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Maniokanbau
Forscherteam züchtet virusresistente Cassava-Pflanzen

Maniok ist in Afrika ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Doch Viren infizieren die Cassava-Pflanzen und lassen ihre Wurzeln absterben. Gegenmittel gibt es nicht. In kolumbianischen Genbanken haben Forscher virusresistente Cassava-Pflanzen entdeckt - und erfolgreich in Gewächshäusern gezüchtet.

Von Andrea Hoferichter | 15.07.2019
Studioaufnahme einer Maniokwurzel
Von den stärkereichen Maniok-Knollen ernähren sich viele Menschen in Afrika (imago )
Es ist gar nicht so einfach, den Virologen Stephan Winter persönlich zu treffen. "Bin grad in Uganda und krabble durch die Cassava", schreibt der Forscher des Leibniz-Instituts DSMZ, der Deutschen Sammlung für Mikroorganismen und Zellkulturen in Braunschweig, in einer E-Mail. Zurück im Labor holt er Mitbringsel aus einer Plastiktüte: zentimeterdicke Scheiben einer Cassava-Wurzel.

"Im Normalfall ist, wenn man die Wurzel aufschneidet, die Wurzel weiß und eben sehr stärkehaltig. Im Fall der Erkrankung treten Nekrosen auf, die große Bereiche der Wurzel völlig zerstören. Und diese dunklen Bereiche der Wurzeln kann man dann eben nicht mehr essen."
Cassava-Braunstreifen-Virus befällt Pflanzenwurzeln
Die Krankheit heißt "Brown Streak Disease" und wird von Viren ausgelöst. Sie zeigt sich erst an Stiel und Blättern, wenn die Wurzeln schon braun und damit ungenießbar sind. Das kann fatale Folgen haben, weil sich viele Menschen in Afrika von den stärkereichen Maniok-Knollen ernähren, oft gekocht zu einer Art Kartoffelbrei oder geröstet im Frittenformat. Wie dramatisch die Ernteausfälle durch die Wurzelkrankheit sind, ist unklar.


"Die ökonomischen Schäden zu beziffern, wird oftmals versucht. Man bezieht sich aber immer auf alte Daten, die nach meinem Dafürhalten nicht ausreichend gesichert sind. Allerdings ist es so, dass die Cassava eine Subsistenzfrucht ist und sozusagen die Familien und Farmen dann einfach auf nichts mehr zurückgreifen können zur Ernährung, wenn es andere Sachen nicht gibt."
Wurzel der Cassava-Pflanze, mit Cassava brown streak virus infiziert (© Stephan Winter/DSMZ)
Wurzel der Cassava-Pflanze, von Cassava brown streak virus (CBSV) befallen (Stephan Winter/DSMZ)
Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung finanziert Cassava-Forschung
Ein Mittel gegen die "Cassava Brown Streak"-Krankheit gibt es nicht. Zwar können Pestizide gegen Insekten gesprüht werden, die die Viren übertragen. Das hilft aber nicht, wenn unerkannt befallene Stecklinge gepflanzt werden, was Winter zufolge ein zentraler Faktor bei der Ausbreitung der Krankheit ist. In einem internationalen Projekt, das von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung gefördert wird, haben Forscher und Züchter deshalb nach Sorten gesucht, denen die "Brown Streak"-Viren nichts anhaben können. In Südamerika, der Heimat der Cassava, sind sie fündig geworden.
"Wir sind dann hergegangen und haben diese Pflanzen nach Afrika gebracht, haben sie natürlich dort in den Epizentren der Viruskrankheit ausgepflanzt, haben sie bislang zwei Jahre lang stehen lassen. Und wir konnten feststellen, dass die Virusresistenz gegen das 'Brown Streak'-Virus wirklich andauert, also dass es wirklich eine Resistenz ist, die man sehr, sehr gut für die Züchtung nutzen kann."
Erste erfolgreiche Tests mit virusresistenten Cassava-Pflanzen
Als nächstes müssen die Pflanzen aus Südamerika in afrikanische Linien eingekreuzt werden, die weniger anfällig für die in Afrika ebenfalls verbreitete Mosaikkrankheit sind. Ein langwieriges Prozedere, auch weil Züchter immer wieder auf Insekten warten müssen, die ihre Versuchsfelder mit Viren infizieren, um dann mit den gesund gebliebenen Pflanzen weiter arbeiten zu können. Stephan Winters Team hat deshalb eine Methode entwickelt, mit der die Pflanzen künstlich infiziert werden können, durch aufgepfropfte Knospen kranker Pflanzen.

"Wir machen die absichtlich krank. Das verkürzt zunächst die Selektion von einem Jahr auf drei Monate. Wir können dadurch nicht die resistenten finden, sondern wir können zunächst die anfälligen ausschließen. Das heißt, wir reduzieren den Bestand um 90 Prozent und können uns dann auf diese zehn Prozent möglicher toleranter oder resistenter Pflanzen konzentrieren."
Um unter den gesund gebliebenen Pflanzen möglichst schnell die tatsächlich resistenten erkennen zu können, suchen die Wissenschaftler gerade nach geeigneten Biomarkern. Und sie markieren auf einer Landkarte, wo genau welche Virustypen wüten. Bisher ist vor allem Ostafrika von der "Brown Streak"-Krankheit betroffen. Eine Ausbreitung gen Westen müsse unbedingt verhindert werden, sagt der Pflanzenvirologe aus Braunschweig.

"Das ist der allerwichtigste Punkt. Hier heißt es, mit allen Organisationen zusammenzuarbeiten, dass man den Transport von Cassava möglichst unterbindet. Was deshalb schwierig ist, weil jeder Afrikaner, der sozusagen über den Kontinent reist – und sehr viele Flüchtlinge reisen über den Kontinent – grundsätzlich seine eigene Cassava mitnimmt, um die dann im neuen Zuhause anzupflanzen."