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Die documenta 14 in Athen
Deutliche Kritik und eine gespaltene Kunstszene

Vor gut zwei Wochen hat die documenta 14 in Athen eröffnet. Aber nicht jeder in der griechischen Hauptstadt freut sich über den vermeintlichen Kunstimport aus Deutschland. Das zeigen die Anti-documenta-Graffitis in der Stadt und Gegenveranstaltungen wie die Athen Biennale. Die Athener Kunstszene ist gespalten.

Von Änne Seidel | 25.04.2017
    Ein Crapumenta-Graffiti in Athen.
    Ein Crapumenta-Graffiti in Athen. (Deutschlandradio / Änne Seidel)
    Ein ehemaliges Hotel mitten in Athen. Musik, Performances – und eine Installation: Ein verwüsteter Büroraum, auf dem Schreibtisch eine abgeknickte griechische Flagge. Und über all dem wacht: das Konterfei von Adam Szymczyk, dem künstlerischen Leiter der documenta, als Projektion an die Wand geworfen. Eine Veranstaltung der Athen Biennale, die parallel zur documenta ein eigenes Programm entworfen hat – gemeint als Gegenentwurf zur deutschen Kunstschau.
    "Ich verstehe es so, dass die Athen Biennale hier folgende Frage stellen will: Wer sind eigentlich diese Leute, die hier hergekommen sind, und uns erklären wollen, wer wir sind? Die documenta hat zwar versucht, auf die Realitäten in Athen einzugehen, aber letztendlich hat man doch den Eindruck, dass sie sich vor allem an ausländische Touristen wendet und nicht an die Bewohner dieser Stadt", meint die 35-jährige Künstlerin Maria, eine der Besucherinnen.
    Poka-Yio, Gründer der Athen Biennale.
    Poka-Yio, Gründer der Athen Biennale. (Deutschlandradio / Änne Seidel)
    Poka-Yio, der die Athen-Biennale vor zehn Jahren gegründet hat, bestätigt ihre Interpretation. Die documenta habe sicherlich gute Absichten, aber sie kreise einfach zu sehr um sich selbst:
    Diese Ausstellung hätte sonst wo stattfinden können
    "Natürlich gibt’s auf der documenta tolle Kunst zu sehen. Aber man muss sich mal das große Ganze angucken. Ich war bei der Eröffnung im Museum für Zeitgenössische Kunst: Da waren viele Leute aus der internationalen Kunstszene, mit ihren schicken Klamotten. Und vor den Türen des Museums: Da war das richtige Athen, mit seinen Gerüchen, seinen Geräuschen, seinen Problemen. Aber drinnen hat man davon rein gar nichts gespürt. Diese Ausstellung hätte genauso gut in Zürich, in Basel oder sonst wo stattfinden können."
    Ursprünglich wollte Poka-Yio mit der documenta zusammenarbeiten. Aber dann habe er sich anders entschieden, weil er den Eindruck hatte, dass die documenta nicht an einem wirklichen Austausch interessiert sei.
    "Wir können nicht etwas unterstützen, das unter dem Titel 'Von Athen lernen' steht – wenn die andere Seite dann aber gar keine Neugier und keine Empathie uns gegenüber zeigt, und das ganze Projekt nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Das verstehe ich nicht unter 'voneinander lernen', da ist irgendetwas faul an der Sache."
    Ein Anti-documenta-Graffiti in Athen.
    Ein Anti-documenta-Graffiti in Athen. (Deutschlandradio / Änne Seidel)
    Aber die Anti-documenta-Graffitis in der Stadt, die stammten nicht von ihm, betont Poka-Yio. Es gebe eben noch andere Menschen in Athen, die die documenta kritisch sehen.
    Eine neue Dimension für die Athener Kunstszene
    Ganz anders Alexis Caniaris, ehemaliger Direktor der Athener Kunstmesse Art Athina. Auch er hat in diesen Tagen eine eigene Ausstellung organisiert, um den griechischen Künstlern eine Plattform zu bieten, die nicht an der documenta teilnehmen.
    "Dass die documenta nach Athen gekommen ist, eröffnet der zeitgenössischen Kunstszene hier eine ganz neue Dimension. Parallel zur documenta haben viele Kunst- und Kultureinrichtungen eigene Projekte und Ausstellungen organisiert, denn sie wussten ja, dass viele Kunstliebhaber herkommen würden. Ein sehr interessanter Prozess, der da stattgefunden hat!"
    Endlich mal was anderes
    Genauso sieht das auch die Galeristin Marina Athanassiadou. Dennoch kann sie nachvollziehen, warum sich manch ein Athener Künstler von der documenta missachtet fühlt. Die Kuratoren hätten von Anfang an klar machen müssen, dass es hier nicht in erster Linie um die lokale Athener Kunstszene geht, sondern dass die documenta eine internationale Kunstschau ist, die diesmal eben auch in Athen stattfindet. Für die Stadt aber sei die Ausstellung in jedem Fall ein Gewinn:
    "Ich glaube, es ist das erste Mal, dass hier in Athen die Straßen für ein Kunst-Event gesperrt werden. Sonst passiert das nur, weil wieder irgendwo demonstriert wird: Wenn’s um die Finanzkrise geht oder um die Europäische Union. Wir haben die Nase voll von diesen Demos. Und jetzt findet mitten auf dem Syntagma-Platz plötzlich eine Kunst-Performance statt. Das macht die Leute neugierig, weil es etwas Neues ist. Sie gehen hin und fragen, was da los ist. Und wer fragt, der lernt."