Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

May + Spies in Düren
Trauerränder, von Hand gemalt

Der November gilt als Trauermonat. Der Volkstrauertag liegt im November. Der Kalender der christlichen Kirchen vermerkt Allerheiligen und den Buß- und Bettag. Die Firma May + Spies in Düren hat in der Trauerkultur ihren Platz gesucht und gefunden: Ihre Spezialität sind Trauerkarten, die ohne Handarbeit nicht zu haben sind.

Von Dieter Wulf | 20.11.2015
    Ein Füllfederhalter.
    Maschinen können den ein bis zwei Millimeter schwarzen Rand nicht aufstreichen, es wird per Hand gemacht. (imago/Kickner)
    Vorstellungsrunde bei May + Spies, der Firmenchef empfiehlt sich:
    "Sie sind jetzt in der Firma May und Spies, gegründet 1920 von meinem Großvater und seinem Freund und Begleiter Karl May."
    Heinrich Spies ist der Enkel des Firmengründers und heutige Besitzer. Sein Großvater hatte nach dessen Tod die Anteile seines Kompagnons mit dem legendären Namen übernommen. Und nein, lacht Heinrich Spies, mit dem Erfinder von Winnetou, Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi, haben sie nichts zu tun:
    "Den Schatz im Silbersee finden Sie hier nicht und suchen ihn auch vergebens. Wir sind unterwegs in hochwertigen Feinpapieren. Das heißt, wir vertreiben spezielle Produkte für Geschäftsausstattungen für Broschüren, Herstellungen, aber alles im feinen Naturpapierbereich."
    Begeisterung für Papier
    Der nüchterne Industriebau im nordrhein-westfälischen Düren lässt von außen nicht erkennen, was hier produziert wird. Aber schnell merkt man auch die Begeisterung, die der Enkel des Firmengründers für Papier aufbringt. Doch in der Zeit sinkender Auflagen von Zeitungen und Zeitschriften, wo Werbung immer mehr ins Internet abwandert und Briefe durch E-Mails ersetzt werden, ist die Papierbranche massiv unter Druck, meint Heinrich Spies:
    "Der Höhepunkt der Papier Produktion muss so 2007/2008 gewesen sein. Dann kam der große Crash, und dann war nichts mehr so, wie es vorher war."
    May + Spies, der Mittelständler mit etwa 200 Mitarbeitern musste sich etwas einfallen lassen, erklärt der Chef:
    "Die Gesamtauflagen werden kleiner, die individuellen Ansprüche werden größer und dem wollen wir Rechnung tragen."
    Bestimmte Maschinen zur Papierveredelung, zum Beispiel die Verzierung mit Wasserzeichen werden mittlerweile gar nicht mehr produziert. May und Spieß kauft daher seit Jahren gebrauchte Maschinen, um diese Techniken weiter zu führen. Ein ganz besonderes Produkt aber seien die Briefumschläge mit schwarzer Umrandung, betont Heinrich Spieß:
    "Man kennt das Gott sei Dank nicht allzu oft, wenn ein Angehöriger stirbt, dann wird in der Regel zu der Bestattung, zur Trauerfeier eingeladen, und das geschieht mit Traueranzeigen. Das sind klassischerweise Produkte, die einen schwarzen Rand außen haben."
    Die Farbe wird per Hand aufgestrichen
    Dieser ein oder, wenn gewünscht, zwei Millimeter schwarze Rand wird nicht gedruckt, sondern die Farbe wird per Hand aufgestrichen. Von den Büros im vorderen Bereich sind es nur wenige Meter zu der großen Produktionshalle. Während im Hintergrund schwere Maschinen rattern, steht Annemarie Kollhoff an einem etwa zehn Meter langen Tisch:
    "Ich nehme jetzt hier die Hüllen raus. Das sind die Hüllen von den Stanzlingen, die zurückgekommen sind, und diese werden jetzt auf zwei Millimeter runter gezogen mit einem Falzbeil."
    Annemarie Kollhoff kam vor 37 Jahren als Schulpraktikantin ins Unternehmen. Sofort war sie von dieser Arbeit, die so viel Sorgfalt bedarf, fasziniert. Seitdem arbeitet sie hier als Trauerränderin. Durch wenige geschickte Handgriffe legt Annemarie Kollhoff die Umschläge so aus, dass die daraus entstehenden Ränder den genau gleichen Abstanden erhalten. Eine wirkliche Kunst. Mit einem Pinsel wird dann die Farbe aufgetragen, erklärt Annemarie Kollhoff:
    "Das ist Wasserlack, ein schwarzer Wasserlack, der auf Wasserbasis hergestellt ist, und dieser wird mit einem Passionierpinsel aufgetragen. So ähnlich wie ein Rasierpinsel sieht er aus, besteht aber aus Schweineborsten."
    Da die Umschläge auf allen Seiten mit der Verschlusslasche, im Fachjargon Schnabel, so gerändert werden müssen, braucht es insgesamt zehn Arbeitsschritte, ein riesiger Aufwand.
    Nach zwei Jahren wurde die Maschine verschrottet
    Die ideale Möglichkeit zur Kostensenkung, dachte sich Heinrich Spies, als er vor Jahren als Juniorchef ins Unternehmen einstieg. Aber Maschinen, erinnert er sich, gab es dafür nicht:
    "Wir haben dann einen Tüftler und Sondermaschinenbauer gefunden im Baden-württembergischen, der für uns dieses Projekt umgesetzt hat. Das hat ca. drei Jahre gedauert, bis wir wirklich einen Prototypen, eine einzigartige Maschine, bauen ließen, die diesen Handränderungseffekt nachstellen sollte."
    Zwei Jahre wurde mit der Maschine experimentiert, bis sie schließlich verschrottet wurde. Zumindest hier ist der Mensch offenbar immer noch besser als die Maschine, hat Firmenchef Spieß erfahren:
    "Über die Länge der Produkte würden sie jedes zehntel Millimeter Abweichung sofort sehen. Das hat die Maschine nicht hinbekommen, sodass wir immer Toleranzen von mindestens zwei bis drei Zehntel hatten. Das ist tödlich, das sehen sie auf die gesamte Länge. Wir haben es dann aufgegeben und rändern deswegen nach wie vor mit der Hand."
    Karten von May + Spies gibt es nicht im Einzelhandel. Abnehmer sind ausschließlich Bestattungsunternehmen, die dann den Kartenversand für die Trauernden übernehmen.
    Neben den mittlerweile auch digitalen Trauerorten bei Facebook und Co. bleibt trotzdem noch Raum für eine Trauerkultur, die man mit Händen greifen kann. Mit hochwertigem Papier und Handarbeit.