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Mann der Ideen

Eine so unternehmende Persönlichkeit wie der aus einer alten Adelsfamilie stammende Manfred von Ardenne lässt sich schwer in einer Berufsbezeichnung fassen. Erfinder nannte man ihn zu Anfang seiner Karriere, später billigte man ihm auch das seriösere Prädikat Wissenschaftler zu. Aber er war auch Leiter eines eigenen Unternehmens und zeitweise Politiker.

Von Ingo Kottkamp | 26.05.2007
    "Energiemangel ist die Ursache für sehr viele Beschwerden, Krankheiten und Leiden. Insbesondere im höheren Alter."

    Mit seinen Forschungen wollte er ihn überwinden. für Manfred Baron von Ardenne selbst aber war Energiemangel nie ein Problem. 1907 in Hamburg zur Welt gekommen, blieb er bis zu seinem Tod im Alter von 90 Jahren ein zupackender und nie um Einfälle verlegener Mann.

    "Wir hatten uns also sehr engagiert mit Basteln im Bereich der Radiotechnik, die es damals noch kaum gab, aber dann wurde es ernst mit der industriellen Nutzung der Elektronik in der damaligen Form, und das war Anlass für mich also, von der Schule vorzeitig abzugehen"

    und im Jahr 1926 mit der Mitentwicklung des Loewe-Ortsempfängers einen ersten Coup als Erfinder und Unternehmer zu landen. Dieses Radio mit seiner markanten Glaselektronenröhre war billiger und besser als vergleichbare Produkte und entwickelte sich zum millionenfachen Verkaufsschlager. Mit dem damit verdienten Startkapital konnte Manfred von Ardenne, der es immer verstand, sich und seine Sache im Gespräch zu halten, ein Privatlaboratorium gründen. So wurde er, anders als viele in seiner angesehen Adelsfamilie, Forscher und nicht Militär. Mit dem Kriegshandwerk sollte er trotzdem verbunden bleiben.

    Als Ardenne auch die noch junge Fernsehtechnik voranbrachte, wurden die Nationalsozialisten auf ihn aufmerksam. Sie förderten neben dem Fernsehen auch Ardennes Entwicklung des Universal-Elektronenmikroskops Ende der 30er Jahre. Ardenne, den seine Neugier zu immer neuen Gebieten zog, arbeitete auch am atomaren Forschungsprogramm der Deutschen mit. Das so erworbene Know-how rief gleich die nächsten Machthaber auf den Plan.

    Nach Kriegsende ging Manfred von Ardenne auf die sowjetische Seite, weil er sein Laboratorium im Osten Berlins retten wollte. Das stalinistische Regime holten ihn an das eigens für ihn eingerichtete Forschungsinstitut A - für Ardenne. Unter strenger Kontrolle war er so gezwungen, seinen Anteil an der Entwicklung der russischen Atombombe zu leisten.

    "Die mangelnde Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft nach 40 Jahren Möglichkeit zur Optimierung im Frieden hat bewiesen, dass der hoch bürokratische Zentralismus nicht in der Lage ist, die erforderlichen Prozesse an der Basis optimal zu steuern und zu meistern."

    Zeitsprung: 40 Jahre später. Während der letzten Volkskammersitzungen 1989 redet Ardenne der überfälligen Wende das Wort. Er war in den 50er Jahren in die DDR zurückgekehrt, die den Autodidakten ohne Schulabschluss zum Professor und vor allem unter Ulbricht zum Aushängeschild machte. War Ardenne also ein Karrierist, der sein Fähnchen in den Wind der Machthaber hängt? Manches spricht auch dafür, dass der Baron immer seinen eigenen Kopf behielt. Unter den Nazis beschäftigte er einen erklärten Kommunisten in seinem Laboratorium. Im sowjetischen Exil schützte er seine Mitarbeiter erfolgreich vor dem Zugriff der Aufpasser. Und in der DDR hatte er das einzigartige Privileg, sein Forschungsinstitut im Dresdner Stadtteil Weißer Hirsch quasi privatwirtschaftlich führen zu können. Auch in der Wahl seiner Forschungsgebiete blieb Ardenne stets neugierig und eigensinnig.

    "Ziel der Sauerstoff-Mehrschritttherapie ist es, anhaltend, also für Wochen, Monate bis Jahre, den Sauerstofftransport in das Körpergewebe zu steigern, und zwar nicht unerheblich. Das bedeutet mehr Energie des Organismus."

    Noch mit über 80 widmete er sich eigenen Ideen der Krebstherapie, darunter der Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie, die auch zur Prophylaxe und als Fitnesskur eingesetzt wird. Zugleich rettete er mit Verlusten sein Institut in die Bundesrepublik hinüber. Als Manfred von Ardenne am 26. Mai 1997 in Dresden starb, wurde nicht nur ein Erfinder zu Grabe getragen, der Bildröhre, Elektronenmikroskop und Hyperthermie mitentwickelt hatte, sondern auch eine Persönlichkeit, die tief in die Zeitläufte des 20. Jahrhunderts verstrickt war.