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Marek Janowskis Abschied vom RSB
Ende einer Ära

Es war der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit: 2002 wurde Marek Janowski Chef des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. Das avancierte unter seiner Leitung zu einem anerkannten Spitzenensemble - nicht nur im Bereich der Sinfonik, sondern auch der Oper.

Von Uwe Friedrich | 02.01.2017
    Marek Janowski, Chefdirigent, künstlerischer Leiter des RSB.
    Marek Janowski, Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin von 2002 bis 2015. (imago )
    Musik: Beethoven, Sinfonie Nr. 9
    "Da gab es immer Fragen, können wir nicht mal was anderes machen an Silvester? Ich habe das eisern behalten."
    Sagt der Dirigent Marek Janowski über das Silvesterritual des Berliner Rundfunk-Sinfonieorchesters.
    "Ich bin absolut der Meinung, dass das Populärste an der Neunten überhaupt nicht das Beste ist, das ist vollkommen klar. Aber für mich ist der langsame Satz in der Neunten von einer solch überirdischen Inspiration, dass manches, was, wenn ich das mal vorsichtig so sagen darf, am populistisch-populären des letzten Satzes vielleicht einem doch als eine kompositorische Schwäche auffallen könnte, dadurch überdeckt wird."
    Nicht jede Aufführung der Neunten ist ihm in den vergangenen 14 Jahren gleich gut gelungen, das räumt Marek Janowski freimütig ein. Die Qualität eines wahren Meisterwerks zeige sich aber darin, dass sein Potential sich in einer Aufführung ohnehin nicht vollständig ausschöpfen lasse. Das sei nicht als Entschuldigung gemeint, sondern als Ansporn, es immer wieder anders zu versuchen.
    Musik: Beethoven, Sinfonie Nr. 9
    Kein "Orchestererzieher"
    In seinen vierzehn Berliner Jahren hat Marek Janowski aus einem mittelmäßigen, von Fusion und Schließung bedrohten Orchester einen hochvirtuosen Klangkörper geformt. Dennoch hört Janowski den Begriff "Orchestererzieher" nicht gerne.
    "Es ist vielleicht richtig, dass ich aus einem Orchester, was individuell qualitativ und auch in den Gruppen qualitativ nicht besonders hoch entwickelt ist, dass es mir gelingt, den Willen zum Verbessern der eigenen Qualität eines Orchesters irgendwie zu wecken. Und dass ich vielleicht auch relativ gut solche Bestrebungen dann sinnvoll kanalisieren kann."
    Aufs Recht haben komme es dabei überhaupt nicht an, betont Janowski, auch wenn der Dirigent eines großen Symphonieorchesters während der Proben unwidersprochen bestimmen kann, was gemacht wird.
    "Wenn ich versuchen würde, sowohl gestisch als auch durch interpretatorische Dehnungen oder Überdehnungen in ein Feuerwerk anzubringen, ich könnte das. Aber ich finde, das ist vielleicht eine sehr bürgerliche Antwort, ich finde das irgendwie ein bisschen unehrenhaft. Da habe ich eine gewisse Scheu davor. Man sollte dann doch das Wesen einer bestimmten musikalischen Idee bei Beethoven dann eben auch erkennen können."
    Musik: Beethoven, Sinfonie Nr. 9
    Mehr Klassik, weniger Moderne
    Den Anfang der Ära Janowski beim Rundfunk-Sinfonieorchester markierte ein Zyklus der Symphonien Robert Schumanns, immer wieder standen die zentralen Werke des klassisch-romantischen Repertoires auf den Programmen des Chefdirigenten. Die traditionelle Aufgabe der Rundfunkorchester, zeitgenössische Werke aufzuführen, geriet dabei in den Hintergrund. Das war überraschend, denn früher setzte sich Janowski sehr für die Werke beispielweise eines Hans Werner Henze, Henri Dutilleux, Olivier Messiaen oder Krzystof Penderecki ein.
    "Mein Wunsch, das zu tun, ist geringer geworden im Laufe der letzten 15 oder 20 Jahre. Mein Glauben an den Entwicklungsstrang, dass dieses oder jenes aus der zeitgenössischen Musik vielleicht auch in 50 Jahren noch gespielt würde, ist nicht größer geworden, so möchte ich es mal sehr euphemistisch, vorsichtig bedeckt ausdrücken."
    Stattdessen dirigierte Marek Janowski, der sich als Opernmann durch und durch bezeichnet, immer wieder konzertante Opernaufführungen. Weihnachten lag zum Abschied vom RSB Humperdincks "Hänsel und Gretel" auf den Pulten, Höhepunkt war aber zweifellos der Berliner Zyklus der zehn großen Wagneropern. Auch die CDs der Deutschlandradio-Mitschnitte verkaufen sich prächtig.
    "Es ist im Kontext der gesamten Tätigkeit eines solchen Orchesters eher die Ausnahme, dass man dauernd, während man selbst spielt, einer Gesangsstimme zuhören müsste, sollte und dann auch die Fähigkeit dazu entwickelt. Jedes Opernorchester ist im Schnellreflex flexibler als ein Symphonieorchester. Umgedreht, ich will es mal so formulieren, dass ich keinem zu nahe trete, fällt es, was die messerscharfe Präzision angeht, einem Symphonieorchester leichter als einem Opernorchester."
    Musik: Wagner
    Musik als Wesentliches
    Musik, überhaupt die Künste, gehören zu den freiwilligen Leistungen des Staates, und so ist die Versuchung der Finanzpolitiker groß, auf diesem Feld zu sparen. Als Marek Janowski 2002 nach Berlin kam, schienen die Tage des Rundfunk-Sinfonieorchesters gezählt. Heute scheint die Zukunft der Rundfunkorchester und –Chöre Berlin GmbH, deren Hauptgesellschafter das Deutschlandradio ist, gesichert. Das ist auch ein persönliches Verdienst Marek Janowskis.
    "Ich habe das hier in den Berliner Jahren sehr intensivieren können, dass man einfach die so genannten Vieraugengespräche mit bestimmten Politikern, die gar nicht unbedingt direkt an den Entscheidungen dran sind, aber dass man durch Überzeugung für, zumindest sagen wir einmal wohlwollende Politiker Argumentationshilfen schafft, dass sie nachvollziehen können, warum es vielleicht besser ist, auf eine Fusion oder eine Stellenstreichungen hier oder da mal zu verzichten."
    "Das Wesentliche ist die Musik" lautete der Wahlspruch des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin unter seinem Chefdirigenten Marek Janowski. Selbstbewusst, aber für einen Dirigenten verblüffend uneitel hat er sich in seinen vierzehn Berliner Jahren für dieses Wesentliche eingesetzt.
    "Was mich freut ist, dass viele Leute mir im Publikum das abnehmen, so wie ich das mache. Und dass da vielleicht auch der ein oder andere dabei ist, der dann mal ein Erlebnis gehabt hat, was ihn für viele Jahre geprägt hat, das ist doch auch ganz schön, finden Sie nicht?"
    Musik: Beethoven, Sinfonie Nr. 9