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Massentierhaltung belastet Umwelt in Niedersachsen

Viehzucht wird immer stärker industrialisiert, auch dank großzügiger Förderung der Massentierhaltung durch Bundesregierung und Bundesländer. In den betroffenen Regionen sorgen die Großbetriebe aber für Umweltprobleme, warnt der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland. Vor allem in Niedersachsen sei die Massentierhaltung auf dem Vormarsch.

Von Susanne Schrammar | 05.06.2009
    "Wir müssen feststellen, dass deutschlandweit ungefähr 1,8 Millionen neue Schweinehaltungsplätze beantragt sind, das wäre in Ergänzung zu den 27 Millionen Schweinehaltungsplätzen, die bereits da sind, noch mal eine erhebliche Steigerung, nämlich um sieben Prozent."

    Noch dramatischer, sagt Reinhild Benning, Agrarexpertin beim BUND, sei der Trend zum Anstieg der Massentierhaltung im Bereich Geflügel. Der derzeitige Bestand von rund 50 Millionen Plätzen für Masthühnchen und 40 Millionen für Legehennen in Deutschland würde sich um rund 30 Prozent erhöhen, wenn alle in den vergangenen drei Jahren beantragten Plätze genehmigt würden. Dies ist das Ergebnis einer Recherche, die der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland bei den Genehmigungsbehörden der Bundesländer durchgeführt hat. Die größten Zuwächse in der Massentierhaltung seien dabei in Niedersachsen zu beobachten, so Benning. Hier seien 1,2 Millionen mehr Schweineplätze und fast 15 Millionen mehr Plätze für Hühner geplant.

    "Wir haben in Niedersachsen die meisten Geflügelplätze beantragt und oder genehmigt und auch die meisten Schweineplätze. Die größten Anlagen dagegen mit bis zu 77.000 Schweinen in einer Stallhaltung befinden sich im Osten der Republik, hier vor allen Dingen in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt."

    Deutsche Behörden zeigten sich hier nicht nur besonders genehmigungsfreudig, Agrarsubventionen der EU, der Bundesregierung und aus den Bundesländer förderten den Ausbau von Großstallbauten, kritisiert der BUND. Die schwarz-rote Bundesregierung habe zudem zahlreiche Umweltgesetze für die Tierhaltung gelockert, um Massentierställe schneller genehmigen zu lassen. Dabei liege die Selbstversorgerquote in Deutschland laut BUND längst bei mehr als 100 Prozent. Jedes zusätzliche Tier in deutschen Ställen werde exportiert. Dahinter stecke ein System, sagt Agrarexpertin Benning, denn die fleischverarbeitende Industrie sehe auf dem europäischen Markt keine Chance mehr, sich weiter zu entwickeln.

    "Hier sind die Märkte gesättigt, daher wollen diese Verarbeitungsindustrien, Molkereien, Schlachtereien in den Export gehen. Sie suchen den Weltmarkt als ihren neuen Absatzmarkt, um sozusagen der Ideologie des Wachstums entsprechen zu können."

    Die Folge, warnen die Umweltschützer, sei nicht nur ein dramatischer Verfall der Erzeugerpreise, sondern auch wachsende Tierschutz- und Umweltprobleme. Beispiel Niedersachsen, Massentierhaltungsland Nr. 1. Schon jetzt beeinträchtige die Nitratbelastung, hervorgerufen durch Gülleeintrag und Dünger, Gewässer und Grundwasser in hohem Maße, sagt Tilman Uhlenhaut vom BUND Niedersachsen.

    "Wir haben hier jährlich 19.000 Tonnen Stickstoffnitratüberschuss, der ins Grundwasser geht. Damit kann die Landesregierung nicht umgehen, aber gleichzeitig werden immer mehr Massentierhaltungen gebaut und werden über Importfutter die Stickstoffe hier reingeholt. Wir haben also auf 59 Prozent der Flächen in Niedersachsen, das sagt sogar das niedersächsische Umweltministerium, schlechtes Wasser."

    75 Prozent der Klimaemissionen der Landwirtschaft stammen nach Angaben der Umweltweltschützer direkt oder indirekt aus der Massentierhaltung,. Auch der Futterimport trage dazu bei, denn weil es in Deutschland nicht genügend Anbaufläche etwa für Proteinfutter gäbe, würden fast drei Viertel des benötigten Futters importiert.

    "Dies geschieht über Soja und dieses Soja stammt aus Regenwaldgebieten ganz überwiegend aus Brasilien und Argentinien und führt dort dazu, dass Regenwald abgeholzt wird. Hier haben wir es also noch mal mit Klimaemissionen zu tun, die durch Regenwaldabholzung passieren, für Fleisch, das in Deutschland niemand braucht."

    Doch genau wie die Zahl der Ställe wachse derzeit auch der Widerstand gegen die Massentierhaltung, will der BUND festgestellt haben. Da die Großbetriebe immer näher an Wohngebiete heranrückten und damit die Geruchs- und Staubbelästigung zunehme, formierten sich immer mehr Bürgerinitiativen, vor allem in Süddeutschland. Der BUND fordert Limits für Tierhaltung, einen Exportförderungsstopp und neue Agrarbeihilfen für artgerechte Tierhaltung. An die Verbraucher appelliert Tilman Uhlenhaut vom BUND Niedersachsen, Biofleisch zu kaufen oder einfach mal weniger Fleisch zu essen.