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Massenpanik in Mekka
Offenbar mehr als doppelt so viele Tote

Bei der Massenpanik bei einem Pilgerritual in Mekka Ende September kamen nach offiziellen Zahlen 769 Menschen ums Leben. Doch die Angaben der saudischen Behörden könnten geschönt sein. Die Deutsche Presse-Agentur kommt in einer eigenen Rechnung auf 1.800 Tote.

17.10.2015
    Luftbild von Mina mit Gebäuden und Straßen für tausende Pilger.
    Um die große Zahl von Pilgern zu bewältigen, wurden in Mina Gebäude, Straßen und Rampen für tausende Menschen angelegt. (AFP / Mohammed Al-Shaikh)
    Zweifel an der Zahl der Toten gab es schon wenige Tage nach der Massenpanik am 24. September. Damals waren hunderttausende Menschen in und um Mekka unterwegs, den wichtigsten muslimischen Pilgerort, der in Saudi-Arabien liegt. Am Tag der Katastrophe machten sich tausende Menschen nach Mina auf, einen kleinen Ort in der Nähe von Mekka. Dort sollte eine symbolische Teufelssteinigung stattfinden, bei der Pilger Kieselsteine auf drei Säulen werfen, die den Teufel symbolisieren.
    Die Ursache des Unglücks ist unklar, Saudi-Arabien hat eine Untersuchungskommission eingesetzt. Nach Berichten von Augenzeugen sind sich mehrere große Gruppen an einer engen Stelle entgegengekommen und aufeinandergeprallt, woraufhin es zu einer Massenpanik kam.
    Aktualisierte Zahlen ausgewertet
    Im Laufe der Rettungsarbeiten korrigierten die Behörden die Opferzahlen immer weiter nach oben, am Ende war die Rede von 769 Toten und 934 Verletzten aus 29 Ländern. Diese Zahlen stimmen jedoch nicht überein mit den Angaben aus den Ländern selbst. Am 1. Oktober berichtete die französische Agentur AFP, dass allein 23 der betroffenen Länder insgesamt 940 Tote auflisteten. Am 8. Oktober berichtete AFP dann auf der Basis neuer Zahlen von 1.200 Toten.
    Jetzt hat die Deutsche Presse-Agentur (dpa) erneut aktualisierte Zahlen ausgewertet (Basis: 28 Länder) und zählt damit 1.807 Tote. Die Opferzahlen stammen aus offiziellen Quellen oder Medien. Demnach werden auch noch Dutzende Menschen vermisst. Laut dpa melden die folgenden Länder die meisten Opfer:
    • Iran 465 Tote
    • Ägypten 181
    • Mali 173
    • Nigeria 165
    • Indonesien 127
    • Indien 114
    • Pakistan 99
    • Bangladesch 79
    Nicht bekannt ist, wieviele der ums Leben gekommenen Hadsch-Pilger aus Saudi-Arabien selbst stammten, allerdings stellen diese immer eine Minderheit.
    Spannungen zwischen Saudi-Arabien und Iran
    In anderen Ländern werden noch höhere Opferzahlen vermutet. Die Islamische Menschenrechtskommission mit Sitz in London spricht von etwa 2.000 Toten, die staatliche iranische Nachrichtenagentur INRA rechnet mit mehr als 4.000.
    Damit wäre die Massenpanik die bislang schlimmste bekannte Katastrophe bei einer Hadsch, der traditionellen muslimischen Wallfahrt. Im Juli 1990 waren bei einem tödlichen Gedränge während der jährlichen Wallfahrt mehr als 1.400 Pilger erstickt oder zu Tode getrampelt worden.
    Saudi-Arabien hatte in den vergangenen Jahren Milliarden investiert, um die Sicherheit bei der Wallfahrt zu erhöhen. Als Hüter der heiligen islamischen Stätten Mekka und Medina ist das Land für die Organisation der Pilgerfahrt zuständig. In diesem Jahr kamen mehr als zwei Millionen Muslime aus aller Welt zum Hadsch in das islamisch-konservative Königreich.
    Wegen der Katastrophe gibt es Spannungen zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran. Der Iran machte die saudische Regierung für die Katastrophe verantwortlich, weil sie nicht genug für die Sicherheit getan habe. Die saudische Presse wiederum warf iranischen Pilgern vor, sie hätten sich nicht an die vorgegebenen Sicherheitsmaßnahmen gehalten.
    (st/cp)