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Maßnahmen zur Umkehrung des "brain drain"

Nachwuchswissenschaftler finden in den USA die interessantesten Forschungsmöglichkeiten. Doch es sind nicht nur diese Chancen, die Newcomer reizen. Vielmehr geht es auch um Job-Chancen. Wer sich jenseits des Antlanik bewährt, kann dort weiterbeschäftigt werden. In Deutschland gibt es kaum Sicherheit. Es gibt viel zu tun, will man jungen Forschern den Standort Deutschland schmackhaft machen.

Von Klaus Hempel | 07.12.2005
    Eineinhalb Stunden nahm sich Bundesbildungsministerin Annette Schavan Zeit, um sich mit vier deutschen Nachwuchswissenschaftlern zu unterhalten, die alle an amerikanischen Universitäten arbeiten. Und sich im Rahmen der Initiative Zukunft Wissenschaft dafür stark machen, dass die Rahmenbedingungen für junge Wissenschaftler in Deutschland wieder besser werden.

    Marcella Pott: Wir hatten den Eindruck, dass wir sehr ernst genommen wurden, und dass auch begrüßt wurde, was wir gemacht haben. Und dass da durchaus Interesse besteht, an unseren Forderungen weiterzuarbeiten.

    Marcella Pott, die als Stipendiatin an der kalifornischen Universität Standford arbeitet, ist eine der Initiatoren, die einen offenen Brief an die ehemalige Bundesbildungsministerin Bulmahn und die Landeskultusminister geschrieben hatten. Der Tenor: Wir fühlen uns Deutschland verbunden, wollen vielleicht irgendwann wieder zurück, aber dann muss sich vieles ändern. Weil die Zukunftsperspektiven für deutsche Nachwuchswissenschaftler in Deutschland immer noch schlechter sind als etwa in den USA. Professorenstellen, so eine der Forderungen, müssten endlich in transparenten Verfahren vergeben werden. Berufungskommissionen müssten international besetzt werden, um wirklich die besten Köpfe zu rekrutieren. Das Nebeneinander von Habilitation und Juniorprofessur müsse ein Ende haben, das heißt volle Konzentration auf die Juniorprofessur. Und vielleicht die wichtigste Forderung: Juniorprofessoren oder Leiter von Nachwuchsgruppen müssen endlich eine langfristige berufliche Perspektive bekommen. Sabine Anslinger, die an der kalifornischen Universität Berkeley arbeitet, beschreibt das Problem, das derzeit für deutsche Nachwuchswissenschaftler an deutschen Hochschulen besteht.

    Sabine Anslinger: Dass man gute Arbeit leisten kann, dass es dann aber völlig unsicher ist, ob man an dieser Hochschule weiterarbeiten kann. Und man sich dann in Deutschland auf den Markt begibt, und es dann völlig unsicher ist, ob man eine Stelle findet, anstatt - wie in den USA üblich - wenn man sich bewährt, dort weiterbeschäftigt werden kann, wenn man gute Leistung bringt. Und es dann auch in einem fairen Evaluierungsverfahren standardmäßig durchgeführt wird.

    Deshalb, so die Forderung, sollte es auch in Deutschland möglich sein, dass erfolgreiche Juniorprofessoren unbefristet weiterbeschäftigt werden können. Das Problem: Es sind die Bundesländern, die das Sagen haben. Sie bestimmen auch, ob und wie Juniorprofessuren eingerichtet werden. Sechs Landesministerien hatten auf den offenen Brief der deutschen Nachwuchswissenschaftler geantwortet, und völlig unterschiedliche Ansichten zum Ausdruck gebracht. Sollen sich die Rahmenbedingungen für deutsche Nachwuchswissenschaftler verbessern, geht das nicht ohne die Länder. Das, so Sabine Anslinger, habe auch Bundesbildungsministerin Schavan deutlich gemacht.

    Sabine Anslinger: Sie hat natürlich sehr vorsichtig formuliert. Durch die Länderkompetenzen muss sie einen Dialog auch erst aufbauen mit den Ländern. Aber ich glaube trotzdem, dass die Ministerin erkannt hat, dass das extrem wichtig ist. Und sie hat sich auch offen dazu bekannt, dass es ein Ziel ihrer Legislaturperiode ist, die Nachwuchsförderung in Angriff zu nehmen.

    Schavan will einen Vorschlag ihrer Vorgängerin Bulmahn aufgreifen. Sie will nächstes Jahr eine Konferenz organisieren, mit Vertretern der Länder, der Wirtschaft und den Wissenschaftsorganisationen, aller Voraussicht nach Ende nächsten Jahres. Dort sollen dann alle Probleme erörtert und versucht werden, Lösungen zu entwickeln.

    Dass sich etwas ändern muss, meint auch Eicke Weber, Physikprofessor an der Universität Berkeley und Präsident der German Scholars Organization, eine gemeinnützige Organisation für deutsche Nachwuchswissenschaftler im Ausland, die von Hochschulprofessoren und Wirtschaftsvertretern gegründet wurde, um den Kontakt zu den jungen Wissenschaftlern nicht zu verlieren. Wenn sich nichts ändert, so Professor Weber, werden auch in Zukunft viele von ihnen ins Ausland gehen, vor allem in die USA.

    Professor Eicke Weber: Die Nachwuchswissenschaftler finden in den USA immer noch weltweit die interessanten Forschungsmöglichkeiten. Es stimmt, dass in den letzten Jahren durch die gegenwärtige Administration Visaprobleme aufgetreten sind und deshalb der Zufluss von Nachwuchswissenschaftlern aus dem Ausland abgenommen hat. Aber ich denke doch, dass das eine vorübergehende Erscheinung ist. Und dass man nach wie vor auf Dauer mit dem Wettbewerb um die besten Köpfe rechnen muss, und die USA nach wie vor das interessanteste Land bleiben.