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Martin Wansleben zu US-Sanktionen gegen Russland
"Was droht, ist eine große Verunsicherung"

Der US-Kongress habe mit der Durchsetzung von Sanktionen gegen Russland vor allem eines gewollt: US-Präsident Donald Trump zeigen, wer die Hosen anhabe, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages Martin Wansleben im Dlf. Leidtragende seien die Unternehmen, die nun verunsichert seien.

Martin Wansleben im Gespräch mit Silvia Engels | 04.08.2017
    Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Martin Wansleben.
    Wenn Europa jetzt nicht handle, habe man ein Problem, sagte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, im Dlf. (imago / Metodi Popow)
    Silvia Engels: US-Präsident Trump tritt morgen wohl seinen Urlaub an. Zuvor hatte er ja noch das Gesetz über verschärfte Sanktionen gegen Russland, Iran und Nordkorea mit seiner Unterschrift in Kraft gesetzt. Die Verschärfung hatte den Präsidenten der Kongress mit deutlicher Mehrheit quasi diktiert. Trump machte im Nachhinein deutlich, dass er den Kongress für die Verschlechterung der Beziehungen zu Moskau deshalb verantwortlich mache.
    Dieses Hin und Her, das alles löst in Deutschland Kopfschütteln aus. Kopfschmerzen macht aber deutschen Unternehmen, die im Russlandgeschäft tätig sind, dass sie möglicherweise nun getroffen werden. Am Telefon ist Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Guten Morgen, Herr Wansleben!
    !!Martin Wansleben:! Morgen, Frau Engels!
    Engels: Besonders betroffen von den neuen Sanktionen der USA könnten deutsche Maschinenbauer im Energiesektor sein, die beispielsweise an Pipelines in Russland mitarbeiten. Was droht hier?
    Wansleben: Also es stimmt erst mal: Was droht, ist erst mal – oder das ist schon da – eine große Verunsicherung, denn man hat ja irgendwie schon die Vermutung, dass das ganze Gesetz sehr stark innenpolitisch getrieben ist, also aufgrund eines Wettbewerbs zwischen dem Hill, also Kongress und Senat auf der einen Seite, und Präsident im Weißen Haus auf der anderen Seite zustande gekommen ist. Hier versucht offensichtlich der Hill dem Präsidenten klarzumachen, jetzt sage ich mal, wer die Hosen anhat, und das Ganze geht dann zulasten von Unsicherheiten, denn das Gesetz hat interessante Formulierungen, die zunächst verunsichern, auch wenn faktisch ja noch nichts passiert ist.
    "Das ist eine ganz wesentliche Achillesferse"
    Engels: Das heißt, wenn Sie sich das Gesetz jetzt anschauen, was würde denn einer deutschen Firma, die im Russlandgeschäft beispielsweise beim Bau von Pipelines tätig ist, drohen? Könnte sie dann nicht mehr aufs US-Geschäft setzen?
    Wansleben: Das ist genau der entscheidende Punkt. Wir lassen jetzt mal die Feinheiten weg. Wir sollten aber gleich noch drauf zurückkommen. Es kann passieren, dass exterritorial – so nennt man das – dieses Unternehmen sozusagen von den amerikanischen Sanktionen erfasst wird. Das heißt, da geht es um Finanzierung, da geht es um öffentliche Ausschreibungen in den USA, bis hin auch zu persönlichen Sanktionen gegenüber den Verantwortlichen in den Unternehmen.
    Also das geht schon richtig weit rein, und wenn Sie sich die Zahlen angucken, wie wichtig das US-Geschäft ist, dann wird natürlich klar, dass das eine ganz, ganz wesentliche Achillesferse ist, denn da stehen Handelsvolumen Deutschland, USA 160-, 170 Milliarden zu knapp 50 Milliarden Russland. Also Sie sehen, das hat schon für uns eine große Bedeutung, aber es ist wichtig, den ein oder anderen Satz sich anzugucken im Gesetz. Der eine Satz, der kann mehr beunruhigen, und andere Sätze können auch wieder beruhigen. Ich glaube, das ist wichtig, dass man das gleich dazusagt.
    Beunruhigen muss, dass da drinsteht, das Ganze Gesetz dient auch dazu, amerikanischen Firmen, sagen wir mal: Geschäft zu liefern, insbesondere durch Rohstofflieferungen, also der Versuch des Eingriffes in europäische Energiepolitik, Stichwort North Stream 2. Also das ist sicherlich ein Problem, also nicht nur innenpolitisch, sondern America first lässt da grüßen. Das ist sicherlich ein Problem.
    Wo man hoffen kann, dass es hilft, ist der Satz, der offensichtlich – so sagt Herr Trump auch selber –, aufgrund europäischer Intervention zustande gekommen ist, das steht hier wörtlich: in coordination with aliance of the United States. Das heißt also, dass es vorher Gespräche geben muss, dass es Beratungen geben muss, insbesondere auch mit Europa, inwieweit die Sanktionen wirklich greifen sollen. Also da gibt es, sagen wir mal: Verunsicherung und nicht Verunsicherung, und das Ganze trifft – das darf man, glaube ich nicht vergessen – auf eine deutsche Wirtschaft, die ja schon seit drei Jahren von Sanktionen, in diesem Falle Europas, gegen Russland wirtschaftlich hart getroffen ist.
    Engels: Dann haken wir da direkt ein: Muss dann nicht in der Tat eine deutsche Firma auch damit rechnen, dass nun mal im Russlandgeschäft immer Risiko ist, und da muss man dieses Risiko eben einkalkulieren, auch mal von Sanktionen betroffen zu sein?
    Wansleben: Sie sagen völlig zurecht, das Russlandgeschäft ist immer mit Risiko betroffen, zumal ja auch russische Politik nicht immer so beliebig stabil ist und berechenbar bleibt. Also es gibt Risiken. Das ist aber kein Grund dafür, dass man bereitwillig akzeptiert, dass noch zusätzliche Risiken draufkommen, und es ist schon für die deutschen Unternehmen, insbesondere für die, die natürlich unmittelbar betroffen sind, schon nicht ganz einfach, in der schwierigen Situation der Sanktionen, ich betone: gesetzlich erlaubte, also legale Geschäfte zu machen, weil jedes Sanktionsregime zusätzliche Risiken mit sich bringt, und zwar formaler Art wie auch politischer Art. Man weiß nie genau, was passiert.
    Wir hatten eigentlich die Hoffnung, dass in diesem Jahr es wieder besser wird, als dass die Verunsicherung etwas zurückgeht. Es gibt auch einen gewissen positiven Konjunkturverlauf in Russland, und jetzt kommt das. Also die Unternehmen in Russland, vertreten durch unsere deutsch-russische Auslandshandelskammer in Moskau, die laufen natürlich völlig zurecht Sturm, weil sie sehen, Mensch, was sollen wir noch alles tragen, um am Ende hier Aufträge zu kriegen, die ja nicht zuletzt auch positive Beschäftigungswirkungen in Deutschland haben.
    Engels: Die Wirtschaft hat auch klare Haltung der Bundesregierung eingefordert. Vor einer Stunde hat Michael Machnig, der Staatssekretär im Bundeswirtschafts ...
    Wansleben: Matthias Machnig.
    "Wir sind schon darauf angewiesen, dass Europa hier handelt"
    Engels: Matthias – Sie haben so recht! Jetzt mach ich es sogar zweimal! ... Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, dazu gesagt, er strebe eine EU-Lösung an, im Verbund vorzugehen. Das ist doch nicht sehr auf Erfolg setzend, denn die EU ist sich ja hier nicht einig.
    Wansleben: Also wir haben im Vorfeld des G20-Gipfels die Bundesregierung angeschrieben, um das jetzt mal hier zu veröffentlichen, weil ja damals schon die ersten Entwürfe im Hill erarbeitet worden sind für das Gesetz. Wir haben den Eindruck, dass die Bundesregierung, auch flankiert durch Europa, erfolgreich agiert hat. Das gehört, glaube ich, jetzt hier mit mal in die Öffentlichkeit, dass das so ist. Nun ist für Handelspolitik Europa zuständig und nicht die Bundesregierung. Das heißt, wir sind schon darauf angewiesen, dass Europa hier handelt. Klar, es gibt unterschiedliche Meinungen, insbesondere oder zum Beispiel auch zu North Stream 2 – da brauchen wir gar nicht drum rum zu reden –, aber das ist jetzt wichtig. Ein Thema gehört, meines Erachtens, hier auch hin: Stellen Sie sich mal vor, wir hätten schon – jetzt greife ich mal richtig in die Traumkiste – TTIP mit den USA erfolgreich verhandelt und abgeschlossen, dann hätten wir eine andere Handelsbeziehung und eine robustere Architektur im Verhältnis zu USA und Europa.
    Es wäre besser. Also das, was da geschieht, diese ganzen Unsicherheiten sprechen dafür, dass wir, obwohl es schwierig wird, obwohl es oft vielleicht schwieriger geworden ist, Schritt für Schritt in diese Richtung gehen müssen, denn kurzfristig werden wir ja keine Lösung haben, sondern wir müssen langfristig uns da anders positionieren.
    Engels: Aber ein Abschluss von TTIP ist ja mittlerweile noch unrealistischer geworden.
    Wansleben: Es ist schwieriger geworden.
    "Wenn die EU sich nicht auf eine Position verständigen kann, dann haben wir wirklich ein Problem"
    Engels: Wenn wir es auf die andere Seite drehen: Was ist denn die realistische Perspektive, wenn die EU eben keine einheitliche Position findet, dann kann sie sich auch nicht gegen EU-Sanktionen wehren, und dann ist die deutsche Wirtschaft unmittelbar betroffen?
    Wansleben: Also wenn die EU sich nicht auf eine Position verständigen kann, dann haben wir wirklich ein Problem, aber dann sind wir jetzt im Bereich der Spekulation. Wir arbeiten dafür, dass die EU eine klare Position einnimmt. Ich glaube auch am Ende, dass das gelingen kann, mindestens insoweit, dass die EU ganz klar auf die Konsultationen, die ja in dem Sanktionsgesetz festgelegt sind, besonders Wert legt und sagt, hier, meine lieben Freunde, das steht da drin, das müsst ihr auch machen, und ich habe den Eindruck ... Ich meine, die Frage ist, inwieweit der amerikanische Präsident verlässlich ist, was die Meinung angeht über den Tag hinaus, aber er erkennt ja offensichtlich, dass das ganze Thema nicht so ganz einfach ist.
    Engels: Martin Wansleben, – den Vornamen kann ich –
    Wansleben: Danke, Frau Engels!
    Engels: Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, ich bedanke mich für das Gespräch!
    Wansleben: Danke Ihnen, Frau Engels!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.