Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Marihuana in Colorado
High sein ohne Paranoia vor der Polizei

67 Prozent der Wähler von Colorado haben vor zwei Jahren für die Legalisierung von Cannabis gestimmt. Seit einem halben Jahr nun läuft das große gesellschaftliche Experiment und hat die Anziehungskraft des Bundesstaates für Touristen deutlich erhöht. Doch die Marihuana-Geschäftsleute wissen nicht, wohin mit dem verdienten Geld.

Von Marcus Pindur | 18.06.2014
    Eine Marihuana-Aufzucht in Denver, Colorado
    Eine Marihuana-Aufzucht in Denver, Colorado (dpa / pa / Watlington)
    "Ich rauche Marihuana, weil es den Umgang mit Leuten interessanter und die Monotonie des Lebens erträglicher macht."
    "Es lässt mich innerlich zur Ruhe kommen, so dass ich mich auf einen Gedanken konzentrieren kann. Es fokussiert meine Kreativität."
    "Ein unglaubliches Gefühl von Freiheit und Spaß, fast übernatürlich."
    "Es entspannt und motiviert mich zugleich. Das ist schwer zu beschreiben, es lässt meine Kreativität fließen und meine Motivation, angefangene Projekte auch zu beenden."
    Junge Leute in Colorado beschreiben ihre Erfahrungen mit Marihuana. Die Droge ist längst schon nicht mehr nur Teil einer Jugendkultur in den USA, sie ist schon seit langem gesellschaftsfähig – und seit einem halben Jahr ist sie in Colorado auch legal. Stoner aus allen Teilen der USA kommen ins Marihuana-Mekka – high sein und keine Paranoia vor der Polizei schieben, dass ist eine ganz besondere Dröhnung.
    Marihuana zieht auch viele Touristen an
    Angela Bernhard hat den legalen Tetrahydrocannabinol-Konsum in ihr Geschäftsmodell integriert. Sie betreibt mit ihrem Freund ein Bed-and-Breakfast in der Nähe von Denver, in einem kleinen Ort namens Morrison. Auf ihrer Website werben die beiden damit, dass man bei ihnen im Whirlpool rauchen könne, und dass der, wie es heißt, verantwortungsvolle Marihuana-Genießer willkommen sei. Und die Kunden wissen dies zu schätzen, meint Angela.
    "Unsere Kunden kommen aus der oberen Mittelschicht, haben Geld, sind intelligent und gesellig. Und das hat es bisher für diese Klientel nicht gegeben, dass der Arzt, der Rechtsanwalt oder die Geschäftsfrau abends zusammensitzen können und einen Joint rauchen. Marihuana-Rauchen ist eine sehr gesellige Angelegenheit in Amerika."
    Die Hippies haben sich verändert. Sie leben nicht mehr von Luft und Liebe, sondern sie haben Geld und sind froh über eine gute Altersversorgung. Das Marihuana-Rauchen ist in den bürgerlichen Lebensstil integriert und gleichzeitig ein antibürgerlicher rebellischer Gestus, den man sich leisten kann.
    Für zehn Dollar ist eine Tüte zu haben, bei Northern Lights Cannabis, einer der 160 lizenzierten Cannabis-Einzelhändler. Eine Kundin lässt sich beraten.

    Der Laden Medicine Man ist in Colorado, wo Gras legal ist
    Kundinnen im Laden "Medicine Man" suchen ihre Lieblingsgrassorte (Deutschlandradio Kultur / Fredy Gareis)
    Colorado freut sich über hohe Steuereinnahmen
    Eva Woolhiser ist Mitinhaberin von Northern Lights. Bis zum Ende des vergangenen Jahres hat sie Cannabis zu medizinischen Zwecken verkauft, jetzt hat sie ihr Geschäft enorm ausdehnen können. Wie viel Umsatz sie macht, will sie nicht verraten. Doch allein die Steuermehreinnahmen des Bundesstaates Colorado durch die Marihuanabranche werden dieses Jahr auf 40 Millionen Dollar geschätzt, Tendenz steigend.
    Für Eva bringt dies aber auch ein Problem mit sich. Sie kann ihr Geld nicht zu einer Bank bringen, dass würde den Tatbestand der Geldwäsche erfüllen, so sehen es jedenfalls die Bundesgesetze. Viele Händler haben deshalb hohe Bargeldsummen im Tresor, nicht gerade eine sichere Angelegenheit. Andere haben stillschweigende Vereinbarungen mit ihren Banken, die sich damit jedoch streng genommen nach Bundesrecht strafbar machen.
    Außerdem, so Eva Woolhiser, wird der Marihuana-Einzelhandel hoch besteuert.
    "Das Schwierigste ist, dass wir keinerlei Geschäftsausgaben von der Steuer absetzen können. Und wir werden als Einzelpersonen versteuert und nicht als Unternehmen, dadurch ist unser Steuersatz sehr hoch."
    Auch in den USA bricht Bundesrecht Landesrecht – eigentlich. Doch die Bundesbehörden sind noch auf der Suche nach einer Lösung für die Marihuana-Geschäftsleute. Das Landesparlament von Colorado hat jetzt ein Gesetz beschlossen, dass es der Marihuana-Wirtschaft erlaubt, Genossenschaftsbanken zu gründen. Doch auch das bringt Probleme mit sich, diese Geldinstitute wären nämlich nicht in der bundesweiten Einlagenversicherung – müssten aber dennoch von den Bundesbehörden kontrolliert werden. Viele offene Fragen.
    Arbeiter in Colorado sortieren Marihuana
    50 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen "Medicine Man" (Deutschlandradio Kultur, Fredy Gareis)
    Teil der Einnahmen wird für Aufklärung genutzt
    Es sei noch zu früh, um abzuschätzen, ob die Marihuana-Legalisierung ein Erfolg sei, meint Paul Lopez. Der Demokrat vertritt den ärmsten Bezirk von Denver im Rathaus.
    "Ob wir es legalisieren oder nicht, das Marihuana ist da. Und es war schon seit einer langen Zeit da. Für uns ist wichtig, dass wir das jetzt regulieren können, wir können sicherstellen, dass es sich um ein sicheres Produkt handelt, wir haben es unter Aufsicht."
    Damit wird der Drogenmafia ein wichtiges Marktsegment entzogen. Paul Lopez hat auch durchgesetzt, dass keine Marihuana-Geschäfte in der Nähe von Schulen aufmachen dürfen. Doch die wichtigste Aufgabe sei es, im Rahmen der Legalisierung die Jugendlichen über Marihuana aufzuklären, dafür werde ein Teil der Steuermehreinnahmen verwandt.
    "Marihuana ist und bleibt eine Droge. Man sollte sie nicht andauernd zu sich nehmen, nur weil sie legal ist. Alkohol ist auch legal, aber deshalb sollte man nicht den ganzen Tag über Bier trinken."