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Matsch von Pharma Fit
7000 Jahre Torf

In Deutschland gibt es nur eine Firma, die Torf noch zu medizinischen Zwecken abbauen darf: Pharma Fit in der Nähe von Schwerin. Aus dem Torf werden Moorpackungen, Moorwärmekissen und Bademoor hergestellt. "Sieben Meter sind 7000 Jahre", erklärt die Inhaberin Sylvia Menke. Sie macht mittlerweile einen Umsatz von zwei bis drei Millionen. Und expandiert weiter.

Von Leila Knüppel | 15.07.2016
    Zwei Füße, auf die der Betrachter schaut, als wären es seine eigenen, während er in der Badewanne liegt. Das Bad ist allerdings ein Moorbad, so dass die Füße ganz braun sind.
    Die Huminsäure, die im Torf enthalten ist, die wirkt schmerzlindernd bei Arthrose, Rheuma. Genau darum geht es bei einem Moorbad (Imago/Gerhard Leber)
    Erst kommt ein langer Plattenweg durch Raps und Maisfelder, dann die zwei alten DDR-Fabrikgebäude. Dahinter das alte rostige Eisentor. Ganz schön lange muss Sylvia Menke am Schloss ruckeln, eh das Gatter sich öffnet – und wir den Feldweg weitergehen können. Hinein, ins knapp 600 Hektar große Grambower Moor, ein Naturschutzgebiet in der Nähe von Schwerin.
    Rechts und links strecken Birken ihre weißen Stämme aus dem tiefschwarzen Moorwasser. Dazwischen: Farne, Moos, abgestorbene Baumstämme. Sylvia Menke trifft den ersten Moorbewohner:
    "Das ist ein typischer Moorfrosch. Jetzt ist der grün. Und so eine richtig schöne blaue Farbe kann der bekommen. Das ist schon toll!"
    Fast täglich ist die 43-Jährige, zierliche Frau hier unterwegs. Sie, ihr Mann, ihre Familie leben vom Moor. Ihre kleine Firma Pharma Fit ist die einzige, die in Deutschland noch Torf zu medizinischen Zwecken abbauen darf, Moorpackungen, Moorwärmekissen und Bademoor herstellt. Sylvia Menke beschreibt: "Da ist schon die Abbaufläche."
    Nach einigen Minuten Fußmarsch erreichen wir eine Freifläche: Fünf Hektar, für die PharmaFit eine Abbaulizenz besitzt. Das entspricht etwa sieben Fußballfeldern. Die Firmenchefin beschreibt: "Das ist auch ein ganz besonderer Torf hier, über den gibt es Prüfberichte. Das ist staatlich anerkannt, ein Moor, wo die heilende Wirkung nachgewiesen wurde. Das gab es ja auch schon zu DDR-Zeiten, weil damals Medikamente und vor allem Penicillin knapp waren. Und man musste sich dann mit Naturheilmitteln heilen."
    Eigentlich ist jetzt die beste Zeit, um hier Torf zu stechen, erzählt Sylvia Menke, während sie über die Fläche voll Wollgras und anderer Moorpflanzen führt. Aber gestern Nacht hat es wie aus Eimern geschüttet, und jetzt steht die Grube voll tief-schwarzem Wasser. An Abbau ist heute also nicht zu denken, sagt Menke: "Durch den Starkregen können sie gar nicht sehen, wie tief schon gebaggert wurde."
    Huminsäure wirkt schmerzlindernd bei Arthrose und Rheuma
    Über alte Schienenstränge balancieren wir Richtung Wasserloch. Sechs bis sieben Meter tief ist es. Sylvia Menke rechnet vor: "Sieben Meter sind 7000 Jahre. Und das ist so die Schicht, die wir rausholen. Die Huminsäure, die im Torf enthalten ist, die wirkt schmerzlindernd bei Arthrose, Rheuma – und dann ist es auch noch die antibakterielle Wirkung."
    Nur etwa sechs bis acht kleine Eisenbahn-Loren der wertvollen Erde baut Pharma Fit hier jährlich ab. "Fünf Kubikmeter" seien das, erläutert Menke: " Von daher arbeiten wir sehr gut und eng mit den Umweltbehörden zusammen. Und haben da nicht so die Konflikte, wie jemand, der wirklich massiv den Torfabbau betreibt."
    In den Werkhallen von Pharma Fit macht sich Sylvia Menke auf die Suche nach Uwe Pommeranz, einem der zwölf Mitarbeiter von Pharma Fit. Er arbeitet schon seit Ewigkeiten in der Firma, hat alle Schlüssel, die Menke braucht, um ihren Besuch über das Gelände zu führen. Schließlich findet sie ihn - ganz hinten in der Werkhalle, vor einem riesigen, alten, eisernen Fleischwolf. Daneben liegen jede Menge Werkzeuge.
    Pomeranz bestätigt, ja, er repariert den Fleischwolf: "Der möchte nicht mehr so, wie wir wollen." Und er meint wirklich: "Fleischwolf?" Pomeranz nickt: "Ja, Fleischwolf. Hier kommt der Torf rein. Hier machen wir den klein, dass wir den abfüllen können, ohne Holz, ohne Steine und so was da drin."
    An den drei Produktionsstraßen nebenan wird die Jahrtausende alte Erde dann auf medizinisches Fleece gestrichen und gepresst, zu Moor-Packungen für Kurkliniken und Sanatorien, Ärzte und Heilpraktiker. Die meisten in Deutschland - aber auch nach Österreich, Luxemburg, Italien und Holland liefert Pharma Fit.
    Drei Millionen Packungen im Jahr laufen vom Band. Das funktioniert mittlerweiter fast komplett automatisch, erzählt Uwe Pommeranz. Früher sei das noch anders gewesen. Seit der Wende sei er hier, erzählt er: "Wenn ich an den Anfang denke, da haben wir alles noch mit Hand ausgerollt." Fast wie Plätzchen backen, bestätigt er.
    Menke führt weiter über den Hof. Nach der Wende habe ihr Vater den DDR-Betrieb übernommen, erzählt sie. Ihre Familie hatte bereits einen Betrieb in Niedersachsen: "Wir haben immer mit Erde zu tun gehabt, von der Heilerde bis zur Blumenerde. Und das habe ich von Kindheit an gelernt. Das ist ein Familienbetrieb."
    "Wir haben so viele Aufträge. Wir kommen fast gar nicht hinterher."
    Vor zwölf Jahren haben dann sie und ihr Mann das Unternehmen hier in Stralendorf bei Schwerin übernommen und Pharma Fit gegründet. Im Gebäude nebenan stehen einige Eimer voller feinstem Schlamm. Menke erklärt, das sei das Watt, das man kennt aus der Nordsee. Auch das baut Pharma Fit ab – und stellt daraus Algen-Schlick-Packungen und Peelings her.
    Gerade stehen die Schlick-Maschinen allerdings still. Es muss erst wieder neues Watt in der Nordsee abgestochen werden. Alles andere ist schon längst verarbeitet. Menke ist zufrieden: "Wir haben so viele Aufträge. Wir kommen fast gar nicht hinterher. Das ist toll.
    Mittlerweile macht die Firma einen Umsatz von zwei bis drei Millionen, erzählt Menke und: "Es wächst weiter. Es wird mehr."
    Dann muss sie schnell rüber ins Bürogebäude. Gerade ist ein Bewerber zum Vorstellungsgespräch gekommen, wartet schon im Hof. "Ja, wir sind am Expandieren," freut sich die Chefin von Pharma Fit.
    Nach Feierabend wird sie aber noch einmal die Gummistiefel überziehen – und einen kurzen Spaziergang ins Moor machen. Hier fände sie ihre Ruhe, meint sie: "Ja, ich bin gerne hier. Man muss gar nicht in die große weite Welt, wenn man sich mit der Tier und Pflanzenwelt hier auseinandersetzt. Weil das hier auch schön ist.