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Manu Katché
"Ich tauche ein in den Groove"

Manu Katché hat mit Peter Gabriel und dem Song "Sledgehammer" Musikgeschichte geschrieben. Der Erfolg öffnete ihm alle Türen: Er arbeitete mit Sting, Tori Amos, den Dire Straits und den Eurhythmics. Das erlaubte dem 55-Jährigen, wählerisch zu sein: Mick Jagger erteilte er eine Abfuhr.

Von Marcel Anders | 21.10.2014
    Manu Katché spielt Schlagzeug auf einer Bühne.
    Manu Katché im Juli 2014 beim Monte Carlo Summer Festival in Monaco. (VALERY HACHE / AFP)
    Eigentlich sollte er Klavier lernen. Das war zumindest der Wunsch seiner alleinerziehenden Mutter. Doch das gefiel Emmanuel Katché, den alle nur Manu nennen, genau so wenig wie Ballett oder Violine. Der Sohn eines Straßenmusikers von der Elfenbeinküste, den er nie kennengelernt hat, begeisterte sich von Anfang an für Schlagzeug und Percussion. Ein Stipendium fürs Konservatorium brach er allerdings ab, um Berufsmusiker zu werden. Denn erst, wenn der Mann mit den Dreadlocks hinter einem Drumkit sitzt, ist er wirklich glücklich.
    "Ich weiß nicht, wo ich bin, aber es ist definitiv woanders. Also wie in Trance. Wenn ich spiele, sehe ich ganz viele Pastellfarben und versuche sie miteinander zu verknüpfen. Denn das ist die zweite Stufe. Ich tauche ein in den Groove, die Musik, das Lied, und wenn es gut läuft, fange ich an zu lächeln, schließe die Augen und gehe mit. Ich weiß nicht wohin, aber ich bin weg. Ich sehe Farben und höre Geräusche."
    Haus- und Hofdrummer von Peter Gabriel
    Sein Talent und sein funkiges, pulsierendes Spiel sprachen sich schnell herum und führten zu Sessionjobs für die Creme der französischen Musikszene. Darunter Serge Gainsbourg oder Johnny Holliday. Doch das genügte dem ehrgeizigen Drummer bald nicht mehr. Er ging nach Los Angeles, wo er Tony Levin, den Bassisten von Peter Gabriel, traf und wenig später eine Einladung in dessen Studio erhielt. Gabriel bastelte gerade am Album "So" - und an einem Song namens "Sledgehammer", der einfach nicht funktionieren wollte - bis Manu dazukam.
    "Als ich es hörte, fiel mir gleich auf, wie groovy es war. Ein richtig toller Groove, wunderschön, wie Rhythm & Blues. Es hatte alles, was ich liebe. Wir fingen an und brauchten gerade mal drei Takes. Wenn ich Ihnen sagen würde, wie viele Anläufe wir für die übrigen Stücke gebraucht haben, würden Sie es nicht glauben. Aber hier: Drei Takes. Dann wurde es "Sledgehammer".
    Ein Song, der für immer mit dem Namen Manu Katché verbunden ist. Und noch heute, 28 Jahre später, ist er Haus- und Hofdrummer von Peter Gabriel. In der Zwischenzeit hat er mit Sting, Tori Amos, Jeff Beck, Joe Satriani, den Dire Straits und den Eurhythmics gearbeitet, zudem mit Jazz-Legenden wie Herbie Hancock, Al Di Meola oder Jan Garbarek, aber auch mit einer Exzentrikerin wie Loreena McKennit. Seine stolze Bilanz: Mehr als 300 Alben, wobei der 55-Jährige durchaus wählerisch ist.
    "Mick Jagger hat mich gefragt, ob ich ein Soloalbum mit ihm machen würde. Wir hatten ein Treffen und er sagte: 'Habe 'ne Menge von dir gehört. Ich hätte dich gerne auf meinem nächsten Album. Ruf mich zurück und sag mir, was du denkst.' Ich habe mir dann die Kassetten angehört, und es war gut, sehr gut. Aber es entsprach nicht meinem Stil. Als er dann fragte, wie ich mich entschieden hätte, musste ich absagen. Und er: "OK. Thank you. Goodbye." Es war etwas, bei dem ich mich einfach nicht wohlgefühlt habe.
    "Mehr Rock als Jazz"
    Genau diese Mischung aus Idealismus und Halsstarrigkeit sorgt immer wieder für spannende Projekte und überraschende Richtungswechsel. Ende 2001 stieg der vierfache Vater nahezu vollständig aus dem Pop- und Rock-Geschäft aus, moderierte die ARTE-Show "One Shot Not" und spielt lieber Jazz mit seiner eigenen Band. Wobei er eine Haltung zu dieser traditionsreichen Musikrichtung vertritt, die Puristen gelinde gesagt auf die Palme bringt:
    "Wir nennen es Jazz, weil es instrumentale Musik ist. Aber ich finde, wir sollten dringend den Namen ändern. Wenn ich einem 18- oder 19-Jährigen sage, dass ich Jazz mache, denkt er an seinen Großvater und an Swing. Aber Jazz ist nicht Swing, außerdem entwickelt er sich ständig weiter. Und aus Nordeuropa, Osteuropa, Italien kommen Einflüsse, die es einem erlauben, alles zu steigern und miteinander zu mischen. Da ist das Wort einfach veraltet und falsch. Es ist mehr Rock als Jazz."
    Eine These, die Manu Katché genauso viele Kritiker wie Fans beschert. Doch das könne er sich leisten, sagt er lächelnd. Schließlich habe er mehr Anfragen, als er je ablehnen könne. Weshalb er zu Mick Jagger auch weiterhin "nein" sagen würde.
    Vom 25.10. bis zum 30.10. ist Manu Katché zusammen mit den Jakob Karlzon 3 auf Deutschland-Tournee. Im Gepäck: sein aktuelles Album "Live In Concert".