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Marke "Universität Sachsen"

Vorbild "University of California": Die FDP will alle sächsischen Hochschulen unter einem Dach bündeln. Die Opposition im Landtag lehnt die Idee der Liberalen durch die Bank weg ab und auch die sächsischen Rektoren sind alles andere als begeistert.

Von Ronny Arnold | 06.05.2011
    "Wenn ich international unterwegs bin und gefragt werde: Wo kommen sie denn her? Sage ich natürlich: aus Chemnitz, ich bin Lokalpatriot, große Universität. Meist kennt man die nicht. Und ich sage dann: Chemnitz ist das sächsische Manchester und Dresden ist in der Nähe."

    Andreas Schmalfuß, 44 Jahre alt, gilt in Dresden als äußerst ambitioniert. Denn hier sitzt der Chemnitzer Lokalpatriot im sächsischen Landtag - und zwar für die FDP, die seit 2009 als Juniorpartner gemeinsam mit der CDU regiert. Schwerpunkt von Professor Doktor Schmalfuß ist die Wissenschafts- und Hochschulpolitik, und passend dazu haben er und seine Parteifreunde auf dem letzten FDP-Landesparteitag eine reizvolle Idee entwickelt.

    "Die Idee ist: Universität Sachsen. Und u.a. sind wir da auf das Modell der Universität von Kalifornien gestoßen, University of California, die im Prinzip ihre Hochschulen unter einer Dachuniversität im Rahmen eines Hochschulverbundes zusammen gefügt haben. "

    In Sachsen würde die Idee bedeuten: 15 Hochschulen in einem Verbund unter einem Dach. Für Schmalfuß hätte dieses neue Label gleich zwei positive Effekte: Etwa extern, als Magnet für talentierte Studierende, internationale Forscher und Professoren.

    "Wir sagen: Sachsen ist ein Wissenschaftsraum. Und um so eine Zusammenarbeit auch international besser händeln zu können, muss Sachsen als ein Wissenschaftsstandort vermarktet werden. "

    Laut FDP-Papier könnten unter der neuen Marke "Universität Sachsen" dann intern auch Verwaltungseinheiten und Studienangebote zusammen gelegt, Rechnerkapazitäten und Großgeräte gemeinsam genutzt und Lehrinhalte besser abgestimmt werden. Soweit, so unkonkret - meint in Sachsen so ziemlich jeder, der nicht zur FDP gehört oder zumindest mit ihr sympathisiert. Die Opposition im Landtag lehnt die Idee der Liberalen durch die Bank weg ab, der Koalitionspartner CDU erbittet Bedenkzeit. Und auch im zuständigen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst ist man alles andere als glücklich über diese plötzliche Zuarbeit aus der liberalen Ecke, so Pressesprecherin Annett Hofmann.

    "Es ist eine Idee, ich sehe dahinter noch kein ausgefeiltes Konzept. Jeder bemüht sich um internationale Sichtbarkeit, aber die schafft man nicht mit einem Markenbegriff, sondern über Forschungsergebnisse, über exzellente Lehre und Forschung."

    Im Ministerium ist man derzeit vor allem verstimmt, weil sich die FDP gezielt gegen die Zukunftsvision aus dem eigenen Haus ausspricht: vier regionale Wissenschaftsräume - Chemnitz, Leipzig, Dresden und Freiberg.

    "Der Ansatz, den wir verfolgen ist, erst einmal in der regionalen Vernetzung zwischen den einzelnen Universitäten einer Region, anderen außeruniversitären Einrichtungen zu schauen, wo gibt es Synergieeffekte, gemeinsame Strukturen. Aber eine Forschungsprofilierung, das bleibt den Hochschulen an sich überlassen."

    Auch die FDP betont, dass die Autonomie der Hochschulen gewahrt bleiben müsse und sie keine Einheitsuniversität "Sachsen" schaffen will. Doch auch bei den Hochschulen kommt ihre Idee nicht sonderlich gut an, meint der Rektor der TU Chemnitz und derzeitige Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, Klaus-Jürgen Matthes.

    "Grundtenor ist, dass wir in Sachsen ein ausgeprägtes Hochschulsystem haben und diese Struktur sollte möglichst erhalten bleiben. Die Hochschulen haben sich in den letzten Jahren ein eigenes Profil in Lehre und Forschung entwickelt. Das ist deutschlandweit und international bekannt. Und wenn ich das jetzt vereinige, weiß ich nicht, was das für einen Sinn haben soll."

    Rektor Matthes befürchtet eine zusätzliche Verwaltungsebene, somit noch mehr Bürokratie statt weniger und womöglich neue Grabenkämpfe um Entscheidungskompetenzen. Dabei entsteht schon jetzt der Eindruck, dass die Kluft zwischen den im Landtag vertretenen Parteien, egal ob sie in der Opposition oder gemeinsam in der Regierung sitzen, kaum größer sein könnte. Und im Staatsministerium versucht man, trotz der politischen Irritationen, einen tragfähigen Hochschulentwicklungsplan für die kommenden zehn Jahre auf die Beine zu stellen. Eine "Universität Sachsen” kommt darin nicht vor, und auch der Rektor der TU Chemnitz hofft, dass diese Idee der sächsischen FDP schnell wieder in der Schublade verschwindet.

    "Wir sind gerade in der zweiten Phase dieser Exzellenzinitiative. Dresden und wir haben ja entsprechende Anträge in der Fortsetzung. Dass das negativ ausfallen könnte, dass man sagt: das ist jetzt die Universität Sachsen. Viel wichtiger ist für die Zukunft, dass die Universitäten besser ausgerüstet werden, dass sie finanziell wesentlich besser dastehen könnten. Dort sollte man nachbessern, das könnte für Sachsen positiv sein."