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Materialforschung
Bruchfestes Glas für Smartphones und Co.

Unzerbrechliches Glas – das könnte zur Normalität für Smartphones, Autoscheiben oder Gebäude werden. Forscher haben eine Oberfläche aus Polymer und Glas entwickelt, die sogar Hiebe mit einer Stange aushält. Die Produktion wäre durch geringe Kosten massentauglich, doch noch sind die Scheiben zu dick.

Von Frank Grotelüschen | 28.06.2019
Ein schwarzes Mobiltelefon liegt mit zersplittertem Display auf dem Boden.
Viele Displays bekommen noch schnell Risse, wenn das Smartphone mal hinfällt (dpa / picture alliance / Peer Grimm)
Durchsichtig, hart, haltbar – Glas hat viele Vorteile. Aber auch einen Nachteil:
"Das Problem ist seine Zerbrechlichkeit. Fällt Glas zu Boden, zerspringt es allzu leicht. Also: in punkto Brüchigkeit ein schreckliches Material."
Selbst Verbundglas sei nicht ideal, sagt Francois Barthelat von der McGill University in Montreal. Zwar sorgt eine Zwischenschicht aus Kunststoff dafür, dass etwa die Windschutzscheibe eines Autos bei einem Steinschlag nicht in Scherben zerspringt. Aber es bilden sich mehr oder weniger lange Risse, wegen denen dann oft genug die gesamte Scheibe ausgetauscht werden muss. Also suchten die Kanadier nach einer Alternative – und fanden sie bei Mutter Natur:
"Unser Vorbild ist Perlmutt, also die Innenschale bestimmter Muscheln. Zum Großteil besteht Perlmutt aus Kalziumkarbonat, einem eigentlich sehr brüchigen Mineral. Doch zusätzlich ist es von dünnen Protein-Schichten durchzogen. Und die sorgen dafür, dass Perlmutt ziemlich bruchfest ist – und damit die gesamte Muschelschale."
Der Proteingehalt im Perlmutt ist gering, gerade mal fünf Prozent. Doch er genügt, um als eine Art Riss-Stopper zu fungieren: Die Proteinschichten nehmen einen Riss auf und absorbieren ihn, sodass er sich nicht weiter ausbreiten kann – die Muschelschale bleibt intakt. Doch wie lässt sich dieser Naturtrick auf die Technik übertragen?
Effektiver Stoßdämpfer aus Glas und Polymer
Barthelat und seine Leute versuchten es mit dem Laser:
"Mit dem Laser gravieren wir millimetergroße Konturen in dünne Glasscheiben, sie haben die Form von Bienenwaben. Und dann kleben wir mehrere dieser Glasscheiben mit einem Polymer zusammen."
Das Ergebnis ähnelt einer Backsteinwand mit winzigen Glasteilchen als Ziegeln und dem Polymer als Mörtel. Bekommt dieses Material einen Stoß ab, können die Glasziegelchen ausweichen, wobei sie vom Polymer-Mörtel zusammengehalten werden. Ein hocheffektiver Stoßdämpfer, das zeigten die Belastungstests:
"Wir haben Scheiben aus unserem Material hergestellt und gezielt mit einer Stange malträtiert. Dabei zeigte sich, dass das Material zwei- bis dreimal stabiler ist als Verbundglas. Als wir das sahen, waren wir ziemlich zufrieden."
In der Tat: Die Zeitlupenaufnahmen sind eindrucksvoll. Getroffen von einer Metallstange zerspringt eine gewöhnliche Glasscheibe in tausend Stücke, Verbundglas bekommt unzählige Risse. Die Scheibe aus künstlichem Perlmutt hingegen dellt sich an der Stoßstelle lediglich ein wenig ein, bleibt ansonsten aber intakt.
Vielfältige Nutzungsmöglichkeiten
Ein Material, das vielseitig einsetzbar sein sollte, meint Francois Barthelat:
"Wir denken an stabilere Fenster und Glasfassaden für die Architektur. Aber auch für Autos und Flugzeuge könnte das taugen, oder als besserer Hagelschutz für Solarzellen. Interessant wäre aber auch der Einsatz in Smartphones und Tablets. Dann würden die nicht mehr so schnell kaputtgehen, wenn die mal runterfallen."
Zuvor aber müssen die Fachleute noch ein wenig tüfteln. Denn bisher gelingt ihnen nur die Fertigung von Scheiben, die mehrere Millimeter dick sind. Für Smartphones dagegen braucht es Glasschichten, die nicht dicker sind als ein Drittel Millimeter. Und es gibt noch mehr Fragen zu klären. Zum Beispiel: Wie haltbar ist der Polymermörtel, vor allem in einer harschen Umgebung, und wie lange bleibt er so transparent wie Glas? Eines zumindest sei kein Problem, meint Barthelat – eine kostengünstige Massenproduktion:
"Mit unserer Technik lässt sich das Material recht günstig in großen Mengen herstellen. Das ist anders als bei vielen anderen Forschungsansätzen, bei denen man oft nur winzige Proben aus bruchsicherem Glas herstellen kann. Was die Kommerzialisierung angeht, ist das ein Pluspunkt für unsere Methode."