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Interview mit dem SPD-Kanzlerkandidaten
Schulz fordert bis zu fünf Milliarden Euro mehr für die Bundeswehr

SPD-Kanzlerkandidat Schulz hat sich in scharfer Form von US-Präsident Trump distanziert. Es sei unerträglich, dass der frei gewählte Präsident die Neonazis nicht in die Schranken weise. Schulz sprach sich außerdem gegen das NATO-Ziel aus, die Rüstungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Seine Experten schätzten einen anderen Bedarf.

17.08.2017
    Forum Politik "Der Kampf ums Kanzleramt" Moderation Michaela Kolster (phoenix) und Stephan Detjen (Deutschlandfunk) mit Gast SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz im Atrium der Deutschen Bank am 17.8.2017 in Berlin, Deutschland.
    Kanzlerkandidat Martin Schulz beim "Forum Politik" am 17.8.2017 (Christian Marquardt )
    Beim amerikanischen Präsidenten wisse man nicht, wer auf ihn den entscheidenden Einfluss habe - Leute, die dem Ku-Klux-Klan nahe stünden oder verantwortungsvolle rechte Politiker. Schulz sagte, auf einer Veranstaltung des Deutschlandfunks und des Fernsehsenders Phoenix: "Ich finde, gerade ein deutscher Kanzler müsste dem amerikanischen Präsidenten sagen, wenn du nicht in der Lage bist, dich mit klaren Sätzen von Nazis zu distanzieren, dann ist das absolut unakzeptabel." Angela Merkel habe die Angewohnheit, sich in solchen Fällen zurückzuziehen und abzuwarten.
    Zwei-Prozent-Ziel der NATO ein Fehler
    Zum Ziel der NATO, den Verteidigungshaushalt der Mitglieder in Richtung von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu entwickeln, sagte Schulz, er halte das für einen Fehler. Das würde aus der Bundeswehr die größte Armee Europas machen, die Bundesrepublik müsse aber andere Prioritäten setzen. Kanzlerin Merkel warf er einen Willen zur "hemmungslosen Aufrüstung" vor. Im Rahmen der Sicherheitskooperation in der EU sei er aber jederzeit bereit der Bundeswehr mehr Geld zu geben, sagte Schulz. Dafür seien aber lediglich bis zu fünf Milliarden Euro mehr pro Jahr ausreichend. Er wolle nicht 20 bis 30 Milliarden Euro in eine Aufrüstung stecken, von der er nicht wisse, wie sie beschlossen wurde. "Meine Ansage ist: Ich halte diese Art der Aufrüstung für falsch."
    Forum Politik "Der Kampf ums Kanzleramt" Moderation Michaela Kolster (phoenix) und Stephan Detjen (Deutschlandfunk) mit Gast SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz im Atrium der Deutschen Bank am 17.8.2017 in Berlin, Deutschland. 
    Kanzlerkandidat Martin Schulz (SPD) beim "Forum Politik" am 17.8.2017 (Christian Marquardt)
    "Am 25. September heißt der Bundeskanzler Martin Schulz"
    Angesprochen auf sinkende Umfrageergebnisse sagte Schulz, es habe in den Monaten nach seiner Ernennung zum Kanzlerkandidaten einen Aufstieg in den Umfragen gegeben, den er in dieser Form auch nicht erwartet hatte. Er habe diese Entwicklung aber zum Teil für künstlich gehalten. "Ich habe meine eigene Partei ermahnt, die Achterbahn im Auge zu behalten, die man in solchen Prozessen erlebt". Derzeit liege die SPD in den Umfragen bei rund 25 Prozent. Das sei noch nicht genug, um Kanzler zu werden, aber schon mehr als zu Jahresbeginn. "Frau Merkel wird in den letzten zehn Tagen wahrscheinlich noch von den ein oder anderen immer noch für unschlagbar gehalten", sagte der SPD-Spitzenkandidat. "Aber am 25. heißt der Bundeskanzler Martin Schulz."
    Schulz fordert europäischen Finanzminister
    Schulz forderte die Einführung eines neuen Postens in der EU: "Wir brauchen mehr Steuergerechtigkeit in diesem Land, aber nicht mit Symbolpolitik, sondern zum Beispiel mit einem europäischen Finanzminister, der die Steuervermeidung, die Steuerflucht und das Steuerdumping in Europa bekämpft". Das würde mehr Einnahmen bringen als die Vermögenssteuer und stehe deshalb im Wahlprogramm der SPD. Für ein konkretes Regierungsbündnis sprach sich Schulz nicht aus. "Wir haben ein sehr differenziertes Programm und wer nach der Wahl mit uns koalieren will, muss sich an diesem Programm orientieren."
    Für eine solidarischere Flüchtlingspolitik in Europa
    Kanzlerin Merkel habe in der Flüchtlingspolitik weitgehend richtig gehandelt, sagte Schulz. Er würde aber viel intensiver auf einer solidarischen Flüchtlingspolitik bestehen. "Es gibt Länder in der Europäischen Union, die lassen uns im Stich." Er habe sein ganzes Leben für die europäische Idee der Solidarität zwischen Nationen gekämpft. "Diese Solidarität wird ja nicht von uns aufgekündigt, sondern von Herrn Orban und Herrn Kaczynski." Der SPD-Kanzlerkandidat bezeichnete Europa als Einwanderungskontinent, es seien dafür aber klarere Gesetze nötig.
    Forum Politik "Der Kampf ums Kanzleramt" Moderation Michaela Kolster (phoenix) und Stephan Detjen (Deutschlandfunk) mit Gast SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz im Atrium der Deutschen Bank am 17.8.2017 in Berlin, Deutschland. 
    Kanzlerkandidat Martin Schulz (SPD) beim "Forum Politik" am 17.8.2017 (Christian Marquardt 2017)
    Hilfe für Ryanair keine Dauerlösung
    Schulz verteidigte den Hilfskredit für die insolvente Fluglinie Airberlin. Dass die nicht auf Dauer vom Staat gestützt werden könne, sei völlig klar. In der aktuellen Situation dürften aber nicht die Mitarbeiter und Urlauber die Zeche zahlen. Für die Kartellbeschwerde des Konkurrenten Ryanair hat Schulz kein Verständnis. Er bezeichnete den Chef des Flugkonzerns Michael O'Leary als den "hemmungslosesten Kapitalisten in Europa."
    Das vollständige Interview mit Martin Schulz können Sie hier nachhören . Am vergangenen Montag (14.08.2017) war im "Forum Politik" des Deutschlandfunks und des Fernsehsenders Phoenix bereits die CDU-Vorsitzende Angela Merkel zu Gast. Merkel sagte dabei, Deutschland werde weiter bei der Lösung der weltweiten Probleme eine aktive Rolle spielen müssen. Die Kanzlerin unterstrich, die Flüchtlingskrise von 2015 dürfe sich nicht wiederholen. Sie wolle sich weiter für eine solidarische Verteilung der Migranten in Europa einsetzen. Mit Blick auf den Konflikt zwischen USA und Nordkorea sagte Merkel, dieser müsse friedlich gelöst werden.