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Manuskript: Ackern unter Bäumen

Bäume können auf nährstoffarmen Böden zusätzlichen Stickstoff binden, die Erosion bremsen und das Mikroklima verbessern. Die "mehrstöckige" Landwirtschaft aus Bäumen, Stauden und Sträuchern ist in den Tropen weit verbreitet: Die Fläche wird optimal genutzt und liefert hohe Erträge. Ist das auch ein Modell für Europa?

Von Volkart Wildermuth | 15.07.2012
    "Dieser Baum ist ein Wunderbaum. Auch wenn die Regierung uns keinen Dünger gibt - Ich kriege meinen Dünger von Gott."

    "Mein Name ist Egon Rattei, ich bin Vorsitzender der Agrargenossenschaft Forst e.G. und wir befinden uns hier zwischen den Ortsteilen Sacro und Naundorf an diesem Schlag, 'an der Trift', der ist 77 Hektar groß, wo wir hier einen Versuch fahren über Agroforstsysteme."

    Egon Rattei muss mit dem Auto zu den Feldern fahren. Schließlich bewirtschaftet die Agrargenossenschaft Forst über 2000 Hektar Land. Auf den Feldern stehen Mais, Raps, Roggen, aber auch Zuckerrüben, Kartoffeln und Luzerne. Futter für die 2200 Rinder und Nahrungsmittel für die Menschen in Brandenburg und Berlin. Die Landschaft ist flach, hier, kurz vor der Grenze zu Polen. Was an Hügeln da war, hat der Braunkohletagebau wegrasiert. Zurück blieb eine Spielwiese für den Wind. Auf riesigen Brachflächen nimmt er ungehindert Fahrt auf und bläst dann kräftig Richtung Neiße.

    "Wir sehen hier praktisch eine über 1000 Meter lange Strecke ohne Baumbestand und wir merken bei der Bestellung, dass hier der Boden unterwegs ist, wie eine Staubwolke hier übern Acker marschiert. Auf dem Alleycrop System ist das überhaupt nicht vorgefunden worden, bei der Bestellung."

    Alleycrop System, Allen, Baumreihen, mitten in den Feldern. Sie sollen den Wind brechen, den Boden verbessern, Wasser halten, wertvollen Lebensraum bilden und natürlich Holz liefern. Sollen - denn ob sich die Kombination von Ackerfrucht und Baum wirklich lohnt, das werden die Versuche in Forst ja erst zeigen.

    "Wir betreten jetzt diesen Triftschlag und befinden uns jetzt ganz dicht an diesen Parzellen, wo wir jetzt Pappeln und Robinien angepflanzt haben. Ich kann sagen, der Bestand ist nicht gleichmäßig, der ist ein bisschen lückig, bedingt durch Bodenverhältnisse und Anfangsprobleme, die mit Trockenheit beim Anpflanzen zu tun hatten, aber wenn ich den Durchschnittsbestand betrachte, dann haben wir so ungefähr drei Meter Wachstumshöhe."

    Trockenheit, mit diesem Problem haben Egon Rattei und die anderen Bauern in Brandenburg immer häufiger zu kämpfen.

    "Die Klimaveränderung ist natürlich erkennbar. Wir müssen aufpassen, ob wir daraus eine Sensation machen oder vernünftig damit umgehen. Und unsere Verantwortung als Landwirt ist natürlich, herauszufinden, wie können wir diesem Klimawandel also dieser Trockenheit im Sommer und der Kälte im Winter entgegenwirken und da hat der Landwirt natürlich auch mit der Wissenschaft zusammenzuarbeiten."

    Zwölf Meter breit sind die Streifen mit den jungen Bäumen und mehrere hundert Meter lang. Dazwischen, jeweils zwei, drei oder vier Mähdrescher breit, blühen weiß Lupinen und Luzerne. Mit denen kennt sich Egon Rattei aus. Pappeln und Robinien sind dagegen Neuland für den Bauern. Er musste lernen: junge Bäume sind empfindlich. Im Frühjahr drohte das Unkraut die Setzlinge zu überwuchern, im Winter nagten Rehe an den frischen Treiben. Inzwischen sind die Bäume aber weit über die lila Disteln und weißen Margeriten hinausgewachsen, überragen selbst Egon Rattei um einen guten Meter. Dabei wirken die Forststreifen im Acker nicht wie ein kleiner Wald, eher wie wirklich große, hohe Hecken. Das reicht, um dem Wind die Kraft zu nehmen und die Lupinenäcker in den Zwischenräumen zu schützen. Rattei:

    "Die näheren Ergebnisse gilt es jetzt herauszufinden, ob dieses System auch wirtschaftlich ist, also wir müssen wissen, verändert sich das Wachstum unserer klassischen Feldfrüchte wie Lupinen, Luzerne, Kartoffeln, Mais und so weiter, was hier ständig ins Feld gestellt wird oder bringt das nichts? Und das ist eine spannende Sache."

    Der Baum steht im Wald, das Getreide auf dem Acker. Die moderne Landwirtschaft setzt auf Ordnung. Bauer und Förster haben wenig miteinander zu tun. Dabei waren Bäume früher ein selbstverständlicher Teil der bäuerlich geprägten Landschaft: am Feldrain, auf der Streuobstwiese oder als Schattenspender auf der Weide. Doch in eine industrialisierte Landwirtschaft schienen die Bäume nicht so recht zu passen.

    "Es wurde sozusagen, als der Störfaktor in der Landschaft empfunden. Aber letztendlich musste man erkennen - und das haben auch die Landwirte erkannt - dass der Wegfall all dieser Windschutzhecken auch in einigen Gebieten, die besonders erosionsanfällig sind, natürlich wenig förderlich war. Und letztendlich kommt es dann zu steigender Erosion, insbesondere durch Wind."

    Dirk Freese, Professor für Bodenschutz und Rekultivierung an der Brandenburgisch Technischen Universität Cottbus, ist Spezialist für die Folgen des Braunkohletagebaus. In der Lausitz drehen sich die hausgroßen Schaufelräder der Förderbrücken, graben sich 40, 50, 60 Meter tief zu den Flözen vor, verfüllen mit dem Aushub einen halben Kilometer weiter alte Löcher. Zurück bleiben riesige nackte Flächen. Erde, aber kein Boden, keine Nährstoffe, kein Leben. Unkräuter finden hier ein Auskommen, Nutzpflanzen kümmern nur vor sich hin. Um den Boden wiederzubeleben setzt Dirk Freese auf rasch wachsende Pappeln, Weiden und Robinien.

    "Und was man sehr schnell dann feststellen kann ist, dass die Baumpflanzungen in relativ kurzer Zeit merklich dazu beitragen, den Humusgehalt zu erhöhen. Das ist bereits innerhalb der ersten drei, vier Jahre der Fall."

    Alle drei vier Jahre werden die Plantagen abgeholzt und zu Energieholz verarbeitet. Rekultivierung mit Gewinn. Was Brachflächen nützt, davon könnte doch auf der normalen Acker profitieren, dachte Dirk Freese und so entstand der Plan für ein Agroforstprojekt. Es war nicht einfach, Partner zu finden, erst bei Egon Rattei und seinen Genossenschaftsbauern fand er Gehör. Freese:

    "Der Bauer, der Landwirt ist natürlich von seiner Natur her erst einmal skeptisch gegenüber diesen Dingen."

    Dirk Freese schickt seine Studenten regelmäßig auf den Triftschlag bei Forst, lässt sie die Windgeschwindigkeiten messen, Bodenproben nehmen, die Qualität des Grundwassers prüfen und Vögel, Käfer und Mikroorganismen zählen. Klar ist: die Baumstreifen erhöhen die Tier und-Pflanzenvielfalt, und sie verändern die Umweltbedingungen auf dem Feld.

    "Zum einen ist das natürlich oberirdisch gesehen eine Verminderung der Windgeschwindigkeit in der Fläche auf der Leeseite sozusagen, damit habe ich natürlich wesentlich weniger Bodenabtrag, das ist das Erste. Zum anderen sind die Bäume natürlich aufgrund ihres Wurzelsystems durchaus in der Lage, Boden festzuhalten und sie führen ja auch durch ihr Wurzelsystem zur Ausbildung einer gewünschten Bodenstruktur."

    Der Boden ist lockerer und im Herbst wird durch den Blätterfall auch noch Humus gebildet. Beides zusammen erhöht die Wasserkapazität der sandigen Böden in der Lausitz. Regen läuft nicht übers Feld ab, er versickert. Stickstoff- und Phosphordünger bleiben auf dem Acker und werden nicht so schnell in die Kanäle neben den Feldern ausgewaschen. Überhaupt sind die Böden auf der Agroforstfläche feuchter. Dirk Freese:

    "Einfach dadurch, dass wir an der Stelle diese Baumstreifen dazu nutzen, eben den doch oftmals doch vorhandenen stärkeren Wind und damit natürlich auch die Austrocknung des Bodens zu mindern und damit erhalte ich dadurch natürlich nachweislich in der Ackerkrume einen höheren Anteil an verfügbarem Wasser und davon profitiert natürlich die landwirtschaftliche Kultur die sich jetzt zwischen diesen Baumstreifen befindet."

    Agroforstsysteme eignen sich nicht nur für die riesigen Agrarflächen in der Lausitz. Am anderen Ende Deutschlands, im Schwarzwald, könnten auch kleine, steil gelegene Felder profitieren. Wind ist hier zwar kein Problem, wohl aber das Wasser, das den Humus die Hänge hinunterspült. Bäume bremsen auch diese Form der Erosion, so Professor Heinrich Spieker vom Institut für Waldwachstum der Universität Freiburg.

    "Also normalerweise pflanzen wir die Bäume in Streifen und in den Streifen pflanzen wir wertvolle Baumarten, auch seltene Baumarten, die im Wald gar nicht so häufig vorkommen, weil sie relativ wenig konkurrenzfähig sind. Aber in diesen Freiflächen entwickeln die sich sehr schön, wie zum Beispiel der Speierling. Wir können auch an Wildobstarten denken, oder an Ahorn oder an Kirschen. Die Waldkirsche eignet sich besonders gut für solche Zwecke."

    In den ersten drei, vier Jahre entfernen die Bauern die unteren Äste, dadurch bildet sich ein gerader Stamm, ohne Astlöcher. Solches Holz ist bei Schreinern gefragt. Eine Waldkirsche kann einen Preis von 3000 bis 4000 Euro erzielen. Allerdings, und das ist der Haken an dieser Form der Agroforstwirtschaft, erst nach fünfzig oder sechzig Jahren. Spieker:

    "Die Landwirte sind gewohnt einmal eher kurzfristig zu denken und außerdem sind sie gewohnt, dass sie Zuschüsse aus Brüssel bekommen: Und wenn sie jetzt vorgeführt bekommen, eine Idee, in die sie investieren und erst in fünfzig Jahren dann den Ertrag sehen, dann ist das rein von der Mentalität her nicht so einfach zu verstehen und auch umzusetzen, und da liegt eigentlich die Schwierigkeit."

    Bäume pflanzt man für die nächste Generation. Sie können auch als eine Art Sparkasse für schlechte Zeiten genutzt werden. Wenn der Acker einmal wenig hergibt, kann es sich lohnen, auch schon einen zwanzigjährigen Kirschbaum zu schlagen.

    "Außerdem ist diese Kombination von Landwirtschaft und Forstwirtschaft insgesamt produktiver, als wenn man das auf zwei verschiedene Orte konzentriert. Das liegt einfach daran, dass der Boden und die Ressourcen auch das Licht und das Wasser und die Nährstoffe besser ausgenutzt werden. Und dann ist eben eins plus eins mehr als zwei und das ist genau das was diese Produktivitätssteigerung von Agroforstsystemen ausmacht."

    Bäume und Feldfrüchte auf demselben Stück Land - solche Anbauformen haben eine lange Tradition, nicht nur in Europa, auch in weiten Regionen Afrikas, Asiens oder Lateinamerikas. Doch vielerorts sind sie in Vergessenheit geraten, bedauert Eva Müller Direktorin der Abteilung für Ökonomie, Politik und Produkte des Waldes bei der Welternährungsorganisation FAO in Rom.

    "In vielen Ländern werden Land und natürliche Ressourcen immer knapper und daher ist es vor allem für kleine landwirtschaftliche Betriebe oft wichtig, die Möglichkeit zu haben, verschiedene Produkte für den Eigenbedarf und auch zur Schaffung von Einkommen auf kleiner Fläche anzubauen. Und Agroforstsysteme bieten die Möglichkeit, dies zu tun, und zwar eben durch die gezielte Kombination geeigneter Bäume mit landwirtschaftlichen Anbausystemen und Weiden."

    Gerade in tropischen Ländern macht der Anbau in mehreren Pflanzenstockwerken Sinn. An Sonnenlicht besteht schließlich kein Mangel.

    "I am Elleman Mumba I was born here 1956."

    Mit seiner Familie bewirtschaftet Elleman Mumba ein paar kleine Felder in der Nähe von Lusaka, der Hauptstadt Sambias. Früher reichte die Ernte kaum, um alle satt zu bekommen. Doch dann ging seine Frau zu einem Kurs und brachte neue Ideen mit nach Hause. Skeptisch folgte Elleman Mumba ihren Ratschlägen.

    "1996 war die Ernte richtig gut. Ich konnte mir diese Tiere kaufen. Damals habe ich mit dem Conservation Farming angefangen und nie zurückgeblickt. Bei mir zuhause gibt es keinen Hunger. Ich verdiene sogar genug, um meine Kinder zur Schule zu schicken."

    Im Schatten eines großen Baumes grasen Kühe, es gibt Hühner und die alte Lehmhütte ist einem Ziegelhaus gewichen. Beim Conservation Farming wird der Boden nicht komplett gepflügt, Elleman Mumba zieht nur schmale, tiefe Rinnen für die Samen. Das geht auch in der Trockenzeit. Während andere Bauern im Dorf nach dem ersten Regen warten müssen, bis sie beim Pflügen an die Reihe kommen, ist Elleman Mumba bereit und kann direkt pflanzen. Ein entscheidender Vorsprung. Wenn es später trocken wird, ist der Mais schon kräftig. Heute ist Elleman Mumba zwischen den zwei Meter hohen Stauden kaum zu sehen.

    "Diesen Februar gab es keinen Regen. Die Leute haben gesagt, wie kann Dein Mais so groß sein? Sie haben mich sogar Hexer genannt. Ich habe gesagt: Wenn Ihr auch Hexer werden wollt, ich kann es euch zeigen."

    Die schonende Bodenbearbeitung, eine gezielten Fruchtfolge und der Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln sind nur ein Teil des Conservation Farming. Ein weiterer Bestandteil ist der Düngerbaum, den die Menschen in Sambia Musangu nennen. 2004 kam der Trainer von der Conservation Farming Unit noch einmal zu Elleman Mumba und seiner Frau.

    "Er sagte: Kennst du den Musangu-Baum? Nein sagte ich, der hat doch Dornen. Aber er sagte: Das ist ein guter Baum, trotz der Dornen. Er ist wie Dünger und Kalk. Ich meinte: Wenn ich den Baum pflanze, muss ich keinen Dünger kaufen? Gib mir diesen Baum! Er sagte: Pflanze ihn mitten in dein Feld und dann warte ab. Und heute profitiere ich davon."

    In den Feldern von Elleman Mumba steht alle zwanzig, dreißig Schritte der weiße Stamm einer Akazie. Rund acht Meter sind die Bäume inzwischen hoch, mit gefiederten grünen Blättern. Es ist kühler in ihrem Schatten. Der Bauer beugt sich herunter und zerreibt ein wenige Erde zwischen den Fingern.

    "If you see the soil. It looks different from other soil."

    Die Erde sieht anders aus. Am Rand des Feldes ist sie rötlich, fest verbacken. Unter den Bäumen dagegen bräunlich, krümelig, enthält offenbar mehr Humus. Mumba:

    "Jetzt ist der Baum grün, im Oktober und November wirft er die Blätter ab und das ist mein Gewinn. Das ist ein Wunderbaum, die Leute sammeln die Samen, weil sie den Vorteil sehen. Aber es braucht Zeit, meine Kinder und meine Enkel werden von diesen Bäumen profitieren."

    Denn je länger die Musangu Bäume stehen, desto reicher wird die Erde unter ihnen. Dieser Schatz gewinnt durch die Veränderungen in der Atmosphäre noch an Bedeutung. Auch Elleman Mumba hat schon bemerkt: Die Bauern können sich auf das Wetter nicht mehr verlassen.

    "Wir arbeiten gegen den Klimawandel. Der betrifft uns schon heute. Gute Bäume wurden geschlagen, zu Holzkohle verarbeitet. Das Land lag brach. Aber wenn wir diese Bäume pflanzen, dann bekommen wir natürlichen Dünger und das ist gut."

    Rund 200.000 Hektar Wald werden in Sambia jedes Jahr gerodet. Die Böden sind vielfach ausgelaugt und bringen nur niedrige Erträge. Typisch für das südliche Afrika. Die Welternährungsorganisation will diesen Trend stoppen und ein wichtiges Hilfsmittel dafür ist der Düngerbaum, wissenschaftlich Faidherbia albida, erklärt Eva Müller.

    "Dieser Baum wird oft als Wunderbaum bezeichnet, weil er nämlich die Eigenschaft hat, dass er seine Blätter in der Regenzeit abwirft. Und in der Trockenzeit behält, bei vielen Bäumen ist es umgekehrt. Dadurch behindert er das Wachstum von landwirtschaftlichen Pflanzen nicht. Im Gegenteil, er liefert Stickstoff, der das Wachstum fördert, da die Blätter sehr stickstoffhaltig sind. Und in der Trockenzeit sind die Bäume beblättert und dienen als Schatten für Weidetiere und ihre Früchte diesen auch als Nahrung für Weidetiere."

    Faidherbia albida wächst im ganzen Afrika südlich der Sahara. Seine Vorzüge wurden nicht erst von den Wissenschaftlern entdeckt. Für die Serer im Senegal ist er der Baum der Schöpfung, der Leben und Fruchtbarkeit spendet. In vielen Regionen Afrikas war es verboten, ihn zu fällen, erzählt Peter Aagard von der Conservation Farming Unit in Sambia.

    "Ich erzähle Ihnen einmal eine Geschichte. Im 19. Jahrhundert haben es die Emire im Sahel in Westafrika sogar zum Verbrechen erklärt, diese Bäume zu fällen. Die wussten genau, dass dieser Baum nützlich ist."

    In der Sahelzone wird dieses alte Wissen wieder genutzt. Vor zwanzig Jahren in einer großen Trockenzeit, fiel den Bauern auf: Ihr Getreide wächst rund um die Akazien deutlich besser. Also begannen sie die Bäume gezielt zu verbreiten, auf ihren Feldern, ihren Weiden. Agroforstwirtschaft, auch wenn das im Sahel niemand so nennen würde. Jedes Jahr nimmt die Fläche zu, im Niger um etwa 250.000 Hektar. Auch in Burkina Faso und Mali wird Faidherbia albida auf großen Flächen genutzt. - Und bald schon will Peter Aagard auch im südlichen Afrika den Durchbruch schaffen. 1996 hat der Landwirt zusammen mit anderen in Sambia die Conservation Farming Unit gegründet, die auch Elleman Mumba geschult hat. Faidherbia albida ist eine Leguminose. An seinen Wurzeln leben Bakterien, die den Stickstoff aus der Luft in eine biologisch nutzbare Form überführen. Die Bäume nehmen ihn auf und lagern ihn in ihre Blätter ein. Wenn die dann genau zur Pflanzzeit fallen, liefern sie einen wertvollen Dünger. Aagard:

    "Außerdem reichen seine Wurzeln 20, 30, 40 Meter tief. Der Baum kann Nährstoffe aus diesen Tiefen holen. Getreide, besonders Mais und Hirsearten wachsen sehr, sehr gut unter diesen Bäumen."

    Die Ernten sind zum Teil doppelt oder dreimal so hoch, wie auf Feldern ohne Faidherbia albida. In Sambia wurden die Erträge über fünf Jahre verglichen zwischen traditionell bewirtschafteten Feldern, Agroforstsystemen und Feldern, die mit Mineralstoffen gedüngt wurden. Zwar wuchsen die Pflanzen mit dem Mineraldünger am besten, aber diese Strategie ist teuer. Unterm Strich verdienten deshalb die Agroforstbauern am meisten. Wobei gerade Bauern mit schlechtem Land profitieren. Ähnliche Ergebnisse liegen inzwischen auch aus anderen Ländern des südlichen Afrika vor. Das Welt-Agroforst-Zentrum in Nairobi hat deshalb große Schulungsprogramme in Malawi, Tansania, Mosambik, Simbabwe und Sambia gestartet, die inzwischen 400.000 Bauern erreichen Aagard:

    "Kleinbauern sollen zur Wiederaufforstung beitragen, statt zum Abholzen. Allerdings kann man den Bauern nicht sagen: Pflanze Bäume und in sechs Jahre ist Deine Erde besser und in 15 Jahren verdienst Du mehr. Die interessieren sich nicht für die nächsten fünf Jahre, die müssen ihre Familien im nächsten Monat ernähren, und dabei unterstützen wir sie"

    Auch in anderen Regionen der Südhalbkugel werden Agroforstsysteme etabliert oder wieder etabliert. Kaffee und Kakao sind Pflanzen des Regenwaldes, sie sind an Schatten angepasst und vertragen kein direktes Sonnenlicht. Traditionell wurden die Sträucher deshalb unter großen Bäumen angebaut, erzählt Eva Müller:

    "Später hat man dann die Bäume abgeschafft und hat neue Varietäten von Kaffee entwickelt die keinen Schatten brauchten, aber dafür viel mehr Pflanzenschutzmittel und Dünger. Heute besinnt man sich wieder auf die traditionellen Praktiken und in vielen Regionen der Erde wird der Kaffee heute wieder mit Bäumen kombiniert. Und zwar wählt man da oft Bäume, die Stickstofffixierer sind, und dadurch auch zur Erhöhung der Kaffeeerträge beitragen."

    Die Waldabteilung der Welternährungsorganisation beobachtet erfreut: Bäume auf Äckern sind wieder im Kommen. Mit Hilfe von Satellitendaten konnten Forscher des Welt Agroforst Zentrums in Nairobi 2009 die Baumbedeckung auf der kompletten weltweit landwirtschaftlich genutzten Fläche analysieren. Auf fast der Hälfte wuchsen größere Mengen Bäume, vor allem in Südamerika, Südostasien und Afrika. In China und Nord-Korea gibt es große Agroforstprogramme zur Stabilisierung von Hängen und der Erosionskontrolle. In Costa Rica steigern Bäume auf Viehweiden nachweislich die Milchleistung. In Brasilien dienen die Bananen nicht nur als Exportschlager, sondern ihre Blätter auch als wertvoller Dünger, und in Afrika profitieren gerade Frauen von den Bäumen und ihren Früchten. Eva Müller:

    "Ein Beispiel aus dem Sahel wo in Westafrika die Frauen wesentlich an der Produktion von Shea-Butter beteiligt sind. Shea-Butter ist mittlerweile auch in Europa bekannt, das wird sehr oft in Kosmetika verwendet und stammt von einem Baum und die Frauen sind dafür verantwortlich, diese Früchte zu sammeln und zu verarbeiten, eben zu Shea-Butter, die vermarktet wird und zwar nicht nur auf nationaler Ebene sondern zunehmend auch international."

    Auf dem Triftschlag bei Forst pfeift der Wind in den Robinienblättern. Die Stämme sind schlank, biegen sich in der steifen Brise. Noch. Nächstes Jahr werden sie um die sieben Zentimeter Durchmesser erreichen. Dann ist es Zeit für die Ernte. Spezielle Häcksler mit zwei waagrechten Sägeblättern vornedran werden die Bäumchen ummähen und gleich zu Hackschnitzel für Biomassekraftwerke zerkleinern. Vielleicht profitabel, aber Egon Rattei hat doch ein seltsames Gefühl, wenn er seine Robinien betrachtet. Bauern sollen Nahrungsmittel produzieren. So war das immer, aber der Vorsitzende der Agrargenossenschaft Forst will seinen Betrieb mit den 60 Mitarbeitern auch zukunftssicher aufstellen.

    "Wir sollten bei dem ganzen Komplex erneuerbare Energien als Landwirt einen Fuß in der Tür behalten, wir brauchen diese erneuerbaren Energien als Nische. Und bei den Agroforstsystemen ist die Sache natürlich insofern interessant, eine Auflockerung im ländlichen Raum in der Feldbestellung, und ich vermute mal auch die öffentliche Wahrnehmung über die Bewirtschaftung ländlicher Räume durch Landwirtschaft kann hier bevölkerungsfreundlicher passieren."§"

    Im eigenen Betrieb musste Egon Rattei viel Überzeugungsarbeit leisten für die Versuchsfläche und das neue Anbaukonzept.

    ""Die Wahrnehmung unserer Mitarbeiter ist natürlich skeptisch gewesen. Der Traktorist führt ja einen modernen Traktor und will weiter nichts zu tun haben und der Melker im Melkstand in der Milchviehanlage, die melken rund um die Uhr und sagen, Vorsitzender, mach’ Du was mit Wissenschaft."

    Die Skepsis legte sich, auch weil die Agroforstanlage natürlich Rücksicht nimmt auf den normalen Betrieb. Die Abstände sind genau an die Arbeitsbreiten der Mähdrescher und Pflanzenschutzmaschinen angepasst. Egon Rattei zeigt auf den Feldrain. Die Gehölzstreifen enden schon ein paar Meter vorher, so dass genug Platz fürs Wenden bleibt.

    "Zu Anfang haben sie gesagt: Oh weia. Kam da Stirnrunzeln schon zum Vorschein, inzwischen identifizieren sie sich mit diesem System Und ich kann heute schon erkennen nach drei Jahren, dass die Traktoristen zwar in Kauf nehmen müssen, dass die Feldarbeiten kleiner geworden sind in Länge und Breite, aber die gucken natürlich in die Bestände hinein und verfolgen aufmerksam: wächst die Pappel, wächst die Robinie oder ist hier irgendwie ein Wildbestand zu sehen."

    Die Mitarbeiter der Agrargenossenschaft Forst haben sich an ihre neuen Felder gewöhnt. Jetzt warten sie gespannt auf die Ergebnisse der Boden-, Wind- und Wasseranalysen. Rattei:

    "Diese Ergebnisse werden wir in Versammlungen und Gesprächen mit unseren Mitarbeitern immer kundtun, damit die auch merken, hat die ganze Chose – bringt die irgendwie was. Ich vermute, unsere klassischen Feldfrüchte werden besser wachsen, weil sie nicht so dem Wind ausgesetzt sind, die Wasserverdunstung wird eingeschränkt. Gerade in unserer Gegend, wo wir auf jeden Tropfen Regen in der Vegetation angewiesen sind, müssen wir alles unternehmen, um die Wasserverdunstung einzuschränken."

    In Europa setzen vor allem Frankreich und England auf die Agroforstwirtschaft, China ist sehr aktiv, es gibt die Programme des Welt Agroforstzentrums in Afrika und große Projekte in Brasilien. Trotzdem – das Ackern unter Bäume gilt immer noch eher als Nischenform der Landwirtschaft. Einen wichtigen Grund dafür sieht Dirk Freese in den EU-Bestimmungen. Fördermittel gibt es nur für landwirtschaftliche Flächen, und auf denen haben Bäume per Definition nichts zu suchen.

    "Ein Baum gehört bislang ja nicht zur landwirtschaftlichen Kultur insofern wurden Flächen, die mit Bäumen bestanden sind, sich in landwirtschaftlichen Kulturflächen befanden, die wurden halt herausgerechnet. Das soll in Zukunft nicht mehr so sein"

    Interessierte Forscher und Landwirte haben sich kürzlich zur Europäischen Agroforst Assoziation zusammengeschlossen und begonnen, in Brüssel mit Blick auf die nächste Agrarreform 2013 Lobbyarbeit für den Baum auf dem Acker zu betreiben. Unterstützung erhalten sie dabei auch aus Rom, von der Welternährungsorganisation. Auch wenn Eva Müller nicht glaubt, das Agroforstsysteme allein den Hunger in der Welt beseitigen können.

    "Für die große industrialisierte Landwirtschaft sind sie natürlich weniger geeignet, weil das nur mit Maschinen geht, aber sie haben eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Landwirtschaft in Entwicklungsländer eben und vor allem von kleinen Produzenten."

    Und genau die brauchen jede Hilfe, um ihre Erträge zu steigern oder zumindest angesichts des Klimawandels stabil zu halten. Gerade unter diesem Aspekt sind Bäume auf dem Acker in den Augen von Eva Müller fast schon unverzichtbar.

    "Es ist ja bekannt, dass Wälder CO2 fixieren und die Baumkomponente in solchen Agroforstsystemen hilft natürlich auch CO2 zu fixieren. Außerdem trägt die Baumkomponente auch zu einer Stabilisierung der landwirtschaftlichen Flächen bei, also Erosionsschutz und auch zur Wasserregulierung, und das sind alles Themen, die im Rahmen des Klimawandels immer wichtiger werden."

    Das alles ist wissenschaftlich belegt. Publikationen zählen auf dem Land aber wenig. Entscheidend sind erfolgreiche Beispiele. Im südlichen Afrika hat die Conservation Farming Unit zunächst zwölf Bauern geschult. Als die Ernten stiegen, haben sie ihr Wissen dann direkt auf dem Acker weitergegeben. In einer Art Schneeballsystem konnten seit 1996 mehrere hunderttausend Bauern überzeugt werden. Diesen Ansatz will Dirk Freese kopieren.

    "Wir müssen ein Beispiel schaffen in der Landschaft in Kooperation mit den Landwirten. Wir müssen dort Zahlen ermitteln, die man dann wiederum publizieren kann, um andere zu überzeugen. Aber ich denke mal, das Hauptargument ist immer noch das, was auf der Fläche passiert."

    Nichts ist überzeugender als der Erfolg, deshalb sind experimentierfreudige Bauern wie Elleman Mumba und Egon Rattei so wichtig. Dirk Freese und Heinrich Spieker hoffen, dass sie die Keimzellen sind, über die sich das Ackern unter Bäumen weiter etabliert. Zum Nutzen der Bauern und für alle, die mit offenen Augen über die Felder wandern. Spieker:

    "Tatsächlich sind ringsum Maisäcker und die sind natürlich kahl gefegt, frisch umgepflügt und sehen ziemlich langweilig aus. Dagegen wenn man auf unsere Flächen kommt, dann sieht man unsere Kirschbäume, die ersten Kirschen fangen jetzt auch schon an zu blühen. Das wird natürlich, wenn die Bäume ausgewachsen sind noch deutlicher zu sehen und die Herbstfärbung dann und die grünen Tupfer während des Sommers also es belebt die Landschaft und ist von daher ästhetisch eher schön und es ist nicht mehr die eintönige Maisackerlandschaft, die gerade an dieser Stelle vorher war."

    Hinweis: Dies ist der vierte Teil einer fünfteiligen Serie über die zukünftige Ernährung der Menschheit. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Übersichtsseite.