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Manipulierte Abgas-Tests bei VW
Umweltverbände fordern unabhängige Kontrollen

Volkswagen muss wegen Manipulationen bei Diesel-Abgastests möglicherweise eine Strafe von 18 Milliarden Dollar zahlen. Umweltverbände befürchten Tricksereien auch bei anderen Autoherstellern und fordern deswegen ein europaweit standardisiertes Prüfverfahren - denn die Kontrollen seien alles andere als unabhängig.

Von Thomas Wagner | 21.09.2015
    Abgase kommen aus einem Auspuff
    Die Deutsche Umwelthilfe beklagt, dass die verwendeten Abgasreinigungssysteme nur für den Prüfstand ausgerichtet seien. (Marcus Führer/dpa)
    Noch vor ein paar Tagen war die Diesel-Welt noch in Ordnung - scheinbar:
    "Der moderne Clean-Diesel ist ein Saubermann. Er ist nicht nur sehr sparsam im Verbrauch, sondern weist mit der neuen, anspruchsvollen Euro-6-Norm auch äußerst niedrige Schadstoffnorm. Wer's ernst meint mit dem Klimaschutz, der muss auch ‚Ja' sagen zum Clean Diesel."
    So Matthias Wissmann, Präsident im Verband der Deutschen Automobilindustrie, vergangene Woche zum Auftakt der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt. Doch seit dem Wochenende ist das Image des "Clean Diesels made in Germany" ziemlich ramponiert: Die kalifornische Umweltbehörde wirft dem VW-Konzern die Manipulation der Abgasreinigungsanlagen an 482.000 in die USA gelieferten Diesel-PKW vor. Durch Software-Manipulationen sei bewirkt worden, dass die Fahrzeuge zwar auf dem Prüfstand die vorgegebenen Grenzwerte erfüllten, im tatsächlichen Fahrbetrieb aber um das 40-fache überschreiten. Wie so etwas funktioniert, erklärt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe:
    "Die neuen Euro-6-Dieselfahrzeuge erfüllen während der 20-minütigen Prüfung tatsächlich sehr ehrgeizige Abgasnormen. Da sind Sensoren verbaut, die erkennen, dass geprüft wird. Das Auto weiß: Ich bin in einer Prüfsituation. Ich bin besonders sauber unterwegs."
    Abgasreinigungssysteme nur für den Prüfstand ausgerichtet
    VW hat die Manipulationen zwischenzeitlich eingeräumt. Dem Konzern drohen nun Strafzahlungen in zweistelliger Milliardenhöhe. Doch selbst wenn der Konzern die Summe begleicht, ist der Skandal längst noch nicht beigelegt, glaubt Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe. Denn in den USA seien die Manipulationen nur aufgefallen, weil die Umweltbehörden neben den Prüfstand-Tests auch weitere Untersuchungen im regulären Fahrbetrieb auf den amerikanischen Highways angeordnet hätten.
    "Man muss die Amerikaner an dieser Stelle loben: Hier wird nämlich nachkontrolliert."
    Ganz im Gegensatz zu den Ländern der Europäischen Union. Dort nämlich sind solche Nachprüfungen nicht vorgesehen. Nach Erkenntnissen der Deutschen Umwelthilfe seien dabei nicht nur die Abgassysteme von VW-Fahrzeugen darauf ausgerichtet, nur auf dem Prüfstand die Grenzwerte einzuhalten, nicht aber im regulären Alltagsbetrieb. Die Autoindustrie spare, so Resch, an den teureren, aufwendigeren Technologien und verwende beispielsweise "Speicherkatalysatoren, die eben nur 20, 30 Minuten Stickoxide aufnehmen und danach keine Speicherfähigkeit haben. Da kommt dann praktisch ungefiltert das Gift zum Auspuff heraus."
    Und auch die aufwendigeren mit Harnstoff betriebenen Abgasreinigungssysteme seien nur für den Prüfstand ausgerichtet:
    "Man hat eben die Anlage so eingerichtet, dass sie im realen Fahrbetrieb keinen Harnstoff verbraucht. Also da ist im Grunde für den Test ein bisschen Harnstoff drin. Aber während der normalen Fahrzeit wird das System gar nicht genutzt. Die Abgase werden ungereinigt in die Umgebungsluft geleitet."
    Die Motivation für deren Abgas-Tricksereien bei Dieselfahrzeugen ist für Jürgen Resch klar:
    "Zum einen sparen sich die Hersteller Geld. Die Abgassysteme sind einfach billiger."
    Reform der Testzyklen
    Dabei sieht Resch das Problem der Grenzwert-Trickserien bei Dieselabgasen nicht nur auf den VW-Konzern beschränkt, sondern auf die meisten großen europäischen Autohersteller. Rückenwind bekommt er dabei vom Dachverband "Transport and Environment", in dem sich Umweltverbände aus ganz Europa zusammengeschlossen haben. Verbandssprecherin Julia Hildemeier bemängelt, dass es europaweit bis heute keine unabhängigen Kontrollen zur Einhaltung der Dieselgrenzwerte gäbe:
    "In Europa bezahlen die Autohersteller die Testlabore dafür, dass sie die Tests machen. Wie kann man da von unabhängigen Tests sprechen?"
    Die Forderung daher: Ein europaweit standardisiertes Prüfverfahren für Dieselabgase, das unabhängig durchgeführt wird - und das auch die tatsächlichen Abgaswerte im Fahrbetrieb berücksichtigt. Nach dem jüngsten Skandal um die Dieselautos in den USA stehen dafür immerhin, glaubt Julia Hildemeier, die Chancen so gut wie nie zuvor:
    "Die Chance ist größer als vorher. Und wir haben jetzt eine sehr gute Gelegenheit, dass die Überschreitung von Grenzwerten schnell und langfristig einzudämmen."
    Bereits vor Längerem hat die EU-Kommission für 2017 eine Reform der Testzyklen angekündigt. Die müsse jetzt erheblich früher kommen.