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Marode Sportstätten in Rio
Eine vertane Chance

Vor dem Olympischen Spielen in Rio gab es zahlreiche Konzepte und Ideen, wie die Sportstätten später genutzt werden könnten. Doch daraus wurde zum großen Teil nichts. Viele Stadien sind mittlerweile marode. Die Hoffnung, private Investoren zu finden, hat sich zerschlagen.

Von Ivo Marusczyk | 06.08.2017
    Die Kanu-Wettbewerbe im Lagoa-Stadion während der Paralympics in Rio 2016.
    Die Kanu-Wettbewerbe im Lagoa-Stadion während der Paralympics in Rio 2016. (imago sportfotodienst)
    Zumindest am Wochenende kehrt ein bisschen Leben in den Olympiapark von Rio ein. Ein paar Jugendliche haben den Skaterpark entdeckt und eine Familie spielt Volleyball, irgendwo zwischen den riesigen Hallen, die für das Sportfest hingeklotzt wurden. Andrea, die Mutter der Familie findet das Gelände toll - aber außer dem kleinen Volleyballfeld gebe es hier gar nichts.
    Hier fehlt alles von Parkplätzen bis Grundstruktur, man kann noch nicht mal Wasser trinken oder kaufen, wir bringen alles von zu Hause mit. Es gibt nichts zu essen und keine Toiletten. Ich sage zu meiner Tochter: trink nicht so viel, es gibt hier keine Toiletten. Weit und breit nicht.
    Der Olympiapark im Stadtteil Barra de Tijuca ist doppelt so groß wie der Olympiapark in München. Aber während der letztere jedes Jahr vier Millionen Besucher anzieht, kann man die Besucher in Rio an diesem Samstag ziemlich schnell zählen - es mögen vielleicht hundert Leute sein, die sich in dem riesigen Park verlieren.
    Die Anlagen verfallen
    An Wochentagen bleibt das Gelände geschlossen. Dann drehen nur Wachleute ihre Runden über die riesigen Betonflächen.
    "Ich hätte viel mehr erwartet vom Oly Erbe - man hat uns sehr viel versprochen aber jetzt bleibt sehr viel zu wünschen übrig. Schade."
    "Es ist nicht klar, wer sich darum kümmern soll. Und währenddessen verfallen die Anlagen. Das vergammelt alles nach und nach, dabei wären die Möglichkeiten hier toll."
    Und so wie hier im Park sieht es in den meisten Olympia-Sportstätten von Rio heute aus. Die Hallen und Stadien liegen brach. Der Wildwasserpark von Deodoro öffnete für ein paar Wochen als Badesee, machte aber schnell wieder zu.
    Wir hinterlassen keine weißen Elefanten, hatte Bürgermeister Paes vor den Spielen versprochen. Aber all die tollen Ideen und Konzepte, wie die Sportstätten nach den Spielen genutzt werden können, waren offenbar wertlos. Zwei Hallen sollten zu Schulen umgebaut werden - aus dieser Idee wird nichts mehr. Andere Stadien sollten Trainingsstätten werden - bis heute liegen sie brach. Aus dem Schwimmstadion sollten zwei Schwimmbäder in anderen Städten werden - passiert ist: Nichts. Eine vertane Chance.
    Als Anwohner hat man das Gefühl, dass Sportstätten für Kinder fehlen. Hier wurden High-Tech-Arenen aufgebaut aber keine von ihnen ist für Sportvereine, für sportliche Betätigung von Kindern offen. Und das fehlt hier, obwohl hier so viele Familien wohnen.
    "Überall in der Stadt sehen wir Dinge, die man einfach aufgegeben hat"
    Genau vor diesem Szenario hatten viele Gruppen gewarnt. Caio Barbosa vom linken Thinktank PACS fühlt sich in seiner Kritik bestätigt.
    "Eigentlich müssten wir vom olympischen Hängenlassen sprechen, nicht vom olympischen Erbe. Überall in der Stadt sehen wir Dinge, die man einfach aufgegeben hat."
    Natürlich profitiert Rio von einigen Infrastrukturprojekten wie Expressbus-Korridoren oder einer neuen U-Bahn-Linie. Aber die wurden nur auf die Spiele ausgerichtet - die Bevölkerung von Rio bräuchte solche Verkehrsprojekte eigentlich ganz woanders, sagt Adriano Pires vom brasilianischen Zentrum für Infrastruktur.
    "Einige Projekte waren völlig daneben, wie der Olympiapark in Barra, der einfach sinnlos ist. Wir sehen heute, dass er viel zu groß und verlassen daliegt. Genau wie das Olympische Dorf."
    ...in dem dreitausend Luxus-Apartments leer stehen.
    "Im Rückblick hat Brasilien einfach eine Epoche der Megalomanie durchlebt. Man dachte, Brasilien könne sich alles leisten."
    Keine Hoffnung auf private Investoren
    Inzwischen ist sogar die Justiz tätig geworden und hat hohe Strafen verhängt, weil die Politik keine realistischen Pläne für die Nachnutzung der Sportstätten zu erstellen. Zwei Milliarden Euro haben die Stadien und Hallen gekostet. Staatsanwalt Leandro Mitindieri sagt:
    "Diese Megaevents sind eine Falle. Man kann diese Investitionen nicht rational und nachhaltig nutzen."
    Die Hoffnung, private Investoren zu finden, hat sich zerschlagen. Die Stadt Rio de Janeiro ist pleite, also musste Brasilia einspringen und eine eigene Behörde zur Verwaltung des Olympia-Erbes gründen. Deren Präsident Paulo Marcia Dias Mello behauptet, alles liege im Plan - es dauere einfach, bis die Nachnutzung der Sportstätten anlaufe.
    London hat zwei Jahre gebraucht, um das Erbe der Bevölkerung zu übergeben. Das ist normal, in Tokio wird es auch so sein. Wir waren gut in der Zeit, haben in fünf Monaten alles abgebaut. Und ab jetzt werden wir die Anlagen bevölkern.
    Daran darf man Zweifel haben. Die einzige Halle des riesigen Olympiaparks, die regelmäßig genutzt wurde, war das Velodrom. Hier trainierten die brasilianischen Spitzen-Radfahrer. Aber auch damit ist vorerst Schluss. Ein kleiner Heißluftballon hat das Dach der Radsporthalle in Brand gesteckt. Löschwasser hat die Spezialbahn aus sibirischem Kiefernholz zerstört. Für die Stadt Rio ist das wahrscheinlich sogar eine Erleichterung. Denn allein die für die Bahn nötige Kühlung der Halle hat jedes Jahr eine Million Euro verschlungen.