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Wenn Autoren und Redaktionen um die Deutungshoheit streiten

Ein Autor soll gegen seine Überzeugung Teile seines Beitrages ändern, nur dann wird er gesendet: Eigentlich sollte so etwas in einem öffentlich-rechtlichen Sender nicht vorkommen, sondern das Redaktionsstatut Autoren schützen. Der Mitteldeutsche Rundfunk präsentiert dazu jetzt eine ganz eigene Lösung.

Von Jens Falkowski | 08.11.2014
    Das Logo des Mitteldeutschen Rundfunks hängt an gläserner Front.
    Ein Gremium aus 17 Mitgliedern soll künftig bei Konflikten zwischen Autoren und Redaktionen vermitteln: ein Experiment. (picture alliance / dpa / Arno Burgi)
    Aus 17 Mitgliedern besteht der neue Beirat der Intendantin. 14 davon konnten die festen und freien Programmmacher des Mitteldeutschen Rundfunks wählen, drei weitere kommen aus der Hierarchie des Hauses. Sie sollen zukünftig eine Lösung bei Konflikten zwischen Autor und Redaktion finden. Das Gremium ist nicht nur für den juristischen Direktor des MDR, Jens-Ole Schröder, ein Experiment.
    "Wir betreten mit diesem Mechanismus, den wir für den MDR entwickelt, erarbeitet haben, Neuland. Neuland deswegen, weil wir einen Beirat etablieren, der besetzt ist nicht nur aus Programmmitarbeiterinnnen und Mitarbeitern von unten heraus, sondern zugleich auch journalistische Vorgesetzte an der Arbeit des Beirates beteiligt sind. Wir wollen also ein dialogisches Verfahren etablieren. Das ist neu. Wir glauben, dass es eine Gute Sache ist. Wir sind gespannt wie es wirkt und wie es arbeitet."
    Sollte ein Autor mit seiner Redaktion in einen Konflikt geraten, weil die inhaltlichen Änderungen an seinem Beitrag gegen seine Recherche sprechen, kann er den Beirat im Nachhinein anrufen. Für Justiziar Jens-Ole Schröder ist es wichtig, dass den Autoren dabei keine Nachteile entstehen.
    "Ein Angebot für diejenigen, die sich von einem solchen Konflikt betroffen fühlen, sich an einen institutionalisierten Konfliktlösungsmechanismus zu wenden. Das man dieses Angebot auch annehmen kann, ohne Sorge zu haben zu müssen dadurch Nachteile zu erleiden, das haben wir ausdrücklich in der Dienstanweisung geregelt, dass niemand der sich an diesem Beirat wendet dadurch Nachteile erleiden darf. Also zurückgefahren in seinen Aufträgen."
    Doch gerade bei den freien Mitarbeitern, die von Aufträgen der Redaktionen abhängen, könnte es problematisch werden. Ralf Leifer vom Journalistenverband DJV befürchtet gerade hier Sanktionen.
    "Freie können auch beim MDR von heute auf morgen gesagt bekommen: Wir brauchen ihre Dienste nicht mehr. Man kann den Umfang der Dienste einschränken. Man kann sie von bestimmten Themen ausnehmen. Und das hat sofort dramatische Auswirkungen auf die Einkommenssituation. Und wie soll ich mir innerhalb von vier Wochen einen neuen Auftraggeber suchen und finden."
    Besonderer Fall der politischen Einflussnahme
    Einen unlösbaren Konflikt zwischen Autoren und den Vorgesetzten gibt es zwar selten. Ralf Leifer kann sich aber an einen besonderen Fall der politischen Einflussnahme erinnern.
    "Konflikte, die sich nie auflösen liessen, mag es der Zahl nach nicht so häufig gegeben haben. Aber ich bin selbst einmal Augenzeuge eines Vorgangs geworden, da hatte ich ein Gespräch bei einem früheren Thüringer Innenminister, der mir stolz erzählte, dass er im Funkhaus interveniert hat, weil der Beitrag, der gesendet worden war nicht seinen Vorstellungen entsprochen hat. Daraufhin hat der betroffene Mitarbeiter eine Abmahnung bekommen."
    Solche Fälle will der MDR mit seinem neuen Beirat verhindern. Der Sender spricht dabei von der inneren Rundfunkfreiheit. Für Ralf Leifer macht es aber nur Sinn, wenn der Begriff Programmkonflikt möglichst großzügig ausgelegt wird.
    Allein die Möglichkeit ihn anzurufen soll den Dialog im MDR fördern und so Konflikte vorher entschärfen. Deshalb ist es für Jens-Ole Schröder schwierig, die Arbeit des Beirates zu messen.
    "Wir sind gespannt, wie es wirkt und wie es arbeitet. Und wir wollen das dann nach zwei Jahren auf den Prüfstand stellen und es fortentwickeln. Konkrete Kriterien für die Fortentwicklung haben wir zu Beginn nicht entwickelt. Die werden wir im Laufe der Arbeit entwickeln. Ich bin ganz sicher, dass sich die Intendantin sich auch sehr genau über den Fortgang der Arbeit des Beirates laufend unterrichten wird."
    Auch beim DJV findet man das neue Gremium sinnvoll. Doch wie weit es die Unternehmenskultur des MDR verändert bleibt offen. Noch in diesem Jahr soll der Beirat sich das erste Mal treffen. Der MDR hofft so Schwachstellen im System beheben zu können.