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Maskentänze und archaische Rituale

Die kulturellen und religiösen Traditionen der Dogon im westafrikanischen Mali zählen zu den bedeutendsten Afrikas. Einblicke in das Leben dieses außergewöhnlichen Volkes zeigt eine Ausstellung in der Bundeskunsthalle in Bonn.

Von Susanne Fritz | 13.01.2012
    "Bei den Dogon findet man alle Aspekte einer weit entwickelten Kultur. Es gibt zahlreiche Mythen etwa von der Erschaffung des Menschen, der Erfindung der sozialen Ordnung, viele alte Traditionen, die Dogon haben eine eigene Stammesreligion und eine künstlerische Produktion, in der sich all das widerspiegelt. In vielen anderen afrikanischen Kulturen ist das nicht so."

    So die Kuratorin Hélene Leloup vom Pariser Musee du Quai Brandly, das die Dogon-Ausstellung erarbeitet hat, die zur Zeit in der Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen ist. Neben Alltagsgegenständen wie Schmuck, Höckern oder Trögen werden vor allem Masken und kunstvoll geschnitzte Skulpturen gezeigt. Sie haben wichtige rituelle Funktionen in der traditionellen Stammesreligion der Dogon, die jahrhundertelang das Leben dieses Volkes bestimmte, sagt Hélene Leloup:

    "Die Skulpturen sind oftmals sehr alt. Die Ältesten stammen aus dem 10. Jahrhundert und wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Sie wurden für den Ahnenkult verwendet, der früher sehr stark ausgeprägt war. Die Vorfahren zu achten und richtig zu bestatten, war für die Dogon extrem wichtig. Außerdem sollten die Skulpturen die Häuser der Familien beschützen."

    Die Dogon glaubten, dass die Toten in enger Verbindung zu den Lebenden stehen und deren Schicksal bestimmen. Deshalb waren die Bestattungsriten, wie bei vielen Völkern mit einer animistischen Religion, enorm wichtig. So fertigten die Dogon etwa für ein verstorbenes Familienmitglied eine Skulptur an, um den Toten sicher ins Jenseits zu geleiten. Die Skulptur stellt den Angehörigen dar und war zugleich Hüterin der Kraft- und Energiequelle des Toten. Diese Kraftquelle verweilt nach dem Glauben der Dogon in der Skulptur bis der Verstorbene nach dem Ende der Bestattungszeremonien Geist geworden ist. Geht etwas bei der Bestattung schief, dann kann der Tote Unglück wie Krankheiten oder Missernten über die Lebenden bringen.
    Die wichtigsten rituellen Gegenstände der Dogon sind jedoch die imposanten Masken. In einem Dorf in Bandiagara findet ein Maskentanz statt. Die Männer tragen die Kanaga-Maske, die einen Sumpfvogel darstellt. Erst langsam, dann immer schneller vollführen sie weitausholende Drehbewegungen mit den Köpfen, bis die Masken vorne und hinten den Boden berühren. Dieser Tanz stellt den Schöpfungsmythos der Dogon dar: die Männer erinnern daran, wie Gott die Welt erschuf und die Himmelsrichtungen in Gang setzte. Doch auch bei den trationellen Bestattungsriten sind die Maskentänze wichtig, da sie die Geister der Verstorbenen besänftigen sollen. Andere Masken stellen Totemtiere dar: Hélene Leloup:

    "Die Masken sind in der Regel nicht so alt wie die Skulpturen, weil normalerweise jeder beschnittene Junge, also jeder geschlechtsreife Mann eine neue Maske formte und die alten Masken weggeworfen wurden, wenn sie etwa beim Tanzen beschädigt wurden. Dennoch sind sie das Herzstück der kulturellen Identität der Dogon. Die Maskentänze halten die Mythen lebendig. Bei den Bestattungsriten sollen sie für Harmonie zwischen der Welt der Ahnen und der Lebenden sorgen. Masken, die ein bestimmtes Totemtier einer Familie oder eines Dorfes darstellen, wie zum Beispiel einen Affen oder einen Nashornvogel, üben eine Schutzfunktion aus."

    Doch diese Rituale und religiösen Vorstellungen gehören weitgehend der Vergangenheit an. Die alte Glaubenswelt der Dogon ist untergegangen. Heute werden die Maskentänze fast nur noch gegen Geld für Touristen aufgeführt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verdrängte der Islam die alte Stammesreligion und den Ahnenkult. Der Islam ließ sich gut mit den Bräuchen der Dogon, wie Polygamie und die Beschneidung von Jungen und Mädchen, vereinbaren und konnte sich deshalb fast überall in Mali durchsetzen. Inzwischen gibt es in beinahe jedem Dorf in Bandiagara eine kleine Moschee. Nur in ganz abgelegenen Dörfern haben die Bewohner noch Opferaltare, große Skulpturen und nutzen die Masken für rituelle Tänze:
    "Der animistische Glaube der Dogon ist nur noch wenig verbreitet. Allerdings gibt es sicherlich den einen oder anderen Ort, an dem auch noch der animistische Kult ausgeübt wird, zum Beispiel im Norden des Dogonlandes gibt es einen Ort der heißt wakara und dort würde man uns vielleicht erzählen, dass man Muslim ist, aber eher weil man moderner sein will. Aber ich denke, dass dort noch animistische Kulte gefeiert werden."

    Inzwischen hat das Land Mali den Wert der Dogon-Kultur erkannt und will sie für künftige Generationen bewahren. So ermuntert die Regierung die Dogon zum Beispiel Festivals für Maskentänze zu veranstalten. Auch an den alten Kulturgegenständen der Dogon ist ein neues Interesse entstanden. Allerdings befinden sich die meisten noch erhaltenen Skulpturen und Masken nicht mehr in den Dörfern der Dogon, sondern in Museen. Einige dieser Skulpturen und Masken sind zurzeit noch in der Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen.