erwähnt - werden nun gerade nicht gemacht. Es ist gut, dass dieser Entwurf nun in die öffentliche Kritik gekommen ist und das darüber noch ausführlich diskutiert wird.