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Ein Mini-Hirnsensor, der sich selbst auflöst

Er ist nur eine Haaresbreite dick und ein Millimeter lang sowie breit: ein Mini-Hirnsensor, den Forscher der Universität von Illinois entwickelt haben. Er könnte zum Beispiel bei einer Hirnoperation zum Einsatz kommen, um danach die Wundheilung zu überwachen. Dafür muss der Sensor nicht ein ganzes Menschenleben halten - er löst sich nach einiger Zeit von selber auf.

Von Jochen Steiner | 19.01.2016
    Das Modell eines menschlichen Gehirns
    Das Modell eines menschlichen Gehirns (dpa / picture alliance / Weigel)
    John Rogers ist Materialforscher und auf implantierbare elektronische Geräte spezialisiert. In letzter Zeit haben er und sein Team von der Universität von Illinois an einem ganz besonderen Implantat gearbeitet: Es soll eines Tages bei Patienten zum Einsatz kommen, die sich einer Hirnoperation unterziehen mussten. Das Gerät soll mithelfen, die Genesung zu überwachen und sich danach von selbst auflösen.
    "Was man in solchen Fällen gerne hätte, sind Geräte, die sich nach einer gewissen Zeit im Körper auflösen. So etwas gibt es noch nicht. Bestimmte Implantate werden zwar nur für begrenzte Zeit in Patienten eingesetzt, aber diese Apparate müssen dann auch wieder operativ entfernt werden, was zusätzliche Gefahren birgt. Wir wollen mit unserem Sensor das Risiko für die Patienten verringern."
    Um Patienten nach einer Hirn-Operation medizinisch überwachen zu können, setzen Chirurgen bei solchen Eingriffen bislang ein Implantat ein, das die Temperatur und den Druck im Schädel nach der OP misst. Nach einer bestimmten Zeit ist allerdings ein erneuter Eingriff nötig, um den Messfühler wieder aus dem Kopf des Patienten herauszunehmen. Nicht so bei dem neuartigen Sensor aus John Rogers Arbeitsgruppe.
    "Wir haben eng mit Neurochirurgen zusammengearbeitet, die sich sehr gut mit Hirn-Verletzungen auskennen. Es ist uns gelungen, einen biologisch abbaubaren Sensor zu bauen, der ebenso präzise Daten liefert wie die heute verwendeten nicht-resorbierbaren Implantate."
    Sensor ist nur eine Haaresbreite dick
    Der neue Sensor ist winzig, gerade mal einen Millimeter lang und breit, und eine Haaresbreite dick. Es besteht aus einer dünnen Silizium-Schicht, etwa die Hälfte des Sensors bedeckt eine Gitterstruktur aus einem Polymer. Diese Gitterstruktur reagiert auf Druckveränderungen der Umgebungsflüssigkeit und verbiegt sich. Ein feines Silizium-Plättchen unter dem Gitter spürt das und ändert seinen elektrischen Widerstand. So kann der Druck der Umgebungsflüssigkeit im Gehirn abgeleitet werden. Die Temperaturmessung funktioniert ähnlich.
    "Wir konnten außerdem zeigen, dass es möglich ist, die Druck- und Temperaturdaten mittels Radiowellen drahtlos zu einem externen Speichergerät zu schicken. Das können Ärzte auslesen und somit den Gesundheitszustand der Patienten nach einer Hirn-OP überwachen."
    Eine Woche lang verlässliche Daten
    Die Forscher um John Rogers setzten ihre Sensoren in sechs Rattenhirne ein, um dort sowohl den Druck als auch die Temperatur im Gehirn aufzuzeichnen. Die über einige Tage gesammelten Daten seien genauso präzise, wie die heute eingesetzter nicht-resorbierbarer Implantate. Ein zweites Ergebnis:
    "Unsere Sensoren haben sich nach etwa einem Monat komplett aufgelöst, ohne negative Auswirkungen auf das Immunsystem der Tiere und es sind auch keine Entzündungsreaktionen aufgetreten."
    Das Silizium regiert mit der Umgebungsflüssigkeit zu Kieselsäure, die auch natürlicherweise in Körperflüssigkeiten vorkommt. Die biologisch abbaubaren Messfühler könnten ein Mal pro Minute Daten sammeln, das sei medizinisch gesehen völlig ausreichend, so John Rogers. Etwa eine Woche lang arbeiten sie verlässlich - dies reiche für die Überwachung der meisten Patienten nach einer Hirn-Operation aus. Ihre Energie erhalten die Sensoren drahtlos über das Speichergerät. Nicht nur im Rattenhirn, auch im menschlichen würde wohl ein Mini-Sensor ausreichen. Zu den Kosten kann der Materialforscher noch keine genauen Zahlen nennen, im Vergleich zur gesamten Behandlung solcher Patienten seien sie jedoch gering.