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Materialforschung
Forscherteam kurbelt Massenproduktion von Nanotubes an

Wissenschaftler aus der Schweiz und Deutschland haben ein neues Verfahren entwickelt, um sogenannte Nano-Tubes - winzige Röhrchen aus Kohlenstoff - günstig und in großen Mengen zu entwickeln. Bislang kommen die extrem vielseitigen Winzlinge nur selten zum Einsatz. Das soll sich durch eine einheitlichere Herstellung ändern.

Von Frank Grotelüschen | 02.09.2014
    Das Forschungsobjekt von Roman Fasel ist winzig, aber von vertrauter Form. Es besitzt die Gestalt eines Reagenzgläschens, beschreibt der Nanoforscher von der EMPA, der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt in der Nähe von Zürich.
    "Sehr lange, aber sehr dünne Kohlenstoffstäbchen, oder eben besser –röhrchen. Sie bestehen aus nichts anderem als Kohlenstoff."
    Das Besondere an den Röhrchen: Mechanisch sind sie extrem stabil, elektrisch extrem gut leitend und optisch extrem aktiv. Bislang aber kommen die Winzlinge eher selten zum Einsatz, vor allem als Zusatz in ultraleichten Carbonwerkstoffen. Die meisten Ideen, was man mit ihnen alles anstellen könnte, stecken noch im Forschungsstadium. Denn dafür bräuchte man sie sortenrein – Röhrchen von einheitlicher Dicke und Länge. Nur:
    "Es ist immer noch ein Problem, diese Röhrchen sortenrein herzustellen."
    Bis jetzt versuchte man es damit, die gewünschte Sorte irgendwie aus einem bunten Gemisch herauszufiltern. Der Erfolg: bescheiden. Die Filtermethode funktioniert schlicht nicht effizient genug. Deshalb verfolgen Fasel und seine Kollegen eine völlig anderen Ansatz.
    "Anstatt eine ganze Mischung herzustellen – könnte man nicht einfach nur das eine, dass man will, herstellen?"
    Ideen dafür geistern zwar schon lange in der Fachwelt herum. Bislang aber mangelte es an der nötigen Technik. Genau die haben die EMPA-Experten nun gemeinsam mit Max-Planck-Forschern aus Stuttgart entwickelt. Das Prinzip: Jedes Nanoröhrchen besitzt eine Endkappe, ähnlich wie der Boden eines Reagenzgläschen. Bei eben dieser Endkappe haben die Forscher angesetzt.
    "Der Prozess geht so vonstatten, dass in einem ersten Schritt ein flaches Ausgangsmolekül auf eine heiße Platinoberfläche deponiert wird."
    Das heiße Platin fungiert dabei nicht nur als Unterlage, sondern mischt aktiv als chemischer Katalysator mit: Es modifiziert das flache Vorläufermolekül so, dass es sich zu einer winzigen Kuppel ausbeult.
    "Und das ist eben diese Endkappe, die den Deckel für das wachsende Kohlenstoff-Nanoröhrchen bildet, in einem zweiten Schritt."
    Bei diesem zweiten Schritt bringen die Forscher Kohlenstoffatome dazu, am unteren Rand der Kappe anzudocken und sie nach und nach anzuheben. Die Folge: Langsam, aber stetig wächst das Röhrchen in die Höhe – und zwar nicht nur ein Röhrchen, sondern unzählige nebeneinander mit genau denselben Eigenschaften.
    Grundsätzlich funktioniert die Methode, das haben die Wissenschaftler jüngst gezeigt. Marktreif aber ist sie noch nicht. Durchmesser und Struktur der Röhrchen haben die Forscher zwar im Griff. Aber es hapert noch daran, sie in der gewünschten Länge zu züchten. Jetzt setzt Roman Fasel darauf, die heiße Platinoberfläche zu optimieren oder durch bessere Materialien zu ersetzen. Würde dies gelingen, locken vielversprechende Anwendungen in der Nanotechnologie.
    "Wann immer Kohlenstoff-Nanoröhrchen in elektronischen oder optischen Anwendungen gefragt sind, ist man darauf angewiesen, dass man eine bestimmte Sorte hat. Gerade für diese Anwendungen sind diese sortenreinen Kohlenstoff-Nanoröhrchen prädestiniert."
    Zum Beispiel für ultraschnelle Transistoren als Basis für die Computer der Zukunft. Oder aber in ultradünnen optischen Schichten, auf deren Grundlage man dann bessere Flachbildschirme und Touch-Screens bauen könnte.