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Mauersegler
Sie landen nur für den Nachwuchs

Das ist Weltrekord im Vogelreich: Mauersegler halten sich zehn Monate ohne Pause in der Luft. Das haben schwedische Forscher gemessen. Die Vögel sind perfekt an das Leben im Flug angepasst. Es gibt praktisch nur einen Grund zu landen: den Nachwuchs.

Von Lucian Haas | 28.10.2016
    Mauersegler fliegt aus der Bruthöhle in einer Eiche im Harz. Außerhalb der Brutzeit können sie ein zu hundert Prozent luftgestütztes Leben führen
    Mauersegler fliegt aus der Bruthöhle in einer Eiche im Harz. Außerhalb der Brutzeit können sie ein zu hundert Prozent luftgestütztes Leben führen (imago stock&people)
    Mauersegler sind für den Biologen Anders Hedenström von der Universität Lund in Schweden besonders faszinierende Vögel.
    "Mauersegler sind daran angepasst, sehr effizient zu fliegen. Sie haben lange, schmale Flügel und sehr stromlinienförmige Körper. Für einen an Aerodynamik interessierten Biologen wie mich ist das wie das Gegenstück der Formel 1 in der Vogelwelt."
    Bei Formel 1 denkt man vor allem an Schnelligkeit. Mauersegler glänzen allerdings auch durch Ausdauer. Fast ihr gesamtes Leben verbringen sie in der Luft. Dazu gehören auch weite Flüge, die sie von ihren Brutgebieten in Europa aus in die Überwinterungsgebiete in Westafrika führen. Anders Hedenström hat diesen Vogelzug der Mauersegler jetzt erstmals mit speziellen Datenloggern genauer verfolgt:
    "Diese kleinen Datenlogger schnallen wir den Vögeln um wie einen winzigen Rucksack. Die Geräte messen Helligkeit und halten die Zeit von Sonnenauf- und -untergang fest. Daraus kann man sehr gut die ungefähre Position der kleinen Vögel ableiten, ihre Flugrouten verfolgen und feststellen, wo sie den Winter verbringen."
    "Physiologisch gesehen gibt es für die Mauersegler keinen Grund zu landen"
    Die Messungen zeigen: Es sind Länder wie die Elfenbeinküste, Ghana oder die Demokratische Republik Kongo, wo die Winterquartiere der Mauersegler liegen.
    Die Logger lieferten allerdings noch weitere interessante Daten. Eingebaute Lage- und Beschleunigungssensoren hielten fest, wann die Vögel tatsächlich in Bewegung waren und flogen. In den Messdaten sind so gut wie keine Flugpausen erkennbar - und das über zehn Monate hinweg:
    "Forscher hatten schon länger vermutet, dass Mauersegler ihr gesamtes Leben außerhalb der Brutzeit in der Luft verbringen könnten. Ich bin sehr glücklich, dass wir das nun belegt haben.
    Von den 13 Mauerseglern in unserer Studie hatten drei im Grunde niemals Bodenkontakt. Sie waren 100 Prozent der Zeit in der Luft. Das zeigt, dass es physiologisch gesehen für die Mauersegler keinen Grund gibt zu landen.
    "Ich denke, dass gelegentlich nur sehr schlechtes Wetter und ähnliche Situationen sie zur Landung zwingen könnten."
    Mauersegler sind erstaunlich langlebig
    Zehn Monate pausenlos in der Luft - das ist nach Angaben von Anders Hedenström nicht nur ein Weltrekord im Vogelreich, sondern zeigt eine enorme Anpassungsleistung:
    "Mauersegler haben sich im Zuge der Evolution darauf eingerichtet, ein zu hundert Prozent luftgestütztes Leben zu führen. Das bringt ihnen den Vorteil, weniger angreifbar durch andere terrestrische Tiere zu sein. Vielleicht verringern sie so auch das Risiko, durch Parasiten und andere Krankheitserreger infiziert zu werden."
    Eins ist zumindest auffällig: Obwohl die Mauersegler durch ihren pausenlosen Flug eine enorme körperliche Leistung vollbringen, sind sie erstaunlich langlebig für so kleine Tiere. Typischerweise werden sie rund sechs Jahre alt, doch es wurden auch schon 20 Jahre alte Mauersegler beobachtet.
    Fregattvögel können im Flug schlafen - Mauersegler auch?
    Wie diese Vögel das anstellen, ist für Anders Hedenström noch ebenso ein Rätsel wie eine andere Frage: Wie halten es die Mauersegler mit dem Schlaf?
    "Geht man davon aus, dass alle Tierarten ein Schlafbedürfnis haben, dann gilt das auch für Mauersegler. Sie müssten dann aber während des Fluges schlafen. Erst kürzlich hat eine andere Studie an Fregattvögeln gezeigt: Diese größeren Meeresvögel, die auch viel Lebenszeit in der Luft verbringen, schlafen tatsächlich im Flug. Also könnte das auch bei den Mauerseglern möglich sein."
    Das zu beweisen, hat sich Anders Hedenström als nächste Forschungsaufgabe gesetzt. Die größte Schwierigkeit ist dabei, eine passende miniaturisierte Messtechnik zu entwickeln, mit der sich der Zustand des Schlafens anhand von Messungen der Hirnströme der Mauersegler im Flug erkennen lässt.