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Markt oder Moral im Waffengeschäft

Leopard-2-Panzer will Krauss-Maffei-Wegmann gerne nach Saudi-Arabien verkaufen. Und nun scheint es, dass der geheim tagende Bundessicherheitsrat dies bewilligen könnte. Kritiker befürchten generell einen Wandel in der Rüstungspolitik, Befürworter unterstreichen oft die ökonomische Bedeutung.

Von Tim Aßmann | 23.02.2012
    So klingt ein Radpanzer vom Typ Boxer – der neuesten Entwicklung des Münchner Panzerbauers Krauss-Maffei-Wegmann, kurz KMW. Der Boxer ist sozusagen ein hochintelligenter Panzer: Auf das Fahrgestell lassen sich verschiedene Module aufsetzen. Mal ist der Boxer ein Sanitätspanzer, mal ein Truppentransporter. KMW-Sprecher Christoph Müller schwärmt:

    "Sie sehen: In einem solchen Fahrzeug wie dem Boxer finden zehn Soldaten Platz. Einerseits der Fahrer vorne rechts, dann der Richtschütze, der Kommandant und dann Infanteristen, die mit einer Gesamtstärke von sieben Mann plus dem Kommandanten absitzen können."

    Mit dem Boxer fahren deutsche Soldaten in Afghanistan in den Kampf gegen die Taliban. Die moderne Technik aus dem Hause KMW schützt ihre Leben.

    Müller: "Sie sitzen hier auf ergonomisch sehr, sehr anspruchsvollen Sitzen. Im Falle einer Ansprengung schützen sie den Soldaten in einem Höchstmaß. Hier sind Airbags integriert in den Anschnallgurten und im Falle einer Ansprengung öffnen sich die Airbags und schützen den Soldaten auch noch einmal zusätzlich vor der Beschleunigung im Falle eines Anschlages."

    Die 1500 KMW-Mitarbeiter in München-Allach bauen einzig und alleine Panzerfahrzeuge. Früher war der Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 das Aushängeschild des Unternehmens – verkauft wurde er meist an die Bundeswehr und andere Nato-Armeen, doch diese Kunden brauchen solche Kampfpanzer gar nicht mehr oder nur noch in geringeren Stückzahlen. KMW sucht also neue Kundschaft, sagt Sprecher Christoph Müller.

    "Die Bundeswehr ist einer unserer bedeutendsten Kunden, aber nicht mehr der Kunde, mit dem wir uns alleine ernähren können. Deswegen haben wir schon vor sehr langer Zeit begonnen, eine sogenannte Internationalisierungsstrategie einzuleiten."

    Dazu gehören auch - im Einklang mit den deutschen Ausfuhrbestimmungen für Rüstungsgüter - Exporte. Saudi-Arabien hat Interesse an bis zu 270 Leopard 2. Das ist offiziell nicht bestätigt, gilt aber inoffiziell als sicher. Der sogenannte Panzerdeal mit den Saudis ist hochsensibel und Krauss-Maffei-Wegmann-Sprecher Christoph Müller entsprechend zurückhaltend:

    "Fakt ist zum einen, dass das Interesse Saudi-Arabiens am Leopard nicht erst seit diesem Sommer bekannt ist, sondern schon seit sehr vielen Jahren. Das ist eigentlich keine Neuigkeit. Fakt ist aber auch, dass wir bei KMW keinen Vertrag für die Lieferung von Leoparden nach Saudi-Arabien besitzen. Aber es ist mit Sicherheit eine Diskussion gewesen, die eine ausgesprochen hohe Aufmerksamkeit und auch Medienaufmerksamkeit über die vergangenen Wochen und Monate besessen hat. Wir haben große Sorge, dass das Thema in der Unternehmensbetrachtung sehr verkürzt dargestellt wird."

    KMW wäre Generalunternehmer bei einer Leo-Lieferung an die Saudis. An der Produktion der Kampfpanzer beteiligt wären unter anderem Rheinmetall, Diehl, MTU und Carl-Zeiss. Die Firmen könnten gemeinsam bis zu drei Milliarden Euro einnehmen – falls die Bundesregierung den Export letztlich genehmigt. Darauf können die beteiligten Unternehmen wohl hoffen. Eine entsprechende Voranfrage von Krauss-Maffei-Wegmann hat offenbar schon erfolgreich das zuständige Gremium passiert - den geheim tagenden Bundessicherheitsrat. Ihm gehören die Kanzlerin und mehrere Fachminister an. Über welche Geschäfte der Bundessicherheitsrat berät, wird nicht mitgeteilt. Was er genehmigt, erfährt die Öffentlichkeit immer erst nachträglich – aus dem Rüstungsexportbericht.

    Hahn: "Wir gehen davon aus, dass es erstmal ein grünes Licht aus dem Bundessicherheitsrat gab. Und dann muss ich sagen, bin ich für dieses Geschäft."

    Besuch bei Florian Hahn in einem kleinen, wabenartigen Büro in einem Berliner Abgeordnetenhaus. Der gemütliche Enddreißiger aus dem Landkreis München sitzt lächelnd an einem nüchternen Schreibtisch, daneben steht ein Sofa für die Pausen. Florian Hahn vertritt die CSU im Bundestag und im Verteidigungsausschuss. Sein Alltag im Berliner Politikbetrieb ist weit weg vom Kampf am Hindukusch oder arabischen Bürgerkriegen. Für Florian Hahn sind Kriege und Armeen vor allem eines: wirtschaftliche Eckdaten.

    "Saudi-Arabien ist für uns im Nahen Osten ein wichtiger Partner, der - wenn Sie sich die Landkarte anschauen - in einer schwierigen Region ist und der eben verteidigungsbereit sein möchte. Das kann man nachvollziehen. Saudi-Arabien gehört auch zu den Ländern, wenn wir hinsehen, die sich enorm entwickelt haben. Es gibt kein anderes Land im Nahen Osten, wo so viele junge Frauen an Universitäten können, wo sehr viel in Bildung gesetzt wird. Und ich denke, das muss man auch vor dem Hintergrund sehen."

    Florian Hahns eigener Hintergrund passt zum Thema. Vor seiner Wahl in den Bundestag war er als unter anderem in der Pressestelle von Krauss-Maffei-Wegmann tätig. Zu Saudi-Arabien sagt er außerdem:

    "Hier ist ein für den Nahen Osten, vor dem Hintergrund der Verhältnisse dort, ein guter König, der durchaus weltoffener ist als andere in der Nachbarschaft. Und ich glaube deswegen ist das keine Gefahr."

    Wirklich? Der gute König, von dem Florian Hahn spricht, half vor rund einem Jahr mit seinen Truppen im Nachbarland Bahrain, Proteste der Demokratiebewegung gegen die autoritäre Regierung niederzuschlagen. Dass der saudi-arabische König Abdullah dies im eigenen Land mithilfe des Leopard 2 bald auch tun könnte, kann sich der CSU-Bundestagsabgeordnete Hahn nicht vorstellen:

    "Da kann man im Detail jetzt diskutieren, ob ein Kampfpanzer Leopard 2 jetzt geeignet wäre zur Niederschlagung von Volksaufständen? Ist es sicherlich nicht."

    Kritiker des Deals mit Saudi-Arabien widersprechen. Jan Grebe, Rüstungsexperte am Bonner Internationalem Zentrum für Konversion, einem Friedensforschungsinstitut, erklärt:

    "Wenn dieses Geschäft so stattfindet, wäre das sicherlich eine neue Dimension deutscher Rüstungsexporte. Saudi-Arabien versucht seit über zwei Jahrzehnten, den Leopard Panzer zu kaufen. Wenn das denn so stattfindet, dieses Geschäft, wäre das sicher ein einschneidendes Ereignis in der deutschen Rüstungsexportpolitik."

    Was deutsche Rüstungsunternehmen ins Ausland verkaufen dürfen, ist - theoretisch - klar geregelt: in den sogenannten Exportrichtlinien. Sie gelten im weltweiten Vergleich als besonders streng. Zitat:

    "Genehmigungen für Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern werden grundsätzlich nicht erteilt, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass diese zur internen Repression im Sinne des EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden."

    Aber Ausnahmen sind unter bestimmten Umständen erlaubt, sagen Befürworter des Panzergeschäftes mit Saudi-Arabien - wie Martin Lindner. Das Berliner Büro des FDP-Mannes Lindner ist eindeutig größer als das seines CSU-Kollegen Hahn. Der Jurist Lindner ist schließlich Fraktionsvize der Liberalen im Bundestag. Im Dreiteiler, mit zurückgegelten Haaren und ausgestreckten Beinen lehnt sich Lindner beim Interview im Sessel zurück. Mit der Espressotasse in der Hand philosophiert der FDP-Parlamentarier über Anspruch und Wirklichkeit in der deutschen Rüstungsexportpolitik:

    "Zivilbevölkerung. Die Menschenrechte sind ein relevanter Faktor nach den Richtlinien. Die spielen eine Rolle. Aber in den Richtlinien steht ganz klar: Die außen- und sicherheitspolitischen Interessen unseres Landes sind prioritär."

    Und für die wirtschaftspolitischen Interessen Deutschlands macht sich Martin Lindner immer dann stark, wenn es im Bundestag um Rüstungsausfuhren geht. Seine Botschaft: Die Exportinteressen der deutschen Industrie dürfen nicht vernachlässigt werden.

    "Wir dürfen nicht außer Acht lassen, was Andere machen. Es darf nicht dazu führen, dass unsere eigenen Unternehmen in einen strukturellen Wettbewerbsnachteil geraten. Wir können und werden nicht bei allem mitmachen, was andere machen. Das ist so. Aber es ist schon wichtig, dass wir hier in einem Land, was sehr exportorientiert ist, was also auch einen erheblichen Teil des eigenen Wohlstands auf Export gründet, dass wir hier nicht unnötig Schwierigkeiten machen und also krampfhaft versuchen, eher Dinge zu verhindern, als möglich zu machen. Ich glaube, da ist auch die Bundesregierung auf einem sehr ausgewogenen und vernünftigen Kurs."

    Geschätzt 80.000 Arbeitsplätze bundesweit hängen direkt oder indirekt an der Rüstungsindustrie. Eine Branche, die schon jetzt 70 Prozent ihres Umsatzes mit Exporten macht.

    O-TON Beyer: "Das ist UHT 25, ein Tiger in der Konfiguration, wie ihn der deutsche Kunde bestellt hat."

    Der Hubschrauber im olivgrünen Fleckendesign erinnert allerdings nicht an ein Raubtier. Er ähnelt eher einem großen, exotischen Insekt. Flugfähig, aber noch ohne Raketen oder Kanonen, steht der Tiger in einer Halle von Eurocopter in Donauwörth; daneben Thomas Beyer. Er ist Leiter der Endabnahme für den Tiger. Mit einer weitausholenden Armbewegung beschreibt der Ingenieur, was sein fliegendes High-Tech-Produkt alles kann:

    "Der Hubschrauber ist zur Aufklärung und zur Bekämpfung geeignet – von diversen Zielen. Das kommt drauf an, wie der Kunde ihn auch mit Waffen ausstattet. Es gibt verschiedene Möglichkeiten: Also, man kann gelenkte und ungelenkte Raketen dranhängen. Man kann 'nen Gunport dranhängen. Wenn er jetzt nach Afghanistan gehen sollte, dann wird er dort vermutlich hauptsächlich den Truppen am Boden Schutz aus der Luft bieten."

    Eurocopter hofft darauf, dass die Bundeswehr den Tiger bald an den Hindukusch entsenden wird. Der Hubschrauber soll dort das Siegel "battle-prooved" - kampferprobt - bekommen. Wenn die Raketen des Tigers ihre Ziele im Ernstfall vernichten, steigert das das Image und wirkt verkaufsfördernd.

    Beyer: "Die französischen Truppen haben mit dem baugleichen Tiger, nur mit 'ner anderen Ausstattung, recht gute Erfolge erzielt. Sie sind hochzufrieden."

    Jahrzehnte an Entwicklung und Erprobung stecken im Kampfhubschrauber Tiger. Geplant wurde er noch für den Kampf gegen sowjetische Panzer, doch die Zeit hat ihn überholt. Eine deutlich verkleinerte Bundeswehr mit heute ganz anderen Aufgaben will den Tiger zwar noch, aber sie wird deutlich weniger Helikopter kaufen als ursprünglich geplant. Der Hubschrauberbauer setzt nun auf neue Märkte. Katar hat Interesse am Kauf von zwei Dutzend Tigern; das Land ist nicht der einzige Eurocopter-Kunde auf der arabischen Halbinsel. Das Unternehmen verkauft zum Beispiel Transporthubschrauber an den Oman und auch Helikopter mit der Aufschrift Iraqi-Army stehen in Donauwörth in den Werkshallen. An den Absatzmärkten im Ausland – im Nahen Osten, in Asien aber auch in Südamerika – hängen die deutschen Rüstungsjobs. Jüngstes Beispiel: der geplatzte Verkauf von mehr als 120 Eurofighter-Kampfjets an Indien. Der entgangene Auftrag ist für den deutschen Hersteller Cassidian ein Debakel, das mittelfristig den Verlust von mehreren Tausend Arbeitsplätzen im oberbayerischen Manching bedeuten könnte. Daneben geht es auch um den Erhalt des technologischen Know-How in Deutschland. Den Verlust dieses technischen Wissens, das für die Ausrüstung der Bundeswehr auch künftig gebraucht wird, will die Politik auf keinen Fall riskieren.

    "Natürlich müssen wir folgenden Gedankengang anstellen: Die Bundeswehr wird kleiner. Sie wird auch weniger Waffen beschaffen",

    sagt Rainer Stinner, außenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag:

    "Das heißt, die Konsequenz, was manche ja fordern, einen ganz strikten Rüstungsexportstopp generell, keine Rüstungsexporte – gibt es ja Protagonisten in Berlin, die das tun – die müssen dann gleichzeitig sagen: Das heißt, das ist das Ende der deutschen wehrtechnischen Industrie und die müssen gleichzeitig sagen, das heißt, dass jede Patrone, jeder Stiefel, jedes Gewehr, jeder Panzer, jedes Flugzeug, das die deutsche Bundeswehr braucht, in Zukunft aus dem Ausland kommen - und will man das? Und ich sage, das wollen wir nicht."

    Also Exportförderung? Ja, sagt Joachim Pfeiffer. Der Schwabe sitzt für die CDU im Bundestag. Er ist wirtschaftspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion und wünscht sich eine Lockerung der Exportrichtlinien zugunsten der deutschen Waffenschmieden:

    "Ich bin schon der Meinung, dass wir da auch gewisse Offenheit zeigen sollten. Wir sind da meiner Ansicht nach eher viel zu restriktiv. Die Industrie und die Technologie, die damit verbunden ist, ist ein Instrument für die Politik. Und wenn wir diese Instrumente sichern wollen - und da wurden Milliardenbeträge investiert, ja auch an Steuergeld -, dann haben wir eine Aufgabe aus meiner Sicht, dass dieses Know-How in Deutschland erhalten bleibt."

    Katja Keul: "Das ist ja jetzt auch so diese Linie, die relativ unverblümt, das ist ja das Neue daran, gefahren wird. Dass gesagt wird: Ja, dann ist das wohl so, wenn wir die Sachen hier nicht mehr kaufen und Europa das nicht mehr verkaufen kann, dann müssen wir dorthin, wo die zahlungskräftigen Absatzmärkte sind, wie zum Beispiel die arabische Halbinsel. Das wird also gar nicht groß hinterm Berg gehalten. Und das ist eigentlich schon beunruhigend."

    Katja Keul arbeitet nur zwei Straßenzüge von Martin Lindner und Joachim Pfeiffer entfernt. Inhaltlich liegen zwischen der Grünen-Bundestagsabgeordneten und parlamentarischen Geschäftsführerin ihrer Fraktion und ihren Kollegen von FDP und CDU aber Welten. Die Rüstungsexpertin der Grünen fordert eine andere Genehmigungspraxis bei der Ausfuhr von deutschen Waffen. Bisher erfahren Öffentlichkeit und Bundestag immer erst aus dem jährlichen Rüstungsexportbericht, was an Ausfuhren bereits längst bewilligt wurde.

    Katja Keul: "Es findet nicht nur keine Transparenz statt, sondern eben auch keine parlamentarische Kontrolle der Regierung. Und das kann nicht sein; ist auch nicht mehr heutzutage zu rechtfertigen, wenn wir uns umschauen, wie andere Länder, EU-Partner, Nato-Partner, mit dem Thema umgehen. Also, diese Geheimniskrämerei, wie sie bei uns stattfindet, gibt es weder in Großbritannien noch in den USA."

    Die Linke sowie Teile von SPD und Grünen im Bundestag fordern, den Rüstungsexportbericht der Bundesregierung künftig mehrmals pro Jahr zu veröffentlichen. Sie verlangen außerdem ein Kontrollgremium des Bundestages, in dem in geheimer Sitzung alle im Parlament vertretenden Parteien darüber informieren werden, welche Waffenausfuhren gerade zur Genehmigung anstehen. Laut Katja Keul könnte so der Vorwurf widerlegt werden, der Bundessicherheitsrat aus Kanzlerin und Ministern mauschele bei Rüstungsexporten hinter verschlossenen Türen im Interesse der deutschen Wirtschaft. Doch Regierungsfraktionen sind gegen mehr Transparenz und Parlamentsbeteiligung. Sie halten die gegenwärtige Praxis, Bundestag und Öffentlichkeit nachträglich durch die Vorlage des Rüstungsexportberichtes zu informieren, für ausreichend. Und nicht nur sie.

    "Das Thema Mauscheln halt ich schon für 'ne ziemliche Unverschämtheit. Das muss ich wirklich sagen. Hier wird verantwortungsvoll entschieden. Und dieses mit Mauscheln zu beschreiben, das ist eine herbe und üble Kritik an der Praxis der Bundesregierung. Das können sie nicht machen."

    Georg-Wilhelm Adamowitsch ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Er sieht keinen Handlungsbedarf bei der Genehmigungspraxis deutscher Rüstungsexporte:

    "Nach meiner Beurteilung ist das, was wir haben, vernünftig strukturiert. Es setzt genaue Prüfvorgänge inkraft und diese strengen Richtlinien sind auch der beste Nachweis dafür, dass die Politik sehr ernsthaft mit diesem Thema Rüstungsexporte umgeht."

    Betont der Rüstungslobbyist. Während die Grünen-Politikerin Katja Keul behauptet, bei Rüstungsexporten unter Schwarz-Gelb würden wirtschaftliche Interessen zunehmend eine größere Rolle spielen, als Menschenrechte. Als die Grünen noch in Regierungsverantwortung waren, wurden allerdings auch Rüstungsexporte in Krisenregionen gebilligt. Nach Saudi-Arabien gingen zum Beispiel Maschinenpistolen, die Vereinigten Arabischen Emirate bekamen Fuchs-Panzer und Israel U-Boote. Im Bundessicherheitsrat saß damals als Entwicklungsministerin auch Heidemarie Wieczorek-Zeul. Die SPD-Politikerin betont heute, sie habe damals auch mehrfach gegen einzelne Geschäfte gestimmt, sich aber nicht durchsetzen können. Nun in der Opposition meint auch Wieczorek-Zeul, einen Trend hin zu mehr Rüstungsexporten in Krisenregionen festzustellen:

    "Der ist ja am Laufen. Und mein Eindruck ist, dass dahinter rein ökonomische Exportinteressen stehen. Und ursprünglich, in ihrem Koalitionsabkommen zwischen Schwarz und Gelb, haben sie ja auch diese Frage der Außenwirtschaftsförderung in diesem Bereich im Besonderen Betonung eingeräumt. Das heißt, das nimmt zu. Umso wichtiger ist es, dass die öffentliche und die parlamentarische Kontrolle zunimmt."

    Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung eine 21-seitige Stellungnahme in Sachen Rüstungsgüter an die Europäische Kommission gesandt. Es geht um eine Neuausrichtung des EU-Ausfuhrkontrollsystems für Güter, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. In der Stellungnahme schreibt Berlin. Zitat:

    "Eine Erweiterung EU-einheitlicher Standards darf die nationalen Besonderheiten nicht übersehen und muss ein flexibles System gewährleisten, um aufkommende Hemmnisse in den Exportwirtschaften zu verhindern, Herausforderungen zu bewältigen und die Exportwirtschaft zu stärken."

    Die deutsche Rüstungsindustrie plant weitere problematische Geschäfte. Rheinmetall ist offenbar am Bau einer Fabrik für Transportpanzer in Algerien interessiert. Einem Land also, in dem es auch Forderungen nach mehr Demokratie gibt und das als Kandidat für den sogenannten arabischen Frühling gilt. Könnten von Deutschen entwickelte Panzer dort bald in eine Menge von Demonstranten hineinfahren? Keine Gefahr, sagt der CSU-Parlamentarier Florian Hahn, früher Öffentlichkeitsarbeiter beim Münchner Panzerbauer Krauss-Maffei-Wegmann:

    "Es geht da um Transportpanzer Fuchs. Ist eben kein aggressives Mittel, sondern ein Selbstverteidigungsmittel. Und ich halte das in der Abwägung für in Ordnung. Damit werden Arbeitsplätze dort gebaut. Wir wissen, dass die große Instabilität in Nordafrika daher rührt, dass hohe Arbeitslosigkeit da ist. Damit können wir unterstützen und Perspektiven auch für junge Menschen schaffen. Ich glaube, dass das in der Abwägung eine gute Sache ist."

    Und wenn die Panzer dann doch gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden oder am Ende in den Händen von Potentaten sind, an die sie wegen der strengen deutschen Ausfuhrbestimmungen nie direkt hätten geliefert werden dürfen? So geschehen mit deutschen Sturmgewehren, die eigentlich für Ägypten gedacht waren, die allerdings im libyschen Bürgerkrieg zum Einsatz kamen. Würde sich Ähnliches wiederholen, wäre es mit den hohen moralischen Ansprüchen der deutschen Rüstungspolitik schnell vorbei. Für den CDU-Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer ein vertretbares Restrisiko:

    "Es gibt natürlich immer Missbrauch, aber das gibt es in allen Fragen. Wir verbieten ja nun auch nicht das Autofahren, weil sich nicht jeder an die Straßenverkehrsordnung hält."