Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Max-Ophüls-Vortrag auf CD
Alte Rede mit visionärer Kraft

Max Ophüls wirkte in Deutschland, Frankreich und sogar Hollywood. Doch der Theater- und Hörspiel-Regisseur wurde nicht freiwillig ein Wanderer zwischen den Welten. Die Nazis trieben ihn ins Exil. 1956 hielt er vor der Frankfurter Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft einen Vortrag über den Film. Trotz ihres Alters ist die Rede beachtlich aktuell. Nun gibt es das Tondokument als Audio-CD.

Von Hartwig Tegeler | 27.03.2015
    Der deutsch-französische Regisseur Max Ophüls - aufgenommen im Jahr 1952.
    Der deutsch-französische Regisseur Max Ophüls - aufgenommen im Jahr 1952. (dpa - Bildarchiv - Kurt Rohwedder)
    Es wirkt schon altbacken, das Bild dieses Mannes auf dem Cover des Hörbuchs. Mann mit Jackett und weißem Einstecktuch, weißes Hemd, immerhin ohne Schlips, vor zwei Bandmaschinen, mit denen früher Radio gemacht wurde. Aber im Film wie im realen Leben kann der Schein trügen, und dieses Originaltondokument von 1956 mit Max Ophüls "Gedanken über den Film" ist eben nur scheinbar alt, in der Beschreibung dessen, was Film, Filmgeschehen und -geschäft war und ist. Ophüls erinnert sich an eine Straßenbahnfahrt entlang an der Frankfurter Oper, wo das Leitmotiv der Weimarer Klassik gemeißelt stand.
    "Dem Wahren, Schönen, Guten!"
    Um später am Abend, beim Großvater, einem Händler, der immer Händler war, auf die Frage, was er, Max, denn so gesehen habe den Tag über, eine wunderbare Verballhornung abzuliefern:
    "Den schönen, guten Waren!"
    Aus dieser Anekdote entwickelt Max Ophüls eine Analyse über das Filmemachen. Im Kern nämlich ginge es um die Ambivalenz zwischen Kunst und Ökonomie. Und die Utopie - für einen Filmemacher in den 1950ern wie heute - liegt natürlich in der wie auch immer zustande kommenden Synthese zwischen Kreativität und Geld.
    "Film muss ein Kampf sein zwischen den schönen, guten Waren und dem Wahren, Schönen, Guten."
    "Weil Drama kein Massenartikel sein kann"
    Max Ophüls kann sich in diesem Vortrag vor Frankfurter Industriellen beziehen auf die Erfahrung des Filmemachers in Deutschland und in Hollywood. Denn der Jude Max Ophüls floh 1933 vor den Nazis ins Exil, zunächst nach Paris und dann 1942 nach Amerika, von wo aus er 1949 nach Frankreich zurückkehrte. Seine Noir-Filme "Gefangen" und "Schweigegeld für Liebesbriefe", in Hollywood entstanden, sind übrigens gerade in einer DVD-Edition erschienen. Hollywood und Europa, zwei ganz unterschiedliche Filmkontinente auf den ersten Blick, und doch ist es erstaunlich, welche strukturelle Gemeinsamkeiten Max Ophüls beim Nachdenken über den Film hier findet. Beispielsweise der Frage, was die Konformität von Filmen betrifft:
    "Und warum sehen sie sich alle gleich? Weil Drama kein Massenartikel sein kann."
    Vor fast sechs Jahrzehnten sagte Max Ophüls dies, was sich wie ein treffender Kommentar zum aktuellen Blockbuster-Effekte-Computer-Generated-Images-Kino anhören könnte:
    "Und so laufen wir Gefahr, uns immer mehr von dem Geheimnis Film zu entfernen."
    Auch ein Begriff, der sich nicht erledigt hat. Ein wahrer terminus technicus über das Kino: "Geheimnis Film". Max Ophüls historisches Hörstück von 1956 - und das hat mich sehr erstaunt und dann umso schneller fasziniert - analysiert nicht nur das Filmgeschäft, sondern eben auch seine, man möchte sagen, universellen Widersprüche. Wozu natürlich damals wie heute die Frage nach dem Erfolg gehört. Den wollen Produzenten geplant haben. Damals wie heute. Wie es darum allerdings steht, wusste Ophüls aus eigener schmerzhafter Erfahrung. "Lola Montez", sein letzter Film - ein Jahr nach dem Vortrag, 1957 starb der große Regisseur in Hamburg -, "Lola Montez", fiel 1955 bei Publikum wie Kritik vollkommen durch; spielte viel weniger ein als erwartet. Heute wird "Lola Montez" als Meisterwerk verehrt. Ach, ja, der filmische Erfolg:
    "Ist in allen Ländern der Wunsch, den Erfolg vorberechnen zu können, nicht abgestorben. Und natürlich ist dieser Wunsch ein Irrglaube und vergeht sich an dem Geheimnisvollen unseres Berufes."
    Es ist verblüffend, wie viel man aus diesen Ophülschen "Gedanken über den Film "herausziehen, präziser -hören kann darüber, was Film ist.