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Materialforschung
Neue Turbinen-Schutzschichten gegen Vulkanasche

2010 der Ausbruch des Eyjafjallajökull, ein Jahr später der Grimsvötn: Durch die Vulkanasche kam der Flugverkehr zeitweise zum Erliegen. Forscher beschäftigen sich seitdem verstärkt mit der Frage, wie gefährlich die Sandpartikel eigentlich für Flugzeugturbinen sind?

Von Volker Mrasek | 28.09.2015
    Vulkanasche bedeckt am 14.2.2014 ein Flugzeug in Yogyakarta, Indonesien nach dem Ausbruch des Vulkans Kelud
    "Nadine, würdest du einmal die Zyklierung wieder starten?"
    Forschungszentrum Jülich. Ein Raum so groß wie eine Garage. Nur steht kein Auto drin, sondern eine gut verriegelbare Versuchskammer.
    "Eine relativ große Kiste aus Metall, zwei Türen und ein Sichtfenster, um die Probe auch beobachten zu können. Ja!"
    Heiß wird sie, die Probe! Die Flamme eines Gas-Brenners ist frontal darauf gerichtet. Es leuchtet orange. Weil in das Verbrennungsgas auch feine Sandpartikel eingeblasen werden, wie der Physiker und Materialforscher Daniel Emil Mack erläutert:
    "Wir arbeiten hier mit Temperaturen deutlich über 1000 Grad - typischerweise zwölf- bis vierzehnhundert Grad. Da fängt alles an zu leuchten."
    Das kreisrunde Plättchen, das die teuflische Hitze aushalten muss ist eine Hochleistungskeramik für Flugzeug-Triebwerke. Solche Materialien werden als hauchdünner Film auf die Turbinenschaufeln gesprüht. Dort bilden sie eine Hitze-Schutzschicht. Die Schaufeln werden dann höchstens tausend Grad heiß, was das Metall verkraftet.
    Wenn es da nur nicht ab und zu Vulkanasche in der Luft gäbe! Olivier Guillon, französischer Keramikspezialist und Leiter der Werkstoffsynthese im Jülicher Forschungszentrum:
    "Sand, Vulkanasche - bei den hohen Betriebstemperaturen in Turbinen fangen sie an zu schmelzen. Und dann können sie die keramischen Schutzschichten infiltrieren und beschädigen."
    Die Folge: Der Keramikfilm wird spröde und platzt ab, die Turbinenschaufeln werden zu heiß und verschleißen, es kommt zu Triebwerksschäden.
    In der Jülicher Versuchskammer testet Daniel Mack nun neue Schutzschichten, in Zusammenarbeit mit mehreren großen Fluglinien und Triebwerksherstellern. In die Gasflamme wird dabei feiner Sand eingeblasen.
    "Normal ist hier, dass wir die Proben immer abwechselnd heizen und kühlen, um Lande- und Startzyklen, die eine Turbine erlebt, zu simulieren. Dann starten wir wieder, fahren ein Stück durch den Vulkan, landen wieder und so weiter."
    Es geht um die Entwicklung von Keramiken, die so robust sind, dass schmelzende Vulkanpartikel nicht in sie eindringen können. Und so hitzefest, dass sie auch Temperaturen verkraften, wie sie in den Gas-Turbinen großer Passagier-Jets heute herrschen. Die sind mit der Zeit immer mehr gestiegen, auf über 1.250 Grad Celsius. Weil die Turbinen dann effizienter laufen.
    "Das war früher gar kein Problem, da ist man gar nicht erst in die Temperaturbereiche gekommen, wo der Sand aufschmelzen kann. Die kritische Grenze ist etwa bei 1.200 Grad für den Langzeiteinsatz. Und die andere Sache ist eben, dass auch bei knapp über 1.200 Grad die Sande beginnen zu schmelzen und damit besonders gefährlich werden."
    Bisher arbeitet man mit Zirkonoxid. Diese Keramik genügt den Ansprüchen heute nicht mehr. Man kann sie aber mit anderen Substanzen mischen. Etwa mit Gadolinium, einem Metall, das zu den Seltenen Erden zählt. So kommt man zu Gadolinium-Zirkonat, das auch bei 1.600 Grad noch intakt bleibt. Weil das Gadolinium wie atomarer Zement wirkt und die Keramik stabilisiert.
    Die Jülicher Arbeitsgruppe experimentiert zudem mit Mineralen aus der Gruppe der Perowskite. Man kennt sie aus der Halbleiter-Technik. Sie reagieren chemisch mit den schmelzenden Vulkanpartikeln, und zwar so, wie sich das Materialforscher Mack wünscht:
    "Es gibt Reaktionsprodukte, die aber Gott sei Dank in einer Schicht erhalten bleiben beziehungsweise als Opferschicht abgestoßen werden, ohne dass darunterliegende Teile der Komponente in Mitleidenschaft gezogen werden."
    Hitze-Dämmschichten aus Gadolinium-Zirkonat sind im Prinzip schon anwendungsreif und könnten Flugzeug-Triebwerke besser vor Schäden durch Vulkanasche schützen. Doch noch ist es nicht so weit ...
    "Einfach auch weil im Bereich der Flug-Gasturbinen das Ganze durch einen sicherheitsorientierten Qualifizierungsprozess muss. Da, denke ich, sind zwei bis fünf Jahre selbst für Systeme, die im Grunde schon in der Schublade sind, eine gute Zeit."
    "Wir machen die Kiste wieder zu. Der Test läuft noch hoffentlich eine Woche weiter. Wenn die Probe morgen kaputt ist, müssen wir uns 'was Neues ausdenken."